Schwarz wie die Nacht Teil 01

Story by P999P on SoFurry

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#2 of Praxis van Fur

Dies ist der erste Teil von insgesamt dreien.


Schwarz wie die Nacht

Autor: Gendori Kabashi

12.12.2011 ? 07-05-2012

Vorwort

Hallo Werter Leser,

Eines vorweg gesagt, die Geschichte enthält nur wenig „naughty stuff" ^^.

Die nachfolgende Geschichte verdankt ihr der Anfrage von jemandem, der lieber im Hintergrund und anonym bleiben möchte. Diese Person hat mich jedenfalls gebeten, doch in van Furrs Praxis auch in die Patientenliste aufgenommen zu wer­den, in DIE ganz spezielle Patientenliste um genau zu sein. Nein, nach einem FA User namens Jorge braucht nicht gesucht werden. Der Name ist meinem Hirn entsprungen. ^^

Jorge Meijer ist ein 25 Jahre alter Geologie-Student, er liebt Großkatzen, ein ganz besonderes Ver­hältnis hat er zu einem schwarzen Jaguar, der im städtischen Zoo lebt. Es könnte doch eigentlich ganz passabel sein, wenn er nicht einen verflixten Makel in sich tragen würde, er ist ein Allergiker und es ist ausge­rechnet auch noch eine Katzenhaarallergie. An einem besonders schönen Septem­bertag ist er wieder im Zoo, doch ein Zusammenstoß mit einer geheimnisvollen, weil voll verschlei­erten, Frau wird sein Leben für alle Zeiten in eine andere Bahn werfen. Wer diese Frau ist? Nun Sie heißt Katti und wir kennen Sie als treue Mitarbeiterin der Praxis van Furr. Dieser Tag wird der letzte normale Tag für Jorge sein und ein neues Leben breitet sich vor ihm aus.

Ein Tag im September

Jorge Meijer liebte Katzen über alles, doch zu seinem Leid hatte er eine Allergie gegen Katzenhaa­re. Aber dieser kleine Umstand hinderte ihn nicht daran auch an diesem sonnigen Sonntag im Sep­tember wieder in den Zoo zu gehen, um seine Lieblingstiere zu betrachten. Die Großkatzen. Beson­ders die Jaguare hatten es ihm angetan. Jandara und Pepito waren zwei prächtige Musterbeispiele ihrer Art. Die beiden stammten aus Venezuela und kamen erstaunlich gut miteinander aus. Doch der dritte Jaguar der im Zoo lebte, war etwas ganz besonderes. Speedy Gonzales, ein temperamentvol­les Weibchen, das aus Mexiko stammte. Sie war zum einen deutlich kleiner, als ihre beiden Artge­nossen. Aus diesem Grund war sie auch von ihnen getrennt unterge­bracht. Sie war ein, nein, sie war der Blickfang im Katzenhaus. Das hatte einen besonderen Grund. Speedy war so schwarz wie die Nacht. Der Melaminismus war bei ihr so ausgeprägt, dass man nur dann, wenn das Licht richtig stand, oder sie aus dem Wasserbecken stieg, das für Jaguare so typi­sche Ringmuster schwach schimmernd erkennen konnte. Ihr Gehege war, obwohl nur sie alleine es be­wohnte, ebenso mit ei­nem Pool ausgestattet, wie das der anderen Katzen, die sich nicht vor dem Kontakt mit dem feuch­ten Element scheuten. Gelegentlich stieg Jorge in den Untergrund, um von dort aus, durch eine di­cke Glaswand vom nassen Element getrennt, die Tiere beim Schwimmen zu beobachten. Er ver­fluchte seine Allergie, wie gerne würde er den Tieren näher sein, das Fell strei­cheln, die raue Zunge auf seiner Haut fühlen. Zur Zeit war er zur Verehrung aus der Ferne gezwun­gen. Er würde alles ge­ben, um diesen Zustand zu ändern. Speedy jedenfalls war sein Liebling. Stun­denlang konnte er dem schwarzen Jaguarweibchen dabei zusehen, wie es sich im Sonnenschein rä­kelte und döste. Und ge­legentlich meint er bei seinen Besuchen, das dieses prächtige Tier auch ihn immer wieder beobach­tete. Fast so, als ob es ihn und seine regelmäßigen Besuche bemerkt hätte und sich an ihn erinnerte. Mehr noch, gelegentlich schien es so zu sein, dass Speedy auf ihn warten würde und wenn er sich auf seinem Stammplatz niedergelassen hatte, begab sich die Katze an einen Platz, von dem er Sie ganz besonders gut sehen konnte, während die meis­ten anderen Besucher leer ausgingen. Das konn­te aber auch nur Einbildung sein. Woher sollte eine Katze, wenn auch eine sehr intelligente Katze, einen Menschen wiedererkennen, der noch nie in direktem Kontakt mit ihr gekommen war?

