Drachenmenschen - 13. Erwischt...

Story by Lord_Eldingar on SoFurry

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#15 of Drachenmenschen

Ich verbringe einen Tag damit, als Mensch einen Lkw im Gelände zu bewegen. Anderen helfen und Spaß dabei, was will man mehr. Und wer weiß, wann ich wieder mal Mensch sein darf. - Denn am Abend holen die Drachen mich ein...

Der nächste Teil über einen Menschen, der sein Leben zukünftig als Drache verbringen soll und nicht weiß, ob er das auch will.


Drachenmenschen

  1. erwischt

Ich blicke noch oft zurück - und nicht nur um mich an den Lichtern zu orientieren. Solange ich noch irgendwas erkennen kann - zuletzt nur noch einen winzigen Wärmefleck - stehen die beiden noch da und schauen anscheinend in die Dunkelheit, als ob sie ahnen, dass ich mich noch oft umsehe. Schließlich bin ich aber zu weit weg, selbst in der jetzt schon ordentlichen Höhe kann ich den winzigen Fleck Körperwärme nicht mehr erkennen... Kurz denke ich daran umzukehren, aber das ist natürlich unsinnig. Das würde meine Flucht unlogisch machen... Aber ist die Flucht nicht sowieso jetzt unlogisch? Ich habe als Drache ein Kind gezeugt, mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Drachen, wie kann ich mich da verstecken und als Mensch leben wollen...

Noch habe ich keinen Entschluss für mich gefunden. Erstmal weiter, ich muss in Ruhe nachdenken und das kann ich auf der Krim nicht. Sie haben offensichtlich eine Art Alarmsystem in der Höhle mit der sie sofort merken, dass jemand da ist - und Natascha wäre sicher als erste da, in der Hoffnung mich zu sehen. Nein ich muss weiter, eine andere Unterkunft suchen und die in Georgien, genau genommen eigentlich Abchasien, liegt näher als zurück nach Rumänien zu fliegen.

Was ist das da vor mir... Licht... jetzt schon? Wie schnell bin ich eigentlich... hmm, dem Winddruck nach irgendwas um 200, schon schneller als eigentlich geplant, aber wenn ich mich nach der Wasseroberfläche orientiere... Dann ist hier oben ein kräftiger Westwind, der mich treibt, über Grund habe ich gute 260 Stundenkilometer drauf. Na dann ist das kein Wunder, dass ich schon die Lichter an der Küste sehe. Ich muss etwas nach rechts, da ist der langgestreckte doppelte Lichtdom von Sotchi und Adler. - Aber auf dem direkten Kurs dann die Höhle finden... dort am Südrand des Kaukasus sind nur sehr wenige Orte. Da hab ich schnell die Höhle verpasst, nur ein Hauch zu weit nördlich und ich fliege vorbei und lande auf dem Elbrus, etwas zu weit südlich und der nächste größere Ort ist dann Tiflis oder sogar erst Baku...

Also doch am besten wie ich es mir gestern Abend überlegt hatte - an der Küste angekommen folge ich der Küstenlinie südlich runter bis Adler und über dem markanten Olympiazentrum direkt hinter dem Flughafen biege ich dann direkt nach Osten ab. Auf etwas über 2000 Meter Höhe habe ich hier keine Hindernisse und kann mich an ein paar höheren Bergen links und rechts orientieren. Oh oder auch nicht... es zieht unter mir zunehmend zu, nicht lange und ich kann den Boden nicht mehr sehen. Und die Wolkendecke scheint weit zu reichen. Es nützt nichts, ich muss es versuchen, aber bis 1.000m kann ich wohl gefahrlos runter hier. Und ich habe Glück, die Wolken sind zwar dicht, aber die Schicht ist nicht sehr dick, noch deutlich über 1.000m habe ich wieder freien Blick auf den Boden unter mir.

Vor mir noch eine Bergkuppe, die etwas höher ist, als ich gerade fliege, ich schlage einen Bogen und sehe vor mir die zwar nicht sehr hellen, aber deutlich sichtbaren Lichter einer lang nach Norden verlaufenden Siedlung. Sogar die Graspiste des kleinen Flughafens kann ich vor mir erkennen. Das kann nur Pschu sein, das Dorf, das ich suche. Ich schwenke nach Norden und folge dem Dorf bis zum Ende, dann rechts das Tal hinauf bis... oh auch hier Lichter. Die sind nicht schlecht versorgt hier in der Gegend. Dafür dass es weit und breit keine andere Siedlung gibt...

So am Ende links ein wenig den Hang hinauf mitten im Wald... Ah ja. Für Drachenaugen auch hier deutlich zu sehen. Da ist die Höhle... auch hier am Rand einer Lichtung, genauer ein alter Bergrutsch auf dem sich nur niederer Bewuchs halten kann. Ein guter Platz zum Landen, ich finde sofort einen sicheren Halt. Ein Stück seitlich in den Wald und da in einer niedrigen Steilwand ist der Felsspalt. Auch hier ein gewundener Gang, am Ende eine Tür... mittlerweile kommt mir das schon bekannt vor. Wieder klopfe ich, keine Antwort, ich trete ein. Kein Lichtschalter, also kommt meine kleine Taschenlampe zum Einsatz. Aha, llampen... nun, warum auch nicht, wir sind schließlich doch ein wenig abseits der Zivilisation, auch unter Berücksichtigung der Lichter da unten in den Häusern. Streichhölzer sind auch vorhanden, also habe ich schnell das angenehme Licht im Raum, das Kerzen und llampen eigen ist.

So, Tür zu... Aha, kein Tisch oder Stuhl. Aber etwas Ähnliches wie eine Liege, schön weich gepolstert. Und das Bett ist eine Art Alkoven in der Felswand, erinnert mich ein wenig an den Schlafkobel in der Höhle, bei der ich aufgewacht bin. Offensichtlich auch hier mit Naturmaterial gepolstert, Wolle und was weiß ich - aber traumhaft weich und kuschelig... Vergiss die Kunstfasern Kyrrah - dies hier ist das einzig wahre für ein Drachennest. Die Badnische entspricht wieder dem Standard: fließend Wasser aus einer Quelle, ein kleines Wasserbecken, eine Toilette. Alles etwas schlichter, aber sinnvoll und sauber. Überhaupt ist diese Höhle bei aller Schlichtheit - fast wie in der Höhle, die ich als Feral beim Erwachen angeflogen bin - ausgesprochen sauber.

Ich fühle mich wohl hier, einfach, funktionell - sogar die llampen passen dazu. Ich setze mich auf die Liege, ein Blick auf das Handy - kein Empfang... Ein Versuch zeigt mir, dass ich auch draußen auf der Lichtung keinen Empfang habe, ich schalte das Ding ab, wer weiß, wenn ich wieder Strom habe. Eine Weile hocke ich noch so auf der Liege, denke an meine Nataschenka, aber auch an T'Álirrah, knabbere ein paar von den Trockenfleischsticks und gehe dann ins Nest, lasse nur eine Lampe auf kleiner Flamme zur Orientierung an.

Ich schrecke hoch... was... ah nur ein Vogel, der an einem der Lichtschächte Spektakel macht. Sehr viel Licht kommt zwar nicht hier rein, die Höhle liegt ja in einem recht dichten Wald, aber es ist genug, dass ich die llampe ausmachen kann. Ein kurzer Besuch im Bad, dann gehe ich vor die Tür. Ich schaue in einen dichten Mischwald, die Sonne ist gerade über dem Kaukasus aufgegangen und die Vögel veranstalten ihre morgendliche Randale. Ich sauge die Luft ein... Wald, Laub, der Boden, Vögel, Nagetiere, vor allem Eichhörnchen. Unten im Tal halten sie anscheinend Schafe - und der Wind trägt irgendetwas mit sich, das ich nicht unterbringen kann... ein kräftiger, herber Geruch mit einer bekannten Note... nur kann ich die einfach nicht unterbringen.

Egal, der Blick aufs Handy zeigt mir, dass ich immer noch kein Netz habe. Wobei ich das eigentlich auch nicht wirklich erwartet habe, denn für 150 Bewohner lohnt sicher kein Funkturm. So was mich ich jetzt...? Grinsend gehe ich zurück in die Höhle. Dumme Frage, Georgi suchen natürlich. Ich blicke mich noch mal richtig um... nee, hier sind keine Klamotten, die zur Region passen. Und außer dem - gut schmeckendem - Quellwasser auch nichts zu trinken oder essen. Aber es ist schon angenehm warm draußen, eigentlich kein Wunder, denn ich bin ja schon ein gutes Stück südlich, so ungefähr auf der Höhe von Split oder Elba - und auch nicht so sehr weit vom Schwarzen Meer entfernt, da ist es hier auch im Frühling schon mal deutlich wärmer als zu Hause im Berliner Raum - oder gar an der Küste, wo ich ja herstamme.

