Eine kleine Beschreibung eines Gefühls

Story by Kenai Senth on SoFurry

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Er saß, den Kopf in die Pfoten gelegt, weinend vor dem Anrufbeantworter. Stille umgab ihn. Nur einsames Schniefen und Schluchzen unterbrach die makellose Ruhe.

Der Mond stand diesen Abend hoch am Himmel und es hatte den Anschein, als würde er sein Licht nur dem einsamen Fenster im mehrstöckigen Plattenbau spenden, in dem er saß.

„Wer ist ‚er'?" werdet ihr euch fragen. Das ist ganz schnell erklärt: das bin ich selbst. Fenni.

Wolf von Beruf. Ehehe... Eigentlich eher Student, aber so stelle ich mich immer vor. Schade, dass dies meine letzte Vorstellung sein wird und du die letzte Person sein wirst, die von mir hört. Warum? Nun, lass mich meine Geschichte weiter erzählen...

Kein weiteres Licht als der Mond erhellte das triste Zimmer, das nun immer mehr in einem schlichten Grauton verschwand je weiter der Mond wanderte. Fenni sah mit verweintem Gesicht zu dem Hörer, der neben dem Anrufbeantworter lag. Verzweifelt hatte er versucht ihn zu erreichen. Doch er hatte nicht abgenommen. Ihn ignoriert. Ihn nicht versuchen lassen. Ihn nicht erklären lassen. Ihm kein Gehör geschenkt. Es war schon alles beschlossene Sache.

„Warum Keph? Warum? Nur..." Wieder vereinzelte Tränen, die sich nicht zurück halten ließen. Schluchzen. Gedanken blitzen auf, wie ein grelles Gewitter und verzogen sich wieder.

„I... Ich hab dich doch..." Es überstürzte ihn. Er konnte sich nicht zurück halten und weinte laut in seine Pfoten. „.. geliebt...".

In Gedanken fragte er sich: "Wie nannte er es? Genau! Er sei nicht bereit für so etwas. Und man solle es nicht überstürzen, sagte er. Er habe einen Fehler gemacht, sagte er. Es würde schon wieder alles in Ordnung werden, lächelte er. Es war ein Ausrutscher, gab er mit betroffener Mine zu..."

„Keph, warum? ..."

„Sagte er nicht einst ‚Ich hab' dich gern.' und ‚Ich hab' dich lieb'. Hatten wir nicht diese persönlichen Gemeinsamkeiten? Alles zu Nichte, nach dieser einen Nacht, als du mich herumbekommen hast und wir es miteinander versuchten?"

„Diese Scharm. Dieses Gefühl des Ausgenutzt seins. Diese Hilflosigkeit."

„Ich halte das nicht mehr aus. Ich hatte keinen außer dir. Keinen... dir vertraute ich alles an. Und nun? Ein Anruf auf den Anrufbeantworter und Schluss?"

„Redest nicht mehr mit mir. Kein Anruf von mir geht durch. Wohnst zu weit weg. Ich bin nicht mobil. Hattest mich immer abgeholt mit deinem fröhlichen Gesicht. Mein Pantherchen..."

Erst zauberte sich ein Lächeln auf Fennis Gesicht, dann ballte er die Pfoten zusammen, warf den Kopf in den Nacken und heulte: „Waruuuuuuuuuuuuum?..."

Darauf griff er sich seinen Rucksack vom Stuhl und rannte drauf los durch die Tür seines Zimmers. Es war einerlei, ob er jemanden wecken würde. Er würde nicht verfolgt werden. Zu schnell war aus dem Plattengebäude in die Nacht, die ihn sofort verschlungen hatte, verschwunden. Ob ihn überhaupt jemand vermisste? Ob ihn überhaupt jemand kannte?

Tränen wegwischend, torkelte er halb auf der Straße, halb auf dem Gehweg. Niemand kreuzte seinen Weg. Sein einziger Begleiter war der wachsame Blick des vollen Mondes, der schon einen weiten Weg hinter sich hatte.

Den Rucksack immer wieder zurecht rückend, wanderte er immer weiter aus der Stadt heraus. Immer weiter. Die Bundesstraße war nicht mehr weit. Die Brücke war nicht mehr weit.

Er Konnte sich beruhigen. Er musste nicht mehr schluchzen, nur noch bestimmte Tränen glitzerten im Mondlicht auf und gingen, wie tausend Scherben, auf dem Boden zu Bruch.

Langsam, aber stetig erreichte er sein Ziel. Der Lärm kam näher. Die Bundesstraße war zu solcher Stund zwar leer, aber die Autobahn, die unter der Bundesstraße zum Flughafen führte, war immer eine Lärmquelle. Das Rauschen der Wagen und LKWs kam mit jedem Schritt immer näher. Die Frequenz der Schritte, mit denen er sich fortbewegte, verlangsamte sich, je näher er der Brücke zur Autobahn kam.

Nun schwang er sich den Rucksack nach vorne auf die Brust. Man sah ihm an, dass er nicht gefüllt war, oder nur mit etwas ganz Kleinem. Und genau dieses Kleine kam zum Vorschein als Fenni das Brückengeländer erreichte und er nicht mal mehr seinen eigenen Atem zwischen den vielen Autos hören konnte. Es war ein zerknittertes Sofortfoto. Es waren zwei Personen abgebildet. Ein Wolf und ein Panther. Fenni und Keph. Arm in Arm. Lächelnd und schmusend. Glücklich.

Ein Wind wehte ihm durch den Pelz. Erst jetzt merkte er, dass es eine Nacht im Winteranfang war und es anfing kühl zu werden. Leicht fröstelnd hielt er das Foto über die Brüstung. Seine Pfote kämpfte mit dem Wind um das Foto. Beide wollte es für sich beanspruchen, doch die Pfote gab den Kampf auf, in dem Fenni sie mit einer Schwermut öffnete, die ihn in den ersten Sekunden davon abbrachte den Weg, den der Wind für das Foto wählte, zu verfolgen. Es verschwand langsam im Dunklen.

Mit einem schweren Seufzen sah er dann doch auf und erinnerte sich, wie das alles nur bis hier her passieren konnte. Aus seinem Rucksack griff er einen kleinen Block, auf dem er beliebte zu zeichnen und das nicht mal gerade schlecht. Nun sollte er als Abschiedsbrief herhalten. Ein benutzer, halblanger Bleibstift sollte das Werkzeug des Endes sein.

Erst langsam und noch zittrig kamen die Worte zu Papier: „Er saß, den Kopf in die Pfoten gelegt, weinend vor dem Anrufbeantworter..."


Nun bin ich soweit. Der Brief ist vollendet und ich bin bereit, ein Ende zu setzten. Du, der dies nun lesen mag, sei gewiss, dass ich nichts anderes als ein Leben in Geborgenheit führen wollte... und es tut mir Leid, dass du dies lesen musst und mein Schicksal miterlebt hast.

Aber vielleicht hast du das ja gar nicht und der Brief wird mit mir von einem Auto zerfetzt und nie gelesen werden, so, wie ich nie anerkannt wurde von dieser Welt.

Ich steige auf das Geländer...

Ich werde den Brief mit mir nehmen.

...Ich lasse los.

In diesem Augenblick begann ein geradezu unendlicher Regen.

© 2005 Kenai Senth