Jorge's Vater, stammte aus Brasilien, ein junger Student. Er war auf Reisen, als seine Mutter ihn traf, so hatte sie es ihm jedenfalls erzählt. Sein Name war Nuno und mehr wusste sie auch nicht. Sie lernte Nuno bei ei­nem Zirkusbesuch kennen und unter einem der Tier­käfige lieben. Der attraktive junge Mann war überwältigend und doch wusste sie, dass es wohl nur ein One Night Stand bleiben würde. Vielleicht erinnerte sie sich deshalb so genau daran, dass sie sich unter dem Käfig liebten, der von dem Ja­guarpärchen bewohnt wurde, das bei der Zirkusvorstell­ung die größte Attraktion gewesen ist. Nuno jedenfalls verschwand so schnell aus Ih­rem Le­ben, wie erschienen war und neun Monate später wurde Jorge geboren. Eine lebendige Erin­nerung an eine wohl unvergessliche Liebesnacht. Ihre El­tern und einige weitere Verwandte konnten An­fangs nicht so Recht seine Mutter verstehen, und wollten sie sogar zu einer Abtreibung bewegen, doch seine Ma blieb standhaft, setzte sich gegen die Widerstände durch. Seine Großeltern warfen je­denfalls doch einen Blick auf ihren Enkel und verga­ßen daraufhin ihre gut gemeinten Bedenken und weniger gut gemeinten Vorwürfe und wurden wirk­lich die besten Großeltern, die man sich wün­schen konnte. Der Name war auch in Ord­nung, hieß sein Opa doch Georg. Ja in der Beziehung hatte er Glück gehabt. Er wuchs also, als Sohn einer al­leinerziehenden Mutter, zu einem recht ansehnli­chen Mann heran. Seine Haut war re­lativ dunkel und sein Haar schwarz wie Nacht. Ein deutliches Erbe väterlicherseits. Seine Gesichts­züge und Sta­tur konnte man nur als typisch deutsch beschrei­ben, kantig und hoch aufgeschossen. Seine Augen waren das seltsamste an ihm. Ihre Farbe war ein­malig und absolut ungewöhnlich, goldgelb, wie Bernstein. Als Kind wurde er immer wieder gehän­selt wegen dieser Farbe, doch wenn er die Person dann ansah und Augenkontakt aufnahm, dann verstummten selbst die gemeinsten Kinder. Einige liefen schreiend davon, doch die meisten ent­schuldigten sich. Und viele, von den letzteren, zählte Jorge auch heute noch zu seinen Freunden. Doch um nicht weiter wegen seiner seltenen Augenfarbe aus der Menge herauszustechen trug er seit Kindestagen eine dunkle Sonnenbrille.

25 Jahre später war Jorge also an diesem sonnigen Sonntag wieder auf dem Weg zum Katzenhaus, als er mit einer von Kopf bis Fuß verhüllten Gestalt zusammenstieß, die gerade aus der Richtung geschossen kam in der sich in etwa das Café befand. -Bong-, Jorge ruderte mit den Armen, verlor das Gleichgewicht und setzte hart auf.

„Autsch!" Das hat wehgetan.

„Wie kann jemand nur so schnell laufen, wenn man so angezogen ist?" dachte er noch, als er sich seine Hinterbacke rieb, dann spürte er auch schon ein ungeliebtes Kitzeln in der Nase.

„Nein, nicht jetzt! Habe doch extra die Maske aufgesetzt." dachte er bestürzt.

Das Kitzeln wurde zum Jucken.

„Ha, ha ha ...Atschuu." Der Nieser war gewaltig.

„Oh Mist, der war heftig!" dachte Jorge.

Seine Augen fingen bereits an zu tränen und er sah wie sich die Frau (Dieser Umhang den sie trug verdeckte viel, aber die Formen, die er zwar nur verschwommen unter dem Stoff sah, konnte er nur als Augenfang bezeichnen. Alles am Platz, üppig ausgestattet, aber sehr wohlproportioniert.) aufrap­pelte, und ihm die Hand reichte. Der kräftige Griff erstaunte Jorge, sie zog ihn fast ohne seine Un­terstützung alleine hoch.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Tut..., .. tut mir leid, ich habe nicht auf den Weg geachtet." ent­schuldigte sich die, der Stimme nach, junge, verschleierte Frau mit einer sanften, fast schnurrenden Stimme, bei der es ihm warm ums Herz wurde.

Das Kitzeln in der Nase wurde wieder heftiger.

„Nein, nichts .. Atschuu .. passiert!"

Doch gleichzeitig spürte er ein heftiges brennen in den Augen. Seine Sicht verschwamm kurz. Seine Nase lief, ungeniert schniefte er.

„Ist mit ihnen wirklich alles in Ordnung? Das hörte sich nicht so gut an." fragte sie sichtlich be­sorgt.

„Eine Allergie, eigentlich hilft die Maske, Atschuuh, aber.." „Schnief" „...aber jetzt!" brachte Jorge nur mühsam keuchend hervor. Beim nächsten Niesanfall meinte er etwas zu hören und das feuchte Gefühl in seiner Nase wich warmer Nässe.

„Oh Gott, Nasenbluten! Nicht gut, gar nicht gut! Diese verdammten Nieser."

„Was für eine Allergie?" fragte die Frau.

Sie schien sehr besorgt zu sein

„Ich,... ich bin Arzthelferin und Dr. van Furr ist ganz in der Nähe!" fügte Sie noch schnell hinzu.

„Ein Arzt, in der Nähe, Rettung!" dachte er erleichtert.

„Katzenhaarallergie. Ist eigentlich nicht so schlimm, abe..A .. Atschuh." keuchte er. Das Atmen fiel ihm sichtlich immer schwerer. Er spürte, wie sich seine Kehle zuzog. Seine Medizin, wo hatte er seine Medizin?

„Atschuuh" So einen schlimmen Anfall hatte er noch nie erlebt. Das Blut rann aus seiner Nase und der metallische Geschmack auf seiner Zunge erzeugte weitere Übelkeit. Ihm wurde kalt und doch fing er an zu schwitzen wie ein Schwein.

„Oh mein Gott, ich brauche echt Hilfe!"

Ihm wurde schummerig. Er taumelte und merkte noch, wie sie ihn auffing und ihn stützend zu einer Bank geleitete.

„Gott sei dank, dass sie so kräftig ist!" dachte er.

Seine Helferin holte ein Telefon hervor, wählte eine Nummer und schilderte jemandem kurz den Vorfall. Doch Jorge bekam davon immer weniger mit.

„Schade Speedy, heute wird wohl nichts aus meinem Besuch." brachte er noch nuschelnd hervor, dann schwanden ihm seine Sinne und eine tiefe Bewusstlosigkeit erfasste ihn. Das er von der Bank rutschte und hart aufschlug, bemerkte er schon nicht mehr. Seine Sonnenbrille war von seiner Nase gerutscht und lag im Kies des Weges.

Zum Zoo

Wenige Stunden zuvor, in einer uns wohlbekannten Arztpraxis.

Ein herrlicher September-Tag war angebrochen, zudem war es Sonntag, und als ob der Name Pro­gramm wäre schien die Sonne und erhellte das, zu anderen Zeiten, so finster anmutende Gemäuer hinter der Praxis mit einem überraschend warmen Licht

„Doc nun komm schon. Ich muss mal raus aus dem Haus und ich war schon sooooo lange nicht mehr im Zoo!" bettelte Katti derweil im Arbeitszimmer des Doktors.