Meine leichten Klamotten sollten dann also schon reichen, ohne besonders aufzufallen. Allerdings möchte ich dann doch noch als Anthro den Berg runtersteigen, besonders wenn ich über die Lichtung - also den alten Bergrutsch gehen muss, bin ich als Drache deutlich besser zu Fuß.

Nachdenklich halte ich inne... Bin ich schon so weit, mich als Drache zu sehen? Vor ein paar Tagen wollte ich lieber ein Mensch sein... da war ich fertig mit den Drachen und bin überhaupt nur als Drache losgeflogen, weil ich als Mensch keine reelle Fluchtmöglichkeit vor Kyrrah und den anderen Drachen gehabt hätte - und jetzt? Gestern paare ich mich als Drache mit einer Menschenfrau und fand das gut und richtig so - und habe mich als Drache auch ihrer Familie gezeigt... die drei wissen gar nicht, wie ich als Mensch überhaupt aussehe. Ja und heute gehe ich lieber als Drache ins Tal zu unserem Verbindungsmann, weil ich mich dann wohler und sicherer fühle und will mich erst im letzten Moment zum Menschen transformieren, damit ich nicht auffalle. - Und neben Natascha und unserem Kind denke ich auch immer öfter an T'Álirrah...

Ich nehme mir die Kleidungsstücke aus dem Rucksack und stopfe sie in einen kleinen Beutel, denn ich möchte nicht das ganze Zeug mitnehmen. Dann noch das Handy und das Autoladekabel, denn ich habe gesehen, dass dort unten Fahrzeuge stehen und natürlich das Geld. Soweit habe ich dann alles und kann los.

Wie ich gedacht habe, komme ich auf gradem Weg am Waldrand entlang der Trümmer des Bergsturzes am besten nach unten, hier hat der Wald weniger Unterholz und so komme ich schnell voran, unten dann noch 100 m und ich bin auf Höhe des Hofes, aber noch in Deckung einiger Bäume. Kurz konzentriert, dann das Gefühl, das ich schon seit der Tatra nicht mehr hatte - ich bin ein Mensch. Schnell ziehe ich mir die Boxer und die Jeans an, das Hemd und dann die leichten Barfußschuhe und schon sehe ich fast wie ein normaler Mensch aus. Also los...

Dem Pfad folgend gehe ich auf die Gebäude zu. Links ist in einem Gehege eine Schafherde und weiter weg sehe ich Bisons... nein falsch, das sind Wisente, die sind hier ja auch heimisch. Und deren Geruch, der zu mir rüberweht macht mir klar, was ich vorhin oben gerochen habe. Die Wisente... Ihr Geruch ist wild, herb und kräftig, hat aber doch ein wenig von Rind in sich - die bekannte Note, die ich aber nicht zusammenbringen konnte.

Rechts sind ein paar Gebäude, Ställe ein Wohnhaus, eine Scheune. Vor dem Wohnhaus zwei LKW an denen sich ein Mann zu schaffen macht, genauer wohl gerade damit fertig ist. Er steht auf dem Kotflügel, macht die Motorhaube zu - es ist so ein Langhauber Fahrzeug - und wischt sich beim Umdrehen die Hände ab. Sein Blick fällt dabei auf mich, er stutzt kurz und wirft dann einen verräterischen Blick in Richtung der Höhle.

„Tza tzu rrakk, drrékh'oh." begrüße ich ihn und stelle mich als Drache vor. Er deutet eine Verneigung an.

„Trrãh... - äh russkij, english...?" -

„Englisch oder deutsch." -

Sein Gesicht hellt sich deutlich auf.

„Ah, Deutscher. Ich war in Ausbildung in DDR, spreche noch etwas deutsch."

Er springt vom Kotflügel und verneigt sich jetzt deutlicher.

„Ich heiße Euch hier willkommen, Herr. Bitte sagt, was ich tun kann für Euch." -

„Zuerst mal normal mit mir sprechen, ich heiße Ralf. Und dann ein ordentliches Frühstück für einen Drachen - bzw. mir sagen, wo ich das bekommen kann. Und schließlich ein Funknetz..." ich halte mein Handy hoch. -

Georgi, er muss es sein, richtet sich wieder auf und grinst.

„Natürlich gerne. Frisches Schaffleisch habe ich und nachher wird noch ein Wisent geschlachtet. Ich muss aber noch ins Tal runter und Waren holen, uns sind ein paar Sachen ausgegangen. Und es soll am Wochenende ein Fest geben, da muss ich eben los. Dummerweise ist mein Mitfahrer Murman krank geworden, da muss ich alleine fahren - genauer mit Fasil, aber der kann nur den UAS-Jeep fahren." -

Ich betrachte mir den LKW vor dem er noch steht. Ein typisch russischer Transporter in Olivgrün, relativ neu, aber die Baureihe stammt deutlich noch aus älteren Zeiten. Ein Riese von Lastwagen, gewaltige Räder, offensichtlich mit während der Fahrt bedienbarer Reifendruckkontrolle. Ich schaue etwas näher, ah - ein URAL, wie auch der ältere nebendran, der sich nur in Details unterscheidet.

„Macht das Spaß, so ein Ding zu fahren?" -

Georgi sieht mich an, als ob ich ein Drache wäre...

„Spaß...? - Auf sowas könnt nur ihr Westler kommen. Wir haben die, um uns versorgen zu können, nicht um zum Spaß durch die Berge zu fahren..." Er grinst. „Aber ehrlich gesagt: es hat schon was, mit dem überall durch zu kommen, immerhin schleppen wir dann ein paar Tonnen Waren durch die Wildnis." -

„Ein URAL... irgendwie hat der sogar bei uns einen Namen, auch wenn die Renn-Kamaz bekannter sind." -

„Ja, wir hatten die Wahl zwischen verschiedenen Modellen, aber die Kosten und eben, dass wir schon einen davon haben - und damit auch Ersatzteile. Wir müssen heute einen Teil eben selber bezahlen... Den haben wir jetzt ungefähr ein halbes Jahr, der ist also schon ein paar Mal die Strecke gefahren. Und wir hatten Glück mit dem. Gebaut bei UAS mit der neuen westlichen Norm, modernisierte Elektrik, Militärmodell mit robusterem Fahrwerk, abgedichtete Kabine, Schnorchel, Winde. Und geht durch und über alles." -

Bei seiner Schwärmerei musste ich grinsen.

„Na, das klingt aber schon nach Spaß am Fahren..." -

„Ja, doch. Zumindest im Gelände schon, auch wenn ich lieber den alten fahre, der hat mehr Charakter und geht noch etwas besser bilde ich mir ein. Murman fährt lieber den Neuen hier, aber der hat es auch mit dem Rücken." Er sieht mich an, wie ich diese Riesenkiste betrachte. „Wie sieht es aus, was vor heute?"

Ich schüttele den Kopf.

„Nur auf den Abend warten um weiter zu fliegen und dann zeitig los. Naja, und ein Netz für mein Handy, ich müsste meine Familie kontaktieren." -

„Kannst Du so ein Ding fahren?" -

Was hat er jetzt vor... „Ich hab einen Führerschein für Lkw - aber so einen bin ich noch nicht gefahren." -

„Du musst damit ja auch nicht durch Tiflis fahren... Du kannst also einen fahren...- wie ist es, willst Du Spaß haben, wie Du sagst? - Mir wäre es lieber, mit den beiden URAL zu fahren, so können wir uns gegenseitig helfen, wenn es notwendig werden sollte. Mit dem Jeep kann man höchstens irgendwo Hilfe holen, oder sitzt dann nicht irgendwo im Wald über Nacht fest. Außerdem fährt Fasil nicht gerne, er nimmt lieber die Pferde... - Es wäre mir eine echte Hilfe." -

„Moment... Du willst Waren für den Ort holen, und sprichst vom Liegenbleiben in der Wildnis? - Ich erwarte ja keine 6-spurige Autobahn, aber eine definierte Piste wird es doch geben..." -

„Ja... früher - also zu Sowjetzeiten - gab es eine Piste bis hierher. Nicht voll ausgebaut, aber für geländegängige Lkw problemlos befahrbar, damals wurden schon mal ein paar Felsen weggesprengt, damit man da glatt durchkommt. Die ist aber jetzt so zugewachsen, dass sie oft nicht mehr zu erkennen ist. Da wir ja ein Flugfeld haben, beschränkten die Abchasen sich auf die Luftversorgung, das geht schneller und ist günstiger, weil oft zahlende Touristen mit an Bord sind. Das reicht für Lebensmittel und kleinere Artikel ja auch, aber wenn wir größere Dinge brauchen wird es schwierig. Und nun ist schon seit Monaten die Mi-8 defekt und wir bekommen nur noch mit der kleinen Kamov-26 Waren - die kann aber kaum was laden..." -

Oha... eine zugewachsene Piste - also maximal eine Fahrspur in der Landschaft... und selbst die nie ausgebaut, also wird das gegebene Gelände einfach nur so befahren, dass die Fuhre nicht umkippt oder hängen bleibt... - Und die Alternative mit der Luftfracht funktioniert nun auch nicht mehr... „Verstehe. Darum fahrt ihr jetzt selber und besorgt, was gebraucht wird." -

„Gefahren sind wir auch vorher schon, nur seltener. Jetzt geht es mindestens alle zwei Wochen nach Sochumi. Sind nur 40 km Fahrstrecke eine Richtung, das hin und zurück ist in 10 bis 12 Stunden erledigt." -

Naja... 80 km mit dem Lkw ohne Weg durch die Berge, dafür sind 12 Stunden vermutlich nicht mal viel... Andererseits - was soll ich den ganzen Tag hier machen, wenn der einzige, mit dem ich offen sprechen kann, nicht da ist. Ich kann natürlich mal durchs Dorf tapern, aber abendfüllend ist das Programm auch nicht gerade, ich bin ja nicht wegen der zugegeben tollen Umgebung hier. - Und ich könnte mal einen wirklich geländetauglichen Lkw so richtig durch die Landschaft prügeln, ohne dass ein Naturfritze gleich einen Herzinfarkt kriegt...- wobei ich das zu Hause so auch nicht machen würde weil das nur just for fun wäre, hier hat das wirklich einen Sinn. Und wenn ich dadurch ein wenig später weiter zur nächsten Höhle komme, ist das auch nicht weiter tragisch.

„Wenn Du einem im Gelände Unerfahrenen so einen Laster anvertrauen möchtest... ja, ich hätte schon Interesse, das mal zu probieren." -

Georgi winkt grinsend ab.

„Ach was. Wenn Du wüsstest wie Murman fährt, der ist auch auf dem Pferderücken besser aufgehoben... - Du kannst einen Lkw im Stadtverkehr sicher lenken, sonst hättest Du keinen Führerschein. Glaub mir, das Fahren an sich ist sehr viel einfacher, Du musst nur wissen, wie Du Dich an Hindernissen verhalten musst. Aber ich bin ja dabei und wir haben Funk an Bord. Wir haben gutes Wetter, keinen Schlamm, kein Eis, bei den Flussquerungen sind wir auf bekanntem Gebiet... das wird schon." -

„Na, danke für das Mut machen..." -

„Komm erstmal mit rein, was essen. Und ich zeig Dir dabei die Strecke auf der Karte. - Lieber roh oder gebacken?" -

„Als Mensch lieber gegart, früher am liebsten auch gegrillt, aber das verweigert der Drache leider, es schmeckt zu verbrannt." -

„Im Tontopf im Backofen langsam gegart." -

„Da komme ich gerne mit rein." -

In der Küche bekomme ich meinen Platz am großen Tisch zugewiesen, kurz darauf steht eine Schüssel mit kaltem Fleisch vor mir. Gut, man muss Schaf schon mögen, vor allem kalt, aber ich könnte mich da reinsetzen. Und dieses Fleisch ist so wunderbar mürbe, dass man kein Besteck braucht - pulled sheep sozusagen. Ich schaufele geradezu die Brocken in meinen Mund, während Georgi mir die Strecke zeigt und schon reichlich Informationen dazu gibt. So klingt alles gar nicht so schwer...

„Fahr einfach hinter mir her. Die Piste ist ja immer noch da, nur finden muss man sie." -

„Dann fahr mir nur nicht weg, wenn ich Anfänger da rumstolpere." -

„Ach was. Halt den Ural auf Kurs und lass ihn machen. Und wenn Du glaubst es geht nicht weiter, runterschalten und Gas geben. Der hält das aus." -

„Aber Du willst mir den Neuen geben..." -

„Ja und? In 20 Jahren ist der von ganz alleine alt..." -

Georgi packt noch reichlich Fleisch ein, je ein Henkelmann für sich und für mich, dann soll es losgehen. Ich klettere in den Ural, der Sitz ist unerwartet bequem, luftgefedert und das Instrumentenbrett zwar noch aus Metall, aber mit einem recht modernen Kombiinstrument ausgestattet - und ohne den überflüssigen Fahrtschreiber. Kurz zeigt er mir noch, wie ich die Geländeuntersetzung aktiviere, das Verteilergetriebe sperre und die Reifendruckkontrolle bediene, dann drücke ich den Starter und das Monster erwacht zum Leben. - Holla... 11 Liter Hubraum bringen sogar diesen Riesen zum Beben. Und von Lärmschutz halten die Konstrukteure auch heute noch nicht viel.

Ich versuche mich an meinen momentanen Arbeitsplatz zu gewöhnen, während Georgi zu seinem Ural geht und den marschbereit macht. Erstmal Tür zu... gleich wird es deutlich leiser, aber dieser Ural soll ja auch zusätzlich abgedichtet sein und durch den Schnorchel dann durch tieferes Wasser waten können, als die anderthalb Meter der normalen Version. Dann quäkt das Funkgerät.

„Bereit?" -

„Nein, also lass uns losfahren, ich möchte nicht da draußen übernachten." -

„Wäre aber auch kein Problem. Du hast eine Pritsche im Führerhaus und ich eine lange Sitzbank." -

Na wie schön, alles im Plan... Georgi fährt langsam los und lässt mir die Zeit, den Kupplungspunkt zu finden und den Stahlkoloss in Bewegung zu setzen. Was überraschend einfach geht, ob nun wegen der grundsätzlich simplen Technik, oder der Modernisierung, ist mir dabei egal. Immer Georgi hinterher, überqueren wir den Bach, der durch dieses Tal fließt - was mir schon fast als kleines Abenteuer vorkommt, obwohl die Furt nur ein paar Zentimeter tief ist.

Mitten im Ort, bei der Schule, wie ich entziffere, halten wir kurz und Georgi geht gegenüber in ein Haus. Er möchte hier Fasil noch kurz informieren, dass er nicht mitfahren muss. Kurz darauf kommt er mit einem Mann mittleren Alters wieder heraus und beide steigen in seinen Ural. Es geht ein Stück weiter, dann wieder ein Halt, Georgi kommt zu mir.

„Einen Moment, wir haben noch reichlich Fleisch, das wir mit ausliefern wollen und jetzt auch den Platz dafür. Fünf Minuten, dann geht's weiter." -

Na gut, bis die drei Boxen mit Hilfe eines Traktors auf der Ladefläche stehen und verzurrt sind, vergeht eine Viertelstunde, aber dann kommt der mir noch fremde Mann, offenbar Fasil, zu meinem Lkw und winkt mir zu, auszusteigen. - Ich tue das einfach mal und werde wortreich umarmt - ich verstehe nur ‚spasiba' und ‚karascho' aus dem russischen Teil - und die hingehaltene Flasche mit klarem Schnaps, aus der ich vorsichtig einen Schluck nehme. Anscheinend selbstgebrannter Obstschnaps, kratzt weniger als befürchtet und schmeckt auch ganz gut. Ich ahne, dass er mehr erwartet, also schnell noch einen ordentlichen Zug hinterher. Das scheint ihn zufrieden zu stellen, jedenfalls sagt sein Gesichtsausdruck sowas, als er auch einen ordentlichen Zug nimmt und dann die Flasche wieder in seine Tasche steckt. Noch eine Umarmung und dann schiebt er mich praktisch zurück in den Lkw.

Noch einmal winken und dann muss ich mich schon beeilen, hinter Georgi her zu kommen. Kurz darauf quäkt der Funk wieder.

„Hast Du wenigstens zwei Schluck genommen?" -

„Ja, schmeckt nicht schlecht das Zeug, selbstgebrannt?" -

„Ah, gut. Damit hast Du ihm gezeigt, dass Dir sein Schnaps schmeckt. Ist hier wichtig. Ja selbstgebrannt und wenn sie hier was können, dann Schnaps brennen." -

Wir erreichen das Ende des Dorfes und es geht ins Flusstal hinunter, aber erst noch ein ganzes Stück das Tal entlang. Hier ist noch ein deutlicher Weg, wir kommen auch noch an einigen verstreuten Häusern vorbei. Georgi orientiert sich an meinem Abstand zu ihm und wird zunehmend schneller, was mir hier auch noch keine Probleme macht.

Schließlich stehen wir vor dem Fluss in den der Weg eindeutig führt - und drüben ist auch deutlich eine Zufahrt zu erkennen. Aha... keine Brücken... - ich warte erstmal ab und lasse Georgi vorfahren, um mir das ganze anzusehen. Er nimmt den direkten Weg, der über eine Sandbank führt, die erste Furt ist so flach, dass nicht mal die Radnaben nass werden, aber hinter der Sandbank läuft die Strömung - sein Ural scheint zu schwimmen, von den Rädern ist nichts mehr zu sehen, aber er geht beständig vorwärts und klettert anschließend problemlos auf der anderen Seite wieder aus dem Fluss.