„Katti frag Karolus! Ich habe zu tun." antwortete van Furr kurz angebunden. Er starrte auf den Bild­schirm seines Rechners und tippte neue Sequenzen in den Simulator.

„Karolus will nicht. Er murmelte was von Tierquälerei und verschwand in sein Zimmer"

„Ich denke ähnlich, wie er!" grummelte er, ohne aufzublicken.

Katti beugte sich vor, stützte sich mit dem Ellenbogen ab und blickte zu van Furr auf. Ihre Augen schienen riesengroß zu werden und schimmerten feucht. „Ha, dachte sie, den Blick habe ich voll drauf."

„Früher war das mal. Aber heute, es hat sich doch soviel geändert. Bitte Doc, mir zuliebe, ja?" schnurrte sie.

Van Furr schluckte, er hatte Katti einfach zu unwiderstehlich gemacht.

„Also gut, du hast gewonnen, ich komme mit! Aber Mädchen, keinen Puss in Boots Blick nächste Woche!"

„Juchuu!" jubelte sie, tanzte um den Schreibtisch herum und drückte van Furr einen Kuss auf seine linke Backe, dann verschwand sie aus dem Raum und begab sich in die Küche um ihren beiden liebsten Freunden ein ordentliches Sonntagsessen zu bereiten. Ihre Kochkünste hatten sich in den letzten Monaten sehr verbessert, was ihr die beiden immer wieder versicherten. Für Karolus würde es zumindest eine besondere Überraschung zum Essen geben, Katti war es sehr wichtig ihn wieder zu besänftigen. Sein Ausbruch hatte sie etwas überrascht. „ Ich hoffe er wird mir vergeben. Das gute Steak wird seine Laune sicher verbessern." dachte sie gut gelaunt.

Am Nachmittag war es soweit, Katti und van Furr hatten sich landfein gemacht. Sie hatte sich wie üblich eine leichte Burka übergeworfen, eine farbenfrohe Variante passend zur Herbstzeit und van Furr trug zur Abwechslung Jeans, ein kariertes Hemd und ein Sportsakko. Die beiden mussten nur kurz war­ten, bis das Taxi vorfuhr, der Fahrer über beide Ohren grinsend ausstieg und ihnen die Tü­ren öffne­te. Paschulke war mittlerweile der Stammfahrer der Praxis geworden. Der Mann, der nur wenige Wochen zuvor noch zu den griesgrämigsten Zeitgenossen gehörte, den Katti je getroffen hatte, war erstaunlich gewandelt. Er sah jünger aus, viele Sorgenfalten waren aus seinem Gesicht verschwun­den. Seine Haare waren dichter und schimmerten seidig und seine spitzen Ohren lugten durch den dichten Haarschopf hervor. Als er sie nun anlächelte konnte sie deutlich sein Gebiss se­hen, das durch seine langen Eckzähne einem Hundegebiss mehr als nur glich.

„Ah, guten Tag Fräulein Katti, hallo Herr Doktor, wohin darf ich sie beide denn heute hin kutschie­ren?"

„Zum Zoo, Herr Paschulke, heute geht es zum Zoo, endlich mal wieder." antwortete Katti fröhlich und van Furr nickte zustimmend.

„Na dann, auf geht's." sagte er und startete den Wagen.

Während der Fahrt erzählte Paschulke freimütig Neuigkeiten. Unter anderem, dass seine Frau guter Hoffnung war und wie er sich schon auf seinen Nachwuchs freute. Gelegentlich warf er einen Sei­tenblick zu van Furr und auch Katti's verhüllte Gestallt betrachtete er immer wieder durch den Rückspiegel. Etwas schien ihn zu beschäftigen, aber er ergriff nicht die Gelegenheit das Thema, das ihn beschäftigte anzusprechen. Van Furr und Katti jedenfalls beglückwünschten ihren Chauffeur und baten ihn ihre Grüße auch an seine Frau auszurichten. Beiden war es mehr als bewusst, wer für diesen Wandel, in Erscheinung, als auch der Persönlichkeit von Paschulke die Verantwortung trug und das Lächeln van Furrs wurde breiter. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, verabschiedeten sie sich von dem gutgelaunten Mann und betraten das Gelände des zoologischen Gartens. Sie stachen aus der Menge heraus, die auf das Gelände strömte. Katti wegen ihres Aufzuges und van Furr, weil er mit einem etwas miesepetrigem Gesichtsausdruck so gar nicht wie ein typischer Zoobesucher er­schien. Um sie herum waren viele Familien mit Kindern, junge Paare und auch ältere Ehepaare, die das schöne Wetter nutzten um die Atmosphäre um sie herum zu genießen. Katti liebte den Zoo, schon bevor sie eher unfreiwillig in die Dienste des Doktors getreten war, hatte ihr früheres ich vie­le Stunden damit verbracht die Tiere in ihren Gehegen zu beobachten und, dass musste sie sich ein­gestehen, dabei tagträumte wie es wohl sei, teilweise oder gänzlich ein Tier zu sein. Nun diese Er­fahrung machte sie jetzt im wirklichen Leben durch und es gefiel ihr! Sie war so aufgeregt. Van Furr schien die Begeisterung seiner Begleiterin nicht zu teilen und Katti spürte instinktiv, dass seine Gedanken ganz woanders waren. „Ich glaube ich weiß, wo er sich jetzt am liebsten aufhalten will." dachte sie und leitete ihn geschickt zum Café wo er sichtlich besser gelaunt sich hin­setzte.

„Ist der Zoo so schlimm für sie?" fragte sie ihn offen wie immer.

„Ach Katti, alte Erinnerungen." er seufzte kurz, dann sprach er weiter, „Das alles hier, der Zoo, die Tiere in Käfigen und die Menschen, die oft nur gedankenlos herum latschen. Das alles erinnert mich an Zeiten, die mich nicht mit Stolz erfüllen können."

Katti betrachtete den großgewachsenen Mann nachdenklich, dann blickte sie verstohlen um sich, nein niemand achtete auf die beiden, lüftete kurz den Schleier und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Dann drehte sie sich um und ließ den verdutzt drein blicken­den Mann allein zurück.