OK, jetzt bin ich dran. Geländeuntersetzung rein, Reifendruck wie von Georgi angegeben eingestellt und los. Deutlich spüre ich, wie die Räder sich durch Sand und Geröll fräsen, dann die Sandbank, kein Problem, aber nun geht es recht schnell runter, langsam... Die Vorderräder treffen auf festen Grund, anscheinend den Felsboden und obwohl ich irgendwie das Gefühl habe, in einem Boot zu sein, bewegt sich mein Ural hier fast wie auf einer Straße vorwärts, dann klettert auch mein Lkw wieder aufs Ufer. Na, das ging ja noch, kostete nur ein wenig Überwindung so platsch in ein Wildgewässer zu fahren.

„Gut. Sicher und bewusst gefahren. Nun geht es erst ein wenig weiter den Fluss entlang." -

Na, wenn er meint - ich grinse vor mich hin, so sicher habe ich mich nicht unbedingt gefühlt, als das Wasser immer höher stieg. Jetzt geht es erst über eine Wiese, der Weg ist hier lange nicht mehr so deutlich zu erkennen, vereinzelnd mal eine kurze Fahrspur... Ich bleibe einfach in der Spur von Georgi, wo er gefahren ist, werde ich schon nicht umkippen oder wegsacken. Auch hier wird er wieder zunehmend schneller, selbst durch die kurzen Waldstücke, die immer wieder vor uns auftauchen, fegt er geradezu durch - naja... auf den Wiesen fährt er schließlich zwischen 40 und 50 km/h - in den Waldstücken, in denen der Weg recht deutlich zu erkennen ist, noch 30.

Dann, an einer kleinen gemauerten Steinsäule biegt er nach rechts in den Wald ab, hält kurz an und legt offenbar die Geländeuntersetzung ein. - Ich folge seinem Beispiel und aktiviere die auch wieder. Nun liegt die Höchstgeschwindigkeit zwar nur noch bei etwas über 30, aber dafür klettern die Ural auch problemlos den jetzt recht heftig ansteigenden ‚Weg' hoch. Der ist eigentlich nur daran zu erkennen, dass er auf einer Breite von vielleicht 5m nicht so steil zur Talseite abfällt, wie der sonstige Hang dem entlang wir immer höher klettern.

Wir haben manchmal zwar eine Schräglage, die mich schon erschreckt, aber ich halte einfach die Luft an und folge Georgi stur. Immer nach dem Motto: wo er noch fährt, kann ich das auch. - Natürlich bleibe ich in den ersten beiden Spitzkehren stecken, habe die Kehre nicht weit genug außen angefahren und nicht schnell genug gekurbelt und so Platz verschenkt. Aber ich zögere nicht lange, schlage voll entgegengesetzt ein, lasse mich ein paar Meter zurück rollen und beende die Kehre dann. Die Ruhe im Funk nehme ich einfach mal als gutes Zeichen, dass Georgi nichts zu meckern hat und meine kleinen Fehler meiner Unerfahrenheit zuschreibt.

Schließlich gelingen mir die Kehren aber auch in einem Zug, die zusätzlichen Spiegel, in denen ich meine Räder sehen kann - und die ich im Gelände für eigentlich überflüssig gehalten hatte - helfen mir dabei, jeden Zentimeter des Weges auszunutzen.

Schneller als ich dachte, geht es wieder bergab. Der Motor bremst so, dass ich sogar noch Gas geben muss um an Georgi dran zu bleiben. Und nach der dritten Kehre hab ich mich auch dran gewöhnt auf den Abhang zuzufahren und klammere mich nicht mehr so krampfhaft am Lenkrad fest dabei. Hier geht es aber schon bald mehr geradeaus, der Hang ist hier nicht so steil wie auf der anderen Seite. Bald nimmt Georgi die Untersetzung wieder raus und fährt wieder deutlich schneller. Ich folge ihm kopfschüttelnd, aber zum Glück passiert nichts. Allerdings kommen schon noch ein paar Serpentinen hier und da, wo wir wieder langsamer fahren müssen.

Wir treffen wieder auf einen Fluss und vielleicht zwei Kilometer weiter ist so eine Art Parkplatz, wo Georgi anhält und zu mir kommt.

„So. Die Geländepiste hätten wir geschafft. Ab hier ist es fast so etwas wie eine Straße immer entlang des Flusses. Ich fahre am besten ein Stück vor, denn die ist nur sehr selten befahren, da kann immer ein Hindernis auftauchen. Fahr einfach Dein Tempo, Du kannst unser Ziel, ein Wasserkraftwerk einige Kilometer vor Sochumi nicht verfehlen, das ist das erste größere Bauwerk auf diesem Weg." -

Also fahren wir gar nicht ganz bis Sochumi. Kann ich ja verstehen, wenn man sich den Weg ein wenig aufteilen kann... - aber habe ich da Handyempfang? Hier jedenfalls nicht, wie ich schnell nachgesehen habe. Ich nutze nebenbei die Gelegenheit und lade das Handy an der Bordspannungssteckdose auf. Der Ural hat sogar eine für 12 Volt.

Georgi fährt los, ich esse erstmal eine Kleinigkeit. Der Drache hat nun mal mehr Hunger, selbst als Mensch. Dann noch ein paar Schluck Wasser aus einem hier vom Berg kommenden Bach und dann mache ich mich auch auf den Weg.

Er hatte insofern Recht, dass es tatsächlich eine Art Straße ist. Genauer eine Betonpiste, die aber deutliche Spuren des Alters und der Vernachlässigung zeigt. Aber an allen wirklich wichtigen Stellen scheint sie durchaus gepflegt zu werden. Ich fasse zunehmend Vertrauen und fahre auf übersichtlichen Teilstücken schon mit reichlich 60 Sachen. Nur an unübersichtlichen Bereichen, wie engere Kurven und bei den doch häufigen Flussquerungen gehe ich deutlich mit dem Tempo runter. Wobei Fluss natürlich geprahlt ist, es ist noch mehr ein Gebirgsbach. Und keine der Furten ist tiefer als einen halben Meter.

Insgesamt ist die Strecke durchgehend frei und sogar vergleichsweise gut zu befahren. Allerdings muss man sagen, dass der Ural das meiste auch überraschend gut wegschluckt, den Rest erledigt der Luftgefederte Sitz. Vereinzelnd sehe ich sogar kleine Siedlungen ein gutes Stück höher am Berg, meist nur ein oder zwei kleine Höfe, die aber sicher auch durch diese Betonpiste mit allem Nötigen versorgt werden.

Unerwartet sehe ich plötzlich eine Brücke vor mir... Eben noch musste ich den Fluss zweimal durch Furten kurz hintereinander queren, und jetzt eine Brücke, die über den Fluss führt... und jetzt sehe ich auch einen größeren Gebäudekomplex. Das muss das Wasserkraftwerk sein - richtig, ich fahre langsam dran vorbei um die Brücke nicht zu verpassen, denn das Kraftwerk ist auf der anderen Flussseite. Aber ich fahre dran vorbei, keine Brücke - erst ein Stück hinter der Anlage kommt die langerwartete Brücke auf der die Piste wieder die Flussseite wechselt. Und da steht vor einem Lagerschuppen auch der Ural von Georgi - der kopfschüttelnd hinter seinem Lkw steht, als ich langsam das letzte Stück zu ihm fahre.

„Sag mal, Du Drache... gönnst Du mir nicht mal eine kleine Pause? Ich bin gerade erst hier angekommen, und da höre ich schon das Röhren deines Diesels..."-

Ich grinse ihn breit an.

„Wieso? Musst Du selber auf- und abladen?" -

„Nein. Die sind gleich da. Und ich bin ja auch froh darüber. Wir sind über eine Stunde schneller gewesen, als sonst - Murman fährt deutlich langsamer als Du." -

„Du bist losgefahren und ich hinterher, immer nach dem Motto: was Du kannst, kann ich auch. Und dann auf der Betonpiste hab ich mich fast wie auf einer Autobahn gefühlt. Ich hoffe, ich hab nichts kaputtgemacht, als ich durch die Furten gefegt bin." -

„Hast Du eine Veränderung gehört oder gespürt?" -

„Nein. Soweit ich das beurteilen kann, alles wie vorher." -

„Dann ist auch nichts kaputtgegangen. Vergiss nicht, die Ural wurden für schweres Gelände gebaut." -

Wir werden von der Ankunft eines Traktors mit Ladegabel unterbrochen und ohne langes Zögern wird sofort mit dem Abladen begonnen. Schon eine halbe Stunde später sind beide Lkw neu beladen - auch hier ist alles palettiert oder in Boxen verpackt und wir werden zu einem kleinen Imbiss eingeladen. - Nun ja... klein... reichlich frischgegrillte Fleischspieße gibt es, Brot und Selbstgebrannter. Der Umsicht Georgis verdanke ich, dass meine Fleischspieße ganz am Rand zu liegen kommen und so bei milder Hitze langsam garziehen - bzw. noch fast roh sind. Aber ich nehme es dankbar an, denn nur so bekomme ich es überhaupt runter. Früher hätte ich mich in diese Grillspieße setzen können... Ich sehe ja auch, was da passiert - aber mich überfällt schon beim Geruch die Vision von im Drachenfeuer lebendig verbrannter Lebewesen... Es scheint eine tief verankerte Abscheu davor in uns Drachen verankert zu sein. Die Abscheu, Lebewesen in unserem Feuer sterben zu sehen.

Und Georgi hatte Recht, ich habe hier tatsächlich Empfang und nutze das, als ich genug gegessen und vor allem getrunken habe. - Aber ich erreiche Ti nicht, immer ist nur ihre Mailbox dran. Natürlich habe ich draufgesprochen und ihr gebeichtet, dass ich Vater nachgekommen bin und ein Kind mit einer Menschenfrau gezeugt habe. Dass das abgebuchte Geld für die beiden als Startkapital ist - und ich Ti darum bitte, dass sie sich um die beiden kümmert, bis ich meine Angelegenheit geregelt habe.

Dann rufe ich Mikhail an, ich habe ja keine Nummer von Natascha, völlig vergessen gestern... aber auch er ist nicht erreichbar. Auch hier nur die Mailbox, aber egal. Ich bitte Mikhail es Natascha auszurichten und spreche sie dann direkt an.

„Nataschenka, ich liebe Dich, ich vermisse Dich. Ständig muss ich an Dich denken." Süßholzgeraspel, das ich doch so verdammt ernst meine. Zum Schluss frage ich sie noch, ob sie auch mit mir alleine in einem Häuschen tief in einem Bergwald leben wollen würde, wenn sich das so ergibt.

Als ich zurück zu den anderen gehe, verabschiedet Georgi uns gerade. So gesehen war es wirklich ein kleiner Imbiss, weil es nur eine Stunde dauerte, ehe wir wieder aufbrechen. Georgi fährt wieder voraus, schon weil er den Weg kennt, ich müsste auch mit meinen dracoiden Orientierungsfähigkeiten erst danach suchen. Wir kommen flott voran, Georgi fährt schnell, aber nicht waghalsig, nach einer halben Stunde sind wir schon wieder am Ende der Betonpiste und es geht in die Wälder und aufwärts. Endlos scheinende Kurbeleien am Lenkrad später muss der Motor mich auf dem Weg abwärts bremsen, was auch hier auf der steileren Seite mehr als ausreichend gelingt, ich brauche die Druckluftbremse nur, um vor Kehren das Tempo anzupassen. Dann endlich wieder die offenen Wiesen, über die Georgi jetzt fast ein Rennen veranstaltet, die letzte Flussquerung, zugleich die tiefste, dann fegen wir geradezu an den ersten Häusern vorbei und hoch ins Dorf.

Georgi hält vor dem Lagerschuppen und blickt auf die Uhr.

„Sehr gute Zeit, nur eine halbe Stunde länger, als ich alleine mit dem Jeep." Sagt er zufrieden, als ich neben ihm stehe. Na gut, aber ich fühle mich doch ziemlich ausgelaugt, so schnell durch die Wildnis, selbst auf einem leicht optimierten Weg - das schlaucht dann doch. Und die Arme sind jetzt auch langsam lahm, die Kurbelei...

Fasil kommt aus seinem Haus, blickt mich an, schaut auf seine Uhr, auf den Sonnenstand, wieder zu mir - und holt wortlos eine frische Flasche Selbstgebrannten aus der Tasche, dazu eine Feldflasche Wasser, reicht diese mir und beginnt mit Georgi, die beiden Ural abzuladen. Ich nehme einen großen Schluck vom Schnaps, den kann ich jetzt brauchen, und natürlich Wasser, das ausgesprochen weich und wohlschmeckend ist. Als die beiden fertig mit dem Abladen sind und zu mir kommen, reiche ich die offene, noch zweidrittel volle Schnapsflasche an Georgi weiter, der einen Schluck nimmt, sie an Fasil reicht - und so macht die Flasche die Runde, bis sie leer ist. Ich trinke noch einen Schluck Wasser und reiche auch die Feldflasche an Fasil zurück, der mich noch einmal umarmt und auf beide Wangen küsst.

Huh, ich spüre den Schnaps jetzt aber doch deutlich, aber bringe den Ural sicher zurück auf den Hof von Georgi, der mich wieder zu sich einlädt. Natürlich gibt es wieder was zu essen, Brot, Butter und Schinkenspeck - geräuchertes geht ja gerade noch - und zum Glück Kaffee dazu.

Ich muss jetzt doch eine Frage loswerden. „Warum leistet sich ein nicht gerade reiches Land eigentlich so eine Siedlung mitten in den Wäldern, die nur mit hohem Kostenaufwand versorgt werden kann?" -

Georgi zuckt mit den Schultern. „Prestige. Das hier ist eine uralte abchasische Siedlung und außer mir leben hier auch nur Abchasen - die mich aber freundlich aufgenommen haben. Dann Tourismus. Von hier starten viele Touren mit Pferden in die weitgehend unberührte Natur. Wir produzieren hier Fleisch und Häute von gezüchteten Wisents und Mufflons - keine wildlebenden, die sind für die Touristen zum Beobachten. Beides bringt Devisen. Und hier würde sowieso keiner weggehen, wir würden uns irgendwie durchschlagen - so wie heute mit den Ural." -

„Verstehe. Nur bringt es wohl nicht genug Devisen um Ersatzteile für einen Transporthubschrauber zu kaufen." -

„Vermutlich. - Darf ich fragen, was mit Dir ist? Ich habe den Eindruck, Du bist nicht einfach auf der Durchreise, Du suchst etwas, oder läufst vor etwas weg. Entschuldige, wenn ich zu persönlich werde." -

Ich zucke mit den Schultern.

„Nein schon gut. Ja, ich suche etwas, weil ich vor etwas davonlaufe..." -

Georgi nickt.

„Ja, genau das war mein erster Eindruck. Und nun wirkst Du fast, als ob Du etwas gefunden hättest. Du bist wesentlich ruhiger als heute Morgen." -

„Ich habe das Gefühl, hier eine Heimat für mich und mein Weibchen... entschuldige, meine Frau und unser Kind finden zu können." -

„Ja. Du würdest gut zu uns passen. Fasil fragte mich schon, ob Du bei uns bleibst. Er würde Dir alles beibringen, was Du als Trekkingführer wissen musst und Dir seinen Platz auf dem Ural gerne abtreten. Wir haben hier immer mehr Deutsche, die unsere Natur erleben wollen. Du wärst eine große Hilfe, denn ich habe hier meine Farm, ich kann nicht wochenlang durch die Wälder reiten. Du kannst Touristen führen, Waren transportieren, mir auf der Farm helfen... Hier gleich nebenan wäre ein hübsches kleines Häuschen frei. Mit eigener Stromversorgung..." -

Er versteht es, mir das schmackhaft zu machen. Und eigentlich wäre es das doch. Hier kann ich als Mensch für mein Auskommen sorgen und wäre nicht mehr auf das Geld meiner Schwester angewiesen. Nataschenka wäre nicht einmal weit weg von zu Hause und kann sich hier auch verständigen. Und ich fühle mich irgendwie hier wohl, auch wenn ich nicht genau weiß, warum - vielleicht weil ich hier Mensch sein und als Drache unbeobachtet über dem Kaukasus fliegen kann.

„Und dem Dorf kann ich bei der Buchhaltung helfen, ich habe eine kaufmännische Ausbildung. - Ich weiß nicht Georgi. Es klingt alles sehr gut und ich würde das auch gerne alles annehmen... Aber... wie viele Drachen kommen hier vorbei?" -

Georgi sieht mich ernst an.

„Das ist es - Du bist auf der Flucht vor den anderen Deiner Art..." -

„Ja, irgendwie schon. Ich habe nichts verbrochen - aber ich möchte nichts mit den anderen Drachen zu tun haben, selbst wenn ich durchaus die Vorteile ein Drache zu sein erkenne." -

„Hmm, da habe ich ja noch gar nicht dran gedacht, welche Hilfe Du uns als Drache leisten könntest - hier so direkt meine ich. - Hierher kommen nicht viele von euch. Ein oder zwei im Jahr, die meisten nutzen die Höhlen nördlich, die sind größer und auch besser eingerichtet. Ich halte diese Höhle nur noch sauber und trocken, weil eine Freundin regelmäßig herkommt und hier Urlaub macht. Und weil sich manchmal eine interessante Bekanntschaft machen lässt. Offiziell ist diese Höhle aufgegeben worden." -

Auch das klingt wieder gut. Obwohl eine aufgegebene Höhle natürlich eines meiner Hauptziele auf der Suche nach mir wäre.