„Ich treffe sie dann wieder hier. OK!" rief sie noch kurz über die Schulter. Als sie das Café verließ sah sie sich noch, wie van Furr eine Bestellung bei einer der Serviererinnen abgab.

„Wo geht es denn jetzt erstmal hin?" fragte sie sich und dann sah sie einen der vielen Wegweiser, der sie sofort ansprach. Das Südamerika Gebiet, da gab es doch auch ein Katzenhaus!

„Ein Besuch bei meiner Verwandtschaft, ja das ist es!"

Katti sprintete los. Kurz vor dem Südamerika Gebiet lief sie um eine Ecke, als sie plötzlich mit ei­nem jungen Mann, der eine dunkle Sonnenbrille und eine Gesichtsmaske trug, zusammenstieß. Die beiden stürzten und landeten unsanft auf dem Kiesweg. „Aua!" zischte Katti und rieb sich ihre vier Buchstaben, ihrem Schwanz war nichts geschehen, den hatte sie wie üblich um ihren Leib gewi­ckelt, wie einen Gürtel. Das hatte weh­getan. Dem jungen Mann schien es ähnlich zu gehen, auch wenn sein Gesicht von der Maske und seiner Sonnenbrille größtenteils verdeckt war. Dann hörte sie ein heftiges, von seiner Maske nur schwach gedämpftes Niesen.

„Ha, ha ha ...Atschuu."

Sie rappelte sich auf und half auch dem Mann auf die Beine.

„Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Tut..., .. tut mir leid, ich habe nicht auf den Weg geachtet." ent­schuldigte sich Katti und klopfte sich den Staub aus Ihrem Umhang.

„Nein, nichts .. Atschuu .. passiert!"

Der junge Mann schniefte und sie konnte sehen, wie seine Augen zu tränen anfingen.

„Ist mit ihnen wirklich alles in Ordnung? Das hörte sich nicht so gut an." fragte Katti besorgt.

„Eine Allergie, eigentlich hilft die Maske, Atschuuh, aber.." „Schnief" „...aber jetzt!" brachte der Mann keuchend hervor. Seine Augen tränten und schwollen langsam zu. Er nieste wieder heftig und auf der Maske breitete sich ein roter Fleck aus. Nasenbluten, kein gutes Zeichen.

„Was für eine Allergie?" fragte Katti sehr besorgt und das Blut steigerte die Besorgnis noch weiter.

„Ich,... ich bin Arzthelferin und Dr. van Furr ist ganz in der Nähe!" fügte Katti noch hinzu, Sie woll­te nicht zu aufdringlich wirken.

„Katzenhaarallergie. Ist eigentlich nicht so schlimm, abe..A .. Atschuh."

Katti erstarrte bei dem Wort.

„Atschuuh! Oh mein Gott, ich brauche echt Hilfe!"

Der Junge Mann erbleichte zusehends, kalter Schweiß trat auf seiner Stirn hervor und die Maske würde immer röter. Sie wurde sich bewusst, dass sie für den Zustand des Mannes verantwortlich sein könnte. Aber so extrem. Der Mann taumelte und Katti stützte ihn und geleitete ihn zu einer Bank, wo er wie ein Sack Kartoffeln hin sackte. Sie nahm es in Kauf, dass sich sein Zustand wei­ter verschlimmern könnte, je länger sie in seiner Nähe war, aber sie konnte ihn in diesem Zustand un­möglich allein lassen. Sie kramte in ihrer Tasche, holte ihr Handy hervor und rief van Furr an. Als sie ihn erreicht hatte schilderte sie schnell den Vorfall, van Furr hörte sich alles an, beruhigte sie, gab Ihr noch ein paar hilfreiche Tips und versprach so schnell wie möglich bei Ihr zu sein. Katti be­endete das Gespräch und bekam gerade noch mit, wie der Mann noch etwas wie „Speedy .." und „.. Besuch.." nuschelte um dann bewusstlos von der Bank zu rutschen und auf den Kiesweg hart aufzu­schlagen. Seine Sonnenbrille rutschte dabei von seiner Nase herunter und landete im Kies des Weges. Katti eilte die paar Meter zu ihm hin und kniete sich nieder. Die Sonnenbrille nahm sie an sich, um zu verhindern dass irgendjemand versehentlich darauf tritt und steckte sie ein. Mittlerweile hatten sich einige Gaffer um die beiden versammelt. Katti bemühte sich dem Bewusstlosen zu hel­fen. Sie holte Papiertaschentücher aus ihrer Tasche und versuchte die Blutung zu stillen, was ihr auch bald gelang, doch nur ein älterer, elegant gekleideter Herr mit Stock kam heran der sich müh­sam vor­beugte und ihr ein Taschentuch reichte.

„Hier, nehmen Sie und machen sie sich keine Gedanken, wegen dem Tuch. Ich habe genügend."

Überrascht sah sie auf und obwohl sie wusste, dass der Mann ihr Gesicht nicht sehen konnte, lächel­te sie und sagte nur „Danke." Tiefe Falten durchzogen das Gesicht des Mannes, doch die meisten waren Lachfalten und seine Augen strahlten jung und schelmisch.

„Ich muss jetzt weiter, habe noch eine Aufgabe zu erledigen und Blut habe ich leider schon zur Ge­nüge gesehen. Machen Sie es gut." mit diesen Worten richtete er sich auf und ging langsam, bemüht würdevoll davon in Richtung Katzenhaus, wobei er sich auf seinen schwarzen Stock abstützte. Der Griff des Stockes fiel katti noch auf. Ein silberner Handgriff dessen Ende von einem goldenen Lö­wenkopf geziert wurde. Katti sah dem Mann nur noch kurz nach, dann kon­zentrierte sie sich wieder auf ihren Schützling, der vor ihr lag. Um sie herum hatten sich weitere Menschen angesam­melt, und ließen immer weniger Raum zu, doch erleichtert hörte sie van Furr's kräftige Stimme.

„Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zusehen. Machen Sie Platz, ich bin Arzt." brüllte er und stieß einen kräftig gebauten Mann zur Seite.

Und oh Wunder, die Leute verkrümelten sich tatsächlich.