„Hmm, ich würde mich hier suchen..." -

„Schon, aber Du wohnst ja nicht in der Höhle. Und die Menschen hier halten extrem zusammen. Wenn hier ein Fremder auftaucht und nach Dir fragt, wird er nichts erfahren. Nicht mal, wenn sie als Drache vor den Einheimischen stehen." -

„Ich bin doch auch ein Fremder." -

„Schon jetzt nicht mehr. Natürlich eigentlich schon, aber Du hast etwas freiwillig und ohne Gegenforderung für die Gemeinschaft hier gemacht. Damit gehörst Du jetzt schon dazu. Und Fasil hat öffentlich seinen Schnaps mit Dir geteilt. Er ist der Ortsvorsteher hier und sein Urteil hat Gewicht. - Und er hat mich darum gebeten, Dir zu sagen: wenn Du eine Heimat suchst, nicht weiter zu suchen." -

Oh, das ist ja schon sehr direkt. Und offensichtlich sieht man mir zumindest als Mensch momentan sehr deutlich an, dass ich einen Platz für mich und Natascha suche. Wobei ich hoffe, dass sie sich hier einleben kann, denn sie ist ja mehr Zivilisation gewohnt. Ich nehme mein Handy, blicke darauf - natürlich kein Empfang, das war auch mehr Gewohnheit als Hoffnung. Aber da ist eine Nachricht drauf... wie zum... Das ist doch die Nummer von Mikhail... oh verd... russisch...

Georgi sieht mich fragend an.

„Etwas passiert?" -

„Nein - hoffe ich jedenfalls. Ich hatte versucht meine Schwester zu erreichen, aber nur die Mailbox erwischt. Und dann meine ... Partnerin. Auch nur die Mailbox... Sie scheint versucht zu haben, mich zurückzurufen, nur waren wir schon wieder zu weit weg. Aber sie hat eine Nachricht geschickt, die mich wohl im letzten Moment noch erreicht hat. - Leider russisch... Hmm... ‚Da... neb...quatsch... njewa...sch...no... gde..." -

Georgi kichert vor sich hin.

„Entschuldige, Dein Kyrillisch ist wohl etwas eingerostet, darf ich?" Ich schiebe ihm schief grinsend das Handy rüber. „Sowas gibt das jetzt? Und das ist ein Telefon?" -

Ich nicke. „Ja, auch. Aber mehr fürs Internet."-

„Naja, geht hier ja leider nicht. - So. ‚Ja, egal wo, nur zusammen. Ich...' - Sie liebt dich. - Da hat sie sich aber beeilt zu schreiben. Sie hat wohl geahnt, dass nur sehr wenig Zeit bleibt." -

Ich atme tief durch, es ist entschieden. Viel früher, als ich gedacht hätte, aber ich hätte auch nicht daran gedacht, Vater zu werden.

„Ich nehme euer Angebot an Georgi." -

„Unser... ah, Du bleibst? Und holst Deine Partnerin hierher? Du hattest sie schon gefragt?" -

„Ja, mehr allgemein, aber der Gedanke steckte wohl schon in mir, hier zu bleiben. Hier sehe ich eine Möglichkeit, auch als Mensch zu leben und mein Auskommen zu haben. Wer weiß, wo ich das wieder finde. Und jetzt mit Frau und Kind gehe ich das Risiko ein, früher als eigentlich gedacht sesshaft zu werden. Hoffentlich nehmen die Einheimischen eine Russin auch so an, wie mich. - Achja, ihre Familie hat eine Rinderzucht - da sind Wisente ja nicht so fremd für sie." -

„Klar, die Einheimischen hier haben keinen Streit mit den Russen, nicht mal mit den Georgiern. Hier kommen jetzt auch viele Russen für einen Urlaub her, ist billiger als drüben ein Trekking zu buchen. - Los, hol Deine Sachen aus der Höhle, heute schläfst Du hier und morgen vielleicht schon in Deinem eigenen Haus." -

Ich nicke und mache mich gleich auf den Weg zur Höhle. Sind ja nur ein paar hundert Meter, die sind schnell zurückgelegt. Kurz vorher ziehe ich mich aber kurz aus und tauche komplett in dem Gebirgsbach hier unter... Huh, kalt. Aber ich will den Schweiß jetzt einfach loswerden. Anziehen? Ah, besser ein frisches Shirt, also nehme ich die Klamotten und gehe nackt die paar Meter zur Höhle. Der Felsboden fühlt sich angenehm kühl an den Fußsohlen an, ich öffne die Tür und betrete die Höhle.

Irgendwas ist anders... ich spüre... verdammt, ist das dunkel, aber hier ist doch...

„Wer ist da?" -

„Da bist Du ja endlich, ich dachte schon, Du wärst ohne Deine Sachen weitergeflogen." -

Verdammt... Die Stimme eines Drachen. Zwar angenehm weich aber doch das untergründige Knurren... Aber ich kenne diese Stimme...

„Ti...?" -

„Ja Tan, ich bin es."

Sie tritt etwas vor und jetzt fällt das wenige Licht von draußen auf sie, dass ich ihre Silhouette schwach erkenne.

„Ti... was machst Du hier. Du wolltest mich doch nicht verfolgen oder anpeilen..." -

Sie seufzt.

„Mir wurde befohlen, Dich zu finden Tan. Es tut mir leid." -

Ich zucke zusammen, als ich eine Hand auf meinem Rücken spüre, die Hand eines Drachen, deutlich spüre ich die Schuppen und die sich trotzdem ledrig anfühlenden Hand- und Fingerballen. Dann die zweite Hand... - Kyrrah? Nein, die Hände sind schlanker, die Krallen länger und sehr spitz, das Gefühl lässt mir einen Schauer den Rücken runterlaufen.

„So fühlt sich also ein Mensch an... so weich, so zart, so verletzlich..." -

Die Hände gleiten über meinen Rücken, meine Arme, dann über meine Brust. Ich brauche einen Moment zu begreifen, dass die Stimme in der Sprache der Drrá'Kin gesprochen hat, in der sehr knappen Art, wie sie drüben gesprochen wird... Diese Stimme... beim letzten Mal war sie tiefer, wuchtiger, von einer Feral und jetzt...

„T'Álirrah!" -

Sie zieht mich an sich, ich spüre ihre Brustschuppen an meinem Rücken, das Spiel ihrer kräftigen Flugmuskeln darunter. Ihre rechte Hand legt sich an meine Kehle, Ihr linker Arm liegt über meinem Bauch und zieht mich fest an sie.

„Du erkennst mich sogar so, als Mensch eine Anthro, die Du noch nie gesehen hast. - Wir haben eine tiefe Verbindung, T'Ánh'Aáh. - Ich verzeihe Dir das kleine Menschenweibchen mit dem Du einen Nestling haben wirst." -

Sie dreht mit der Rechten meinen Kopf etwas nach links, dann sehe ich ihr Gesicht vor mir, spüre ihre wunderbar weichen Nüstern, die schnuppernd über meine Lippen gleiten, dann ihre Zunge, die sich den Weg in meinen Mund sucht. Und versinke in ihren leuchtend blauen Augen, denen hier leider der violette Glanz fehlt, den die blaue Sonne drüben ihnen verleiht.

Erst als mein Atem stockt, zieht sie schnell ihre Zunge wieder zurück, sie war etwas zu weit vorgedrungen. Ihre Stimme klingt warm, weich und liebevoll. Selbst als sie über Natascha spricht.

„Du... Du bist mir nicht böse deswegen?" -

„Böse? Warum? Weil Du einen Nestling gezeugt hast? Ist das nicht der Lebenszweck eines Männchen?" -

„Äh... ja, sicher... - Aber ich ... ich möchte Natascha bei mir haben, mit ihr zusammen leben hier in dieser Welt." -

Kurz bohren sich die Krallen ihrer rechten Hand tiefer in meinen Hals, ihr Blick wird ganz kurz wild - dann hat sie sich wieder im Griff und streichelt sanft meine Kehle.

„Verzeih, ich war kurz... Du hast ja Recht. Ich fühle mich in dieser Welt nicht wohl, ich bin nur auf Anordnung meines Vaters hier, um Dich zu ihm zu bringen. Nein. Das Menschenweibchen soll hier Deine Partnerin sein. Ich bin Deine wahre Partnerin drüben in unserer Welt - da, wo auch Du hingehörst." -

„Es wäre Dir am liebsten nachgeflogen, da drüben... aber da war ich noch nicht soweit." -

Sie leckt mir sanft über die Nase.

„Ich hatte mir so gewünscht, dass Du mir nachfliegst, aber ich habe Deinen Wunsch akzeptiert." -

Ich seufze und schließe die Augen.

„Und jetzt? Was passiert mit mir jetzt?" -

T'Álirrah legt ihren Kopf an meinen.