Heimwärts

Van Furr sah seiner Assistentin noch kurz nach, da kam auch schon eine der Serviererinnen vorbei, nahm beflissentlich seine Bestellung auf und schon kurze Zeit später genoss er den recht guten Kaf­fee. Er berührte geistesabwesend seine Backe, auf die Katti ihn geküsst hatte und sann über sie nach. Wie sie sich seit dem Tag entwickelt hatte, an dem er sie quasi in sein Team hineingezwungen hatte. Sie hatte es nie hinterfragt oder war gar aggressiv geworden. Nun, ein Teil der Programmie­rung, die ihr verpasst wurde, war sicherlich dafür verantwortlich gewesen, doch die hatte van Furr, nachdem er sich mit Karolus besprochen hatte, nach und nach angepasst und doch blieb Katti, nun eben Katti. Die beiden Männer waren sehr erfreut darüber gewesen.

„Hoffentlich bleibt sie so." seufzte er und trank zufrieden den Kaffee. Das Klingeln seines Handy riss ihn aus den Gedanken und brachte ihn in die Realität zurück. Er blickte auf das Display. „Katti? Was will sie nur?" Er nahm das Gespräch an und schon erklang ihre aufgeregte Stimme. Wie ein Maschinengewehr ratterte sie die Geschehnisse herunter. Geduldig hörte er es sich an und gab ihr ein paar Anweisungen.

„Doc," fragte sie schließlich, „bin ich schuld? Kann sein Anfall durch mich ausgelöst worden sein?"

„Katti, nein, dieses ist nicht möglich. Deine Biochemie unterscheidet sich in der Hinsicht total von Katzen."

„Wenn Sie es sagen Doc."

„So ist es. Katti, ich bin gleich bei euch. Also bewahre die Ruhe und hilf ihm so gut es geht. Ver­standen!"

„Gut Doc, ich habe verstanden." Sie legte auf.

Van Furr erhob sich von seinem Platz und legte die Zeche unter die Tasse und machte sich auf. Auf dem Weg zu seiner Mitarbeiterin schwirrten seine Gedanken in seinem Kopf wie Bienen herum. Was sollte er machen? Helfen ja, aber die Chance die sich gerade ergeben hatte, die musste genutzt werden. Sein Mittel gegen Allergien, dessen Entwicklung er mehr als Freizeitbeschäftigung sah, würde Millionen einbringen und seine weiteren Forschungen voranbringen. Seine Entscheidung stand fest. Er holte wieder sein Handy hervor und rief die Nummer von Paschulke an.

„Paschulke, hallo, können sie uns am Zoo abholen. Es ist wirklich dringend! .... Wie, ein Fahrgast? ... Nein, Sie, sonst keiner! Setzen Sie den Mann ab, geben sie ihm 20 € und lassen den Taxameter weiterlaufen. .... Ja, Sie haben richtig verstanden!... Also, wann sind Sie am Nebeneingang? .... Ich wusste, das ich auf Sie zählen kann! ... 10 Minuten, zwar nicht gut, aber Ok. Also in 10 Minu­ten am Nebeneingang."

Van Furr war sehr erleichtert, dass Paschulke so hilfsbereit war, vereinfachte vieles. Mehr Gedan­ken konnte er sich machen, denn er erreichte auch schon sein Ziel. Es war einfach zu erkennen. Eine ziemliche Menge an Gaffern hatte sich bereits um die zwei Gestalten angesammelt, zu denen Van Furr wollte. Katti schien sich rührend um den bewusstlosen zu kümmern. Van Furr sah wie ein älterer Herr mit schwarzem Stock ihr etwas reichte, ein paar Worte zu ihr sagte und dann langsam auf seinem Stock gestützt, in Richtung des Katzenhauses davonging. Der Griff des Stockes glitzerte silbern auf und van Furr hielt kurz inne. Etwas an diesem Mann kam ihm bekannt vor, er konnte aber nicht sagen was.

„Verdammte Saubande!" fluchte er leise, erbost über die Ansammlung der Gaffer. Dann setzte er sich wieder in Bewegung gelangte zur Menge und rief laut:

„Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zusehen. Machen Sie Platz, ich bin Arzt." und stieß einen kräftig gebauten Mann zur Seite.Was auch immer es gewesen sein mag, seine Stimme oder sein for­sches auftreten, die Menge fing wirklich an sich zu zerstreuen und schon wenig später waren er, Katti und der Bewusstlose allein und wurden von den Passanten in Ruhe gelassen.

„Gut dass sie endlich da sind Doc!" Katti klang sehr erleichtert.

Van Furr untersuchte schnell den Mann so gut es ging. „Ziemlich schwerer Anfall. Er muss doch was dabeihaben?" murmelte van Furr und durchsuchte schnell die Taschen des Mannes und fand endlich was er vermutet hatte. „Ah ja, hier haben wir es, Gott sei dank!" Van Furr hielt einen Inha­lator in der Hand. Er verpasste dem Burschen eine Ladung und glücklicherweise schien das Antiall­ergikum anzuschlagen. Das blasse Gesicht des Mannes nahm eine etwas lebendigere Farbe an. Die Atmung beruhigte sich und wurde gleichmäßiger.

„Was nun?" fragte Katti. „Ihn hier lassen geht nicht."

„Wir nehmen ihn mit nach Hause, dort können wir besser helfen und es ist viel näher als das Kran­kenhaus, außerdem stellen diese Quacksalber dort nur dumme Fragen."

„Wie?"

„Paschulke wartet am Nebeneingang. Los Katti, du schnappst ihn dir und dann los!"

„OK!"

Van Furr richtete sich auf und betrachtete fasziniert die Frau, wie sie den Mann aufnahm und diesen gut 90 kg schweren Kerl mit einer Leichtigkeit in Ihren Armen trug, als ob er nur ein kleines Kind wäre. Und dann trabte sie los. Ihre Beine bewegten sich gleichmäßig und kraftvoll. Ihre Atmung blieb ruhig und gleichmäßig. Van Furr lief ihr hinterher und hielt gerade so mit. Die Besucher des Zoos blieben stehen und beglotzten nur dieses seltsame Dreiergespann. Eine, in eine farbenfrohe Burka gehüllte weibliche Gestalt, die einen Ohnmächtigen trug und ein schwer atmender, schlanker, mittelalter Mann, dessen schulterlanges schwarzes Haar im Wind flatterte. Ihnen wurde schnell Platz gemacht. Als sie letztlich den Nebeneingang erreicht hatten, sahen sie schon Paschulkes Taxi mit laufendem Motor und offenen Türen auf dem Vorplatz stehen. Ein Mitarbeiter des Zoos disku­tierte mit Paschulke.