„Du kommst mit mir in unsere Welt, sprichst mit meinem Vater und entscheidest Dich dann." -

„Das ist alles?" -

„Ja. Nur höre Dir bitte an, was Vater Dir zu sagen hat." -

„Habe ich eine Wahl?" -

„Nein." -

„Dachte ich mir. Ich muss aber Georgi noch sagen, dass ich jetzt doch nicht bleiben kann." -

Ti sieht mich fragend an.

„Du wolltest Dich hier schon niederlassen? Überraschend früh, oder?" -

„Bei meiner Planung damals bei Dir wusste ich noch nichts von Natascha und unserem Kind. Und hier fühle ich mich auch als Mensch frei und doch geborgen." -

„Ja, eine schöne Gegend. Lass uns gemeinsam runtergehen. Und Tan... Du bitte ab sofort als Drache, ja?" -

Ich hole erschreckt Luft.

„Verbietet ihr es mir ein Mensch zu sein?" -

Ti wechselt einen Blick mit T'Álirrah.

„Verbieten nicht, aber Du bist ein Drache und solltest das langsam akzeptieren. - Tan, Du bist mehr Drache als ich - als alle Drrékh zusammen. Nimm das bitte an. Die Drrá'Kin verstehen Deinen Hang zum Menschsein nicht so, wie wir." -

„Sie werden es akzeptieren müssen, wenn sie was von mir wollen." -

T'Álirrah reibt ihre Wangenschuppen ein wenig an meiner Wange.

„Wir verstehen aber Deine Konsequenz, einen einmal gewählten Weg weiter gehen zu wollen. - Transformierst Du Dich - äh - mir zuliebe...?" -

Ich nicke.

„Gut. Da es ja wohl in Deine Welt geht, sollte ich lieber als Drache dort ankommen. Und Du hast vermutlich lieber einen Drachen in Deinen Krallen, oder?"

Ihr fast schon gieriges Knurren werte ich einfach mal als ja. Also konzentriere ich mich seufzend und leite die Wandlung zum Anthro ein. Als ich wieder klar sehen kann, schnuppert T'Álirrah schon an meinem Nacken.

„Ich habe Deinen Geruch vermisst, Tan..." -

Ich tue es ihr gleich und schnuppere an ihr.

„Und ich von Deinem geträumt Tali..." -

Sie kichert.

„Menschen sind ja so süß... ein geschlüpfter hätte mich jetzt nur verständnislos angesehen." Dann schiebt sie mich kompromisslos nach draußen. „Es wird Zeit, ich möchte nicht länger als notwendig hierbleiben. Diese Welt ist so... fremd. Das Licht, die Farben... grüne Pflanzen... und dieser Gestank... wie kannst Du Dich hier nur wohlfühlen?" -

Ich sehe Ti an, die sich sichtlich auf die Zunge beißt. Aber ich habe da keine Hemmungen.

„Es ist die Welt in der wir geboren wurden. Es ist unsere Welt und wir gehören hierher. Eure Welt mit den blauen Pflanzen und dem viel zu grellen Licht, eure Welt, die uns umbringt, die ist mir fremd. Wie sollte ich mich dort je wohlfühlen können..." -

T'Álirrah grinst kurz über meine Retourkutsche, dann wird sie ernst.

„Verzeih. Ich kann ja in eurer Welt leben, aber ihr würdet in meiner Welt sterben, wenn ihr nicht als Drachen dort ankommt. Und meine Welt muss Dir so fremd sein, wie Deine mir. Ich war egoistisch und unlogisch." -

Ich spüre, dass ich jetzt Verständnis zeigen muss. Sie reagiert sehr viel emotionaler als beim letzten Mal. Ob es die Situation hier in einer für sie fremden Welt ist, oder meine Nähe, weiß ich nicht. Ich umarme sie und lecke sanft hinter ihren Ohrfinnen, was sie zu einem sanften Schurren veranlasst.

„Es ist nur die ungewohnte Umgebung. Das, was Deine Sinne Dir sagen, verwirrt Dich. Mir ging es drüben genauso. Wenn ich mich daran erinnere, wie belustigt Du darauf reagiert hast, weil meine Sinne mich veranlassten die Nickhäute geschlossen zu halten." -

Sie lehnt sich an mich in einer Art, die mich verwirrt. Wir sehen uns jetzt das zweite Mal, aber wie sie sich an mich schmiegt, wirkt das eher wie eine altvertraute Liebe, ein unendliches Vertrauen liegt darin.

„Tan, komm mit mir, ich zeige Dir alles in der Welt der Drachen, als wärest Du dort geschlüpft und aufgewachsen. Ich möchte alles tun, damit Du Dich dort zu Hause fühlst. Dass Du diese Welt ... nur noch als die Welt Deiner Herkunft siehst, aber bei mir Deine Heimat findest. Dort in meiner Welt der blauen Pflanzen und des grellen Lichts..." -

Scheiße... was soll ich darauf antworten... die Wahrheit...?

„Tali... ja, zeige mir Deine Welt, in der ich mit Dir leben möchte. Aber bitte lasse mir auch diese Welt, in der ich mit Natascha und meinen Kindern hier leben möchte. Es widerstrebt mir, einfach so diese Welt und meine Partnerin zu verlassen, wie mein Vater. Ich weiß, es ist Art der Drachen - die Weibchen kümmern sich alleine um den Nachwuchs, sie vertreiben das Männchen sogar. Aber ich bin noch nicht Drache genug, um das zu tun." -

Sie dreht ihren Kopf zu mir und presst ihre Nüstern gegen meine. Ich rieche ihren Atem und stelle meine Atmung auch auf Wechselatmung um, damit sie auch meinen Atem riechen kann.

„Tan... auch bei uns bleiben Partner zusammen und kümmern sich gemeinsam um ihre Nestlinge. Aber doch gibt es das auch, was Du sagst. Zürne Deinem Vater nicht, nur weil er als Drache sich wie einer verhalten hat." -

Ich verstehe, was sie mir sagen will, auch wenn es recht hart klingt, wie sie es sagt. Drachen haben da ein anderes Verhältnis zu diesen Dingen, das ist mir durchaus klar. Und sie bemüht sich ja auch gleichzeitig um eine schon ungewöhnliche Nähe.

„Ich bin ihm nicht böse darum. Nur sehe ich sie als meine Partnerin. Vielleicht nicht auf ewig, aber wenigstens solange, bis mein Sohn beginnt selbständig zu sein. Oder bis sie sich von mir abwendet." -

„Bleiben Menschen nicht ihr Leben lang zusammen?" -

„Sie wollen es anfangs. Aber oft gelingt das nicht. Und Natascha hat sich in den Drachen verliebt, nicht in den Menschen, der ich auch bin. - Aber sie weiß, dass sie mit einem Drachen als Partner oft alleine sein wird. - Nur... ach Tali..." -

Sie dreht sich um, nimmt meinen Kopf in ihre Hände und legt vorsichtig ihre Stirn an meine. Meine Fronthörner lassen ihr aber genug Raum. Ich versinke in ihren Augen direkt vor mir.

„Sag mir, welche Sorgen Dich bewegen Tan." -

„Ich... ich habe Angst Tali." -

„Vor mir?" -

„Nein. Davor, nach drüben zu gehen. Davor, dort einen Drachen spielen zu müssen. Davor, von allen verachtet und ausgelacht zu werden, weil ein Mensch versucht ein Drache zu sein. Davor, von Dir verachtet und verlassen zu werden, weil ich nicht der Drache bin, den Du in mir sehen möchtest. - Tali, ich möchte kein Drache sein - ich bin doch nur ein Mensch..." -

So, es ist raus. Soll sie mir ihre Krallen ins Herz schlagen, mir die Halsschlagadern zerfetzen, mir die Kehle durchbeißen. Ich senke meinen Blick. T'Álirrah packt meinen Kopf fester.

„Sieh mich an. Sieh mir in die Augen T'Ánh'Aáh!" Ein scharfer Kommandoton. Unsicher hebe ich meinen Blick wieder und falle in das leuchtende Blau ihrer Augen. Ihre Stimme wird sofort wieder sanfter, aber bleibt bestimmt. „Tan, vor mir steht ein Drache. Mich sehen die Augen eines Drachen an und hinter Deiner Stirn sitzt ein Drachenhirn, wie hinter meiner. Deine Seele mag noch mit deinem langen menschlichen Leben verwoben sein. Aber Du bist ein Drache. Komme mit mir, tritt als Drache stolz vor meinen Vater und vor die anderen des Rates und sei einfach Du selber. Egal, ob Du glaubst, noch ein Mensch zu sein - sie werden nur einen Drachen vor sich sehen. Einer, der ein klein wenig anders denkt als sie. Und den sie gerade deswegen auf ihrer Seite haben wollen. Tan. Sie wissen, dass Du noch sehr lange Zeit menschlich reagieren und denken wirst und keiner wird Dich deswegen verachten und schon gar nicht auslachen. Und wenn, bekommen sie es mit mir zu tun, auch die Ältesten und Vater." -

Eben hatte ich noch das Gefühl in das leuchtende Blau vor mir zu fallen, mich darin zu verlieren - aber jetzt plötzlich stoße ich auf einen violetten Schimmer in dem Blau, an dem ich mich festklammern kann. Der amethystfarbene Glanz, der ihre wahre Augenfarbe zeigt und der mir, so eigenartig das klingen mag, einen Halt gibt.