„Sie können hier nicht stehenbleiben!"

„Will ich auch gar nicht. Ich warte nur auf meine Passagiere!"

„Fahren Sie sofort weiter. Der Taxiparkplatz ist dort drüben, stellen sie Ihr Auto dort ab."

„Nun beruhigen sie sich mal, mein Junge, ich warte auf einen Arzt. Er sagte was von einem Not­fall."

„Ich bin nicht „Ihr Junge" haben sie verstanden, und nun verziehen sie sich mit dem Wagen."

Paschulke blickte zum Eingang und sah erfreut den Doktor und Katti, die einen Mann in den Armen trug und tatsächlich mit so einer Last noch rennen konnte.

„Na, nun regen sie sich mal ab, da sind sie ja schon." Paschulke grinste und der Zoomitarbeiter schrak etwas zurück.

Van Furr erreichte die beiden Männer und schnappte mühsam nach Luft.

„Gibt ... phuu .. gibt es .. Probleme?"

„Glaube nicht, oder?" erwiderte Paschulke zu dem Mann gewandt.

„Jetzt wohl nicht mehr. " erwiderte dieser, „Sie sind der Arzt?" es klang mehr nach einer Feststel­lung, als eine Frage.

Van Furr nickte und beugte sich vor und hielt sich die Seite. „Man bin ich aus der Form gekommen, muss wohl endlich wieder mit dem Joggen anfangen." dachte er, als er so versuchte wieder zu Atem zu kommen.

„Nun," sagte der Zooangestellte, „beim nächsten mal sagen Sie ihrem Fahrer, dass er sich etwas an­ders hinstellen soll mit seinem Wagen. Einen schönen Tag noch!" drehte sich um und ging ohne einen Gruß abzuwarten davon.

„Gut dass Sie da sind Paschulke. Schwierigkeiten gehabt?"

„Nöööö," antwortete dieser, „mein Fahrgast nahm das Geld und ist anstandslos ausgestiegen. Ich frage mich, ob es nicht doch an meinem Lächeln gelegen hat, dass er so bereitwillig ausstieg." Pa­schulke lachte leise und entblößte sein raubtierhaftes Gebiss. „Habe natürlich einen Kollegen für den Mann bestellt. Ah Fräulein Katti, was haben Sie denn da?"

Katti hatte den bewusstlosen in den Fond des Taxis geladen und war bereits eingestiegen.

„Das, Paschulke, ist der Notfall!" sagte der Doktor. „Und wir müssen los!"

„Habe verstanden. Also alles rein und dann sind wir auch schon weg! Ich nehme an zur Praxis soll es gehen?"

Van Furr nickte. Die beiden Männer stiegen ein und Paschulke fuhr auch schon los, noch bevor sich sein Beifahrer anschnallen konnte. Paschulke fuhr sehr schnell und nutzte jede Möglichkeit um den Weg abzukürzen. Katti überwachte derweil den Zustand des vierten Insassen und van Furr tätigte ein weiteres Telefonat.

„Karolus, gut das ich dich erreiche! .... Wir kommen zurück, es ist ein Notfall eingetreten. .... Kat­ti? Was sollte mit Katti sein, nein nein, mit ihr ist alles OK. Es ist ein Mann mit einem schweren Anfall. Wahrscheinlich eine Allergie. .... Weiß ich noch nicht so genau! Mach auf jeden Fall Zim­mer 4 bereit. ..... Ja genau, die brauchen wir auch und sieh auf meinem Rechner nach dem Ordner Freizeit und starte das Projekt A9.01-AA, du weist schon! ..... Ist mir klar, das es noch ein Prototyp ist, aber irgendwann ist immer das erste Mal. .... Ok, wir sind in etwa ..." van Furr blickte zur Seite und Paschulke hob die rechte Hand, zuerst alle Finger, dann noch einmal 3 ausgestreckt, „... na knapp 8 Minuten da. Also bis gleich!" Er beendete das Gespräch.

Projekt A9.01-AA

Karolus war am morgen irgendwie nicht er selbst gewesen. Katti hatte ihn gefragt, ob er sie zum Zoo begleiten würde und er hatte ziemlich barsch reagiert. Er hasste jede Art von Zoo oder Tiergar­ten. Jedenfalls war er danach in sein Zimmer gegangen und hatte geschmollt. Katti hatte nur ver­wirrt hinter ihm her blicken können. Einen Reim auf seine Reaktion hatte sie sich jedenfalls nicht machen können. Das Mittagessen hatte ihn etwas versöhnlicher gestimmt, auch wenn er dabei er­fuhr, dass die Katze den Doktor überredet hatte sie zum Zoo zu begleiten. Am Nachmittag waren die beiden jedenfalls erstmal weg und Karolus hatte die Praxis ganz für sich allein und um die Zeit zu nutzen fing er an Ordnung zu schaffen. Van Furr war ein Genie, aber auch ein Chaot. Sein Büro sah aus, als ob ein Wirbelsturm gewütet hätte. Nicht das Erste mal, das Karolus wieder Ordnung schuf und sicher auch nicht das letzte Mal. Doch das machte ihm nichts aus. Karolus liebte Ordnung schaffen, sortieren und Putzen. Es half ihm dabei wieder zu klaren Gedanken zu kommen. Die dreh­ten sich nämlich immer wieder um eine gewisse samtpfotige Person im Haushalt. Katti und er ka­men prächtig miteinander aus. Sexuell voll kompatibel, wie es der Doktor nannte und beide genos­sen diese kompatibiltät regelmäßig und ausgiebig. Doch nach und nach empfand er mehr als nur se­xuelle Erfüllung. Eine Stunde später war der Raum wieder halbwegs in Ordnung gebracht und Ka­rolus wollte gerade mit den Feinarbeiten anfangen, als das Telefon am Empfang sich meldete.