„Schon gut, Du musst mich nicht verteidigen Tali. Ich werde es schon schaffen und meinen Drachen stehen. Und wenn Du mir ein wenig hilfst, wie ich mich zu verhalten habe, wie ich als Feral die andern korrekt begrüße und so, wird sicher nichts passieren." -

Sie lässt mich los und sieht mich fragend an.

„Gut. - Nur was bedeutet ‚meinen Drachen stehen'?" -

„Ein abgewandelter Ausdruck der Menschen, der bedeutet, dass man sich einer Herausforderung stellt." -

„Verstehe. Lass uns jetzt gehen, Vater ist ungeduldig und ich möchte ihn nicht wieder enttäuschen." -

Ich nicke meiner Schwester zu, die in der Zwischenzeit meine Sachen gepackt hat und jetzt vorgeht.

„Enttäuschen? Weil ich nicht mitgekommen bin neulich? Oh, verzeih..." -

„Ach nein... Er war enttäuscht, dass Du nicht mitgekommen bist. Dass es mir nicht gelungen war, Dich zu überzeugen. Aber er war weder Dir noch mir böse deswegen." -

Draußen zieht meine Schwester mich beiseite.

„Du liebst sie?" -

„Natascha? Ja. Ich weiß, dass ich nicht mit ihr zusammenleben kann, wie ich es mir vorhin noch vorgestellt habe. Aber ich möchte schon ständigen Kontakt zu ihr haben und für sie da sein können, wenn es notwendig ist." -

„Wo finde ich sie?" -

„Auf der Krim, sie verwalten die Höhle dort. Tssannia ist ihre Tante, falls Du sie kennst." -

„Natürlich kenne ich Tssannia. Ich bin schließlich im Bereich Personaleinsatz - sie übrigens auch, allerdings in einem anderen Bereich. Also Natalja ist es... warum wundert mich das jetzt nicht?" -

„Sie ist nun mal sehr hübsch und hat einen attraktiven Geruch." -

„Das meine ich nicht. Aber es ist schon bekannt, dass sie unbedingt einen Drachen als Vater ihres Kindes haben wollte. Und Vaters Blut hat ihr das jetzt erfüllt. - Keine Sorge, ich kümmere mich darum. - Aber eigentlich meinte ich sie nicht..." -

Sie grinst mich an.

„Oh, Du meinst Tali... Ich fürchte, sie umnebelt mich dermaßen mit Pheromonen..." -

Ti schüttelt den Kopf.

„Ich würde sie auch bemerken. Nein, nur die ganz normalen Pheromone eines Weibchen - nichts, was Dich besonders beeinflussen würde." -

„Also ist das, was mich an ihr so besonders anzieht, einfach das Fehlen des familiären Geruchs - der mich daran hindert über Dich herzufallen?" -

Kichernd schubst sie mich.

„Du Drache... klingst schon fast wie Vater, der hat auch so Sprüche drauf." -

„Entschuldige, ist keine Absicht. - Ja, ich denke, man kann schon sagen, dass ich mich in Tali verliebt habe. Auch wenn ich noch nicht wirklich weiß, was daraus wird, manchmal wirkt sie so vertraut und dann plötzlich wieder so unendlich fremd auf mich. Ich werde mich wohl erst daran gewöhnen müssen, mit einer auf einem anderen Planeten geschlüpften Drachin zusammen zu sein." -

T'Álirrah näherst sich zwar sehr leise, aber ich spüre ihre Nähe, oder rieche sie...

„Das gilt aber genauso für mich. Du bist einmal ein normaler Drache und dann ohne Übergang jemand anderer... nein schon du selber, aber ein anderes Wesen steckt dann in Dir. Ein Wesen, dass sehr deutlich Angst vor mir hat." Sie legt ihren Kopf über meine Schulter an meinen Hals. „Die Angst blitzt zwar immer nur kurz auf, aber ich spüre es deutlich - und das macht mich traurig. Du musst keine Angst vor mir haben, nicht als Mensch und schon gar nicht als Drache. Ich möchte dich als meinen Partner - und glaube bitte nicht alles, was über uns gesagt wird. Wir Drachinnen beißen nicht jedes Männchen nach einer Paarung sofort weg. Auch wir wünschen uns eine langanhaltende Partnerschaft mit dem richtigen Partner - und die kann Jahrhunderte halten. Vater ist mit Mutter schon fast 1.500 Jahre in einer Partnerschaft verbunden und das ist nicht selten bei uns." -

„Bin ich dieser richtige Partner?" -

„Mein Instinkt sagt ja. Ich habe Dich nicht aus meinen Gedanken vertreiben können, nachdem wir uns getrennt hatten." -

„Verzeih. Ich hatte gestern eine intensive Ablenkung, aber Dich nicht dabei vergessen..." -

Tali sieht mich mit einem Ausdruck an, den ich als ironisch interpretiere.

„Wäre mir ein attraktives Drachenmännchen über den Weg gelaufen..." -

„Ja, natürlich. Ich habe ja durchaus deutlich gemacht, dass ich kein Interesse am Leben eines Drachen hatte." -

„Und jetzt?" -

„Ich weiß nicht. Als Drache zu leben hat durchaus auch Vorteile, das habe ich begriffen. Aber als Drrá'Kin auf einem anderen Planeten leben... Lass uns nach drüben gehen, ich höre mir an, was der Rat mit mir vorhat und Du zeigst mir ein wenig von Deiner Welt und dem Leben dort. Dann kann ich entscheiden." -

T'Álirrah nickt zufrieden.

„Jetzt sprichst Du wie ein Drache. Wollen wir aufbrechen?" -

„Es ist noch hell - und ich möchte Georgi noch sagen, dass ich doch nicht bleiben und hier leben kann." -

Meine Schwester nickt eine deutliche Zustimmung.

„Ja. Er sollte es wissen und sich nicht etwas zusammenreimen müssen, weil Du so plötzlich verschwunden bist. Ich möchte hier gerne wieder im Urlaub herkommen können, ohne viel erklären zu müssen." -

„Ach Du bist die Drachin, die hier oft ihren Urlaub verbringt." -

„Ja. Ich fliege schnell vor, dann wird er schon wissen, was passiert ist und Du musst nicht mehr viel erklären." -

Ohne eine Antwort abzuwarten, startet sie und gleitet den kurzen Weg zu Georgis Hof hinunter. T'Álirrah sieht mich an.

„Sie misstraut mir. Deine Schwester glaubt nicht, dass ich wirklich eine Beziehung mit Dir eingehen möchte. Ich muss gestehen, dass mein Ruf als stolze und eitle Prinzessin ihr Recht gibt." -

„Bist Du es? -

„Leider muss ich sagen, ja. Zum Teil jedenfalls. Es hilft mir, Ruhe vor anderen Weibchen zu haben und nicht immer Kämpfe austragen zu müssen. Aber irgendwann nimmt man das Verhalten an und wird wirklich so. Aber dahinter war die junge Drachin immer auf der Suche nach einem Partner. Schon einige zeigten Interesse, von mir umworben zu werden. Du warst der Erste, der mir relativ uninteressiert gegenüber stand - und mich dann sogar abblitzen ließ, jedenfalls schien mir das so. Und damit hast Du meinen Panzer durchbrochen und mein ehrliches Interesse geweckt. Natürlich gefällst Du mir auch und ich mag Deinen Geruch. - Aber Deine Schwester fürchtet, ich würde nur mit Dir spielen wollen." -

„Und? Hat sie Recht?"

T'Álirrah sieht mir offen in die Augen und schüttelt nur kurz den Kopf.

„Ich glaube Dir, Tali." -

Ich hebe die Hand, will sie streicheln, irgendetwas tun... aber ist das unter Drachen üblich? - Unsicher lasse ich meine Hand wieder sinken. Aber meine weiße Drachin greift schnell nach meiner Hand und führt sie zu ihrem Gesicht, um ihre Wange in meine Hand zu legen.

„So anders sind wir nicht, Tan. Auch wir lieben die zärtlichen Kontakte, Das Gefühl der Schuppen des Partners auf den eigenen. - Verzeih, ich weiß. Vater hat mir geraten, Dich zu einem alten Heiler zu bringen, der vielleicht Rat weiß." -

„Komm, fliegen wir auch nach unten. Und dann führe mich zu Deinem Vater."

...