„Wer, kann das denn sein?" fragte er sich und begab sich zum Tresen.

„Hallo, hier die Praxis van Furr, Karolus am Apparat! .... Doc, Sie, was ist los? .... Ein Notfall! Ist mit Katti alles in Ordnung? .... Allergischer Anfall, können sie schon Einzelheiten nennen? .... Zimmer 4, aha, geht klar. Soll die Anlage auch hochgefahren werden? ..... Ihr Freizeitprojekt, aber Doktor, sie haben mir selber gesagt, das wäre nur eine Spielerei. Es ist bei weitem noch nicht für den Einsatz bereit. ..... Sie sind der Boss, ich werde alles bereitmachen. Wann treffen Sie ein? .... Verstanden!" -klick- das Gespräch war beendet.

Karolus starrte noch kurz auf das Telefon, dann legte er es weg und machte sich auf alles vorzube­reiten. Zeit hatte er wenig, doch seine Erfahrung machte da einiges wett. Die Computersysteme lie­fen eh auf Standby und als er sich an das Terminal setzte, hatte er schnell das von van Furr ge­wünschte Programm gefunden und gestartet. Er ließ es gleich im Simulationsmodus laufen. A9.01-AA war wirklich noch extrem neu. Der letzte Build war erst am Morgen fertig geworden. Nun, der Doktor wird schon wissen was er dem Ding zumuten konnte. Das nächste auf seiner Agenda ist das Zimmer 4. Zimmer 4 war eigentlich für die speziellen Patienten gedacht. Das Bett war sehr stabil gebaut und befriedigt stellte er fest, das auch die Fixierungen in gutem Zustand waren. Die Geräte waren schnell eingeschaltet und liefen gerade im abschließenden Selbsttest, als er das Signal hörte, das von der Torsteuerung ausgelöst wurde. Der Doktor, Katti und ihr „Kunde" waren eingetroffen.

Karolus lief vor das Gebäude und kam genau zu dem Zeitpunkt dort an, als das Taxi hupend die Auffahrt hochkam und beim abbremsen den Kies aufspritzen ließ. Der Wagen stand noch nicht ganz, als auch schon eine Tür aufgestoßen wurde und Katti geschmeidig ausstieg. Karolus lief zu ihr und gemeinsam hoben sie den immer noch bewusstlosen Mann heraus und trugen ihn in die Pra­xis. Van Furr bezahlte den treuen Paschulke und gab ihm wieder mal ein großzügiges Trinkgeld.

„Ho, ho Doktor, Sie wissen wirklich wie man jemanden an sich bindet! Das beste Trinkgeld der Wo­che. Also scheuen sie sich nicht mich anzurufen. Egal wann, Paul Paschulke ist Ihr Mann!" Der Ta­xifahrer lachte.

„Gut zu wissen." erwiderte van Furr. „Ich werde sie an Ihre Worte erinnern, wenn ich Sie mal um 2:00 Uhr aus dem Bett klingeln muss!" und fiel in das Lachen mit ein.

„Na denn, ich muss los, Schicht ist gleich vorbei und meine Elli will mich sicher schnell zu Hause haben. Machen Sie es gut Herr Doktor!" Paschulke stieg ein, startete den Wagen und fuhr langsam zum Tor. Zum Abschied hupte er noch kurz, dann dröhnte der Motor auf und das Taxi schoss davon. Van Furr stand noch kurz vor der Praxis, dann drehte er sich um und hastete in das Gebäude. Er hat­te einen Patienten, um den er sich kümmern musste.

Van Furr eilte in sein Büro, streifte sich dort schnell einen Arztkittel über und ging zum Raum 4, dort fand den Patienten im Bett liegend vor. Mittlerweile waren Karolus und Katti nicht untätig ge­blieben. Der Mann war von ihnen entkleidet worden und bereits voll verkabelt. Das gleichmä­ßige Piepen der Geräte zeugte davon, dass das schlimmste fürs erste überstanden schien. Die Türen wa­ren noch weit offen und er hörte Katti und Karolus im Labor kramen, die beiden neckten sich mal wieder.

„Wann merken die beiden endlich, dass sie füreinander wie geschaffen sind?" fragte er sich zum wiederholten mal. Dann griff er eine der Kanülen und setzte diese in die Armbeuge seines Patien­ten, nach wenigen Minuten hatte er einige Blutproben gesammelt, die für die weiteren Untersuchun­gen und Simulationen notwendig waren. Er brachte die Phiolen ins Labor.

„Ich habe dir gesagt, Katti, das Zoos nicht sind, bringen nur Ärger!" Karolus blickte nur kurz vom Terminal auf und tippte dann weitere Daten ein.

„Gar nicht wahr. Es war wunderbar." erwiderte Katti, die Kleidung zusammenlegte und diese dann in eine Tüte stopfte. Auf dem Tisch vor ihr waren die weiteren Habseligkeiten des Patienten aufge­reiht. Sie legte die Tüte in ein Regal, nahm die Brieftasche und leerte diese aus. Einige Geldscheine und etwas Kleingeld kamen zum Vorschein, dazu ein paar Bilder, Visitenkarten, Notizzettel, seine Bankkarte, der Führerschein, die Krankenversicherungskarte und der Personalausweis waren der Hauptgewinn. Sie notierte den Inhalt gewissenhaft auf einem Blatt dann legte Sie alles bis auf die Ausweise in eine Tüte, die später in einen kleinen Safe zur Aufbewahrung kamen.

„So Karolus, hier ist Arbeit. Mach die üblichen Tests und natürlich auch unsere Spezialliste." mit diesen Worten stellte er die Phiolen neben die Tastatur.

„Wird gemacht Doktor!" Karolus erhob sich vom Rechner und begab sich mit den Phiolen in das et­was kleinere aber Top ausgestattete medizinische Labor. Katti übernahm Karolus Platz am Rechner und tippte die persönlichen Daten bereits ein. Gleichzeitig ließ sie mehrere Suchmaschinen auf den Namen los.

„Und Katti, wen haben wir nun hier zu Gast?"

„Sein Name ist Jorge Meijer, 25 Jahre alt. Mutter ist Anitevka Meijer, 45 Jahre. Sein Vater... huh.., keine offiziellen Daten. Seltsam. Scheint als ob es seine Mama geheim halten wollte. Sie hat überall „Unbekannt" als Vater eintragen lassen."

„Vergewaltigung, enge Blutverwandtschaft?"

„Nö, glaube ich nicht. Es gibt auch keine derartigen Einträge oder Hinweise auf so etwas. Und se­hen sie sich mal die Bilder an, die Jorge mithat. Sie sieht auf allen Bildern glücklich und stolz aus. Das der Vater nicht bekannt sein soll muss andere Gründe haben."

„Gibt es Aufzeichnungen zu seiner Krankengeschichte?" fragte er, als er sich kurz die wenigen Bil­der ansah.

„Er hat tatsächlich eine Katzenhaarallergie, bisherige Versuche diese behandeln sind laut der Auf­zeichnungen fehlgeschlagen. Seine behandelnden Ärzte, darunter einige Koryphäen, scheinen auf­gegeben zu haben."

„Lädst du alle Daten in das System, es wird uns helfen."

Katti nickte und startete den Import der verschiedenen Dateien in das hochmoderne System. Van Furr setzte sich an einen weiteren Terminal und sah sich die einzelnen Arztberichte an, machte sich Notizen und kam zu einem niederschmetternden Ergebnis. Die Arztberichte gaben nur vereinzelt wider, wie die weitere Entwicklung des Krankheitsbildes ausgeht, aber die Zusammenfassung ergab ein klares Bild. Van Furr war sich sicher. Der Grund musste in der DNA liegen. Die Ergebnisse der Blutuntersuchungen werden die Wahrheit ans Licht bringen! Van Furr stellte zufrieden fest, dass, wenn seine Annahmen bestätigt waren, der Einsatz des Programmes A9.01-AA in Kombination mit der richtigen Dosierung der Naniten, eine echte Chance für solch einen Fall sein musste. Nur eines musste mit Sicherheit geschehen. Ein Gespräch mit ihrem Patienten, denn der Ernst der Lage könn­te diesem noch nicht bewusst sein. Van Furr rief nochmals einige der Bilder auf, die Katti mittler­weile eingescannt hatte, eines davon schien uralt zu sein, geknickt und etwas zerkratzt. Es zeigte einen jungen, südländisch wirken­den Mann, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Jorge aufwies. Er schaute sich das Bild genauer an, Katti hatte auch die Rückseite eingescannt und als er sich diese ansah konnte ein fast verblasstes Wort, „Nuno", lesen. Im Kopf von van Furr klickte es, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen. Der Name schien etwas in ihm anzuschlagen. Doch er wurde von den Gedanken abgelenkt, als einer der weiteren Überwachungsmonitore grün aufblinkte und piepte. Ihr Gast erlangte das Bewusstsein wieder.

„Ihr kommt zurecht?" fragte van Furr laut.

„Gehen sie schon los! Karolus und ich machen schon unseren Job. Kümmern Sie sich um Jorge."

Van Furr kehrte also zu Jorge zurück und betrat den Raum. Zwei überraschend gelbe Augen blick­ten ihn fragend an.

Der Wink

Jorge träumte. Diesen Traum hatte er immer wieder. Er lief durch einen Dschungel. Grünes Leben in jedweder Schattierung und Nuance umgab ihn. Er lief schnell, sprang über umgeworfene Baum­stämme hinweg, auf deren modernden Überresten farbenfrohe Pilze und weiche Mose wuchsen. Er war auf der Jagd, seine Beute war vor ihm, er konnte das Wesen hören und dessen Angst riechen. Das Geäst des Dickichts schlug gegen seine blanke Brust. Größere Äste schlug er mit seinen Armen aus dem Weg. Seine Lungen pumpten mit heftigen Zügen Luft ein, um seinen Körper, der auf Hoch­touren lief, mit Sauerstoff zu versorgen. „Beute, Futter, Leben!" diese ganz einfache Gedanken tanzten in seinem Kopf. Da erschien vor ihm eine Mauer aus dichtem Unterholz und ohne weiter zu überlegen sprang er durch das Gehölz, mit seinen Armen voran tauchte er in die grüne Mauer ein. Und er verwandelte sich im Sprung. Sein Körper wurde schlanker, langgestreckter, schwarzes Fell bedeckte seinen Katzenkörper. Große Reißzähne schossen aus seinem, zur Schnauze gewandelten, Kiefer hervor. Das schwarze Dreieck, das seine Nasenspitze bildete, kräuselte sich. Seine Arme und Hände zuvor noch menschlich, waren jetzt die Vorderbeine eines schwarzen Jaguars, die Pfoten mit scharfen Klauen bewehrt. Ausgefahren und bereit um die Beute zu töten. Seine Pupillen waren ge­schlitzt, die Iris immer noch Blau und mit diesen Augen erblickte er seine Beute, nur wenige Meter vor ihm, als er auf der anderen Seite hervorkam. Elegant landete er mit seinen Vorderpfoten, auf dem mit Blät­tern bedeckten Boden des Dschungels, und federte den Aufprall geschickt ab. Vor sich das Tapir­weibchen, das er verfolgte und sich, ohne jeden Fluchtweg in die Enge gedrängt, zur Ver­teidigung bereit gemacht hatte. Seine Beute hatte das Maul bedrohlich geöffnet. Er stieß sich mit seinen Hin­terbeinen ab, stürzte sich auf seine Beute, wich dem schnappendem Gebiss geschickt aus und erwi­schte mit seinem Maul die Kehle des großen Tieres. Seine Reißzähne gruben sich tief in den musku­lösen Hals und zerfetzten die Halsschlagader des Tapirs, der augenblicklich tödlich ver­letzt zu Bo­den stürze und röchelnd seinen letzten Atemzug tat. Die Beine seines Opfers zuckten noch kurz, als wenn es noch zu einer letzten Flucht ansetzen wollte und dann erstarben auch diese letzten Zeichen von Leben. Jorge hielt noch kurz den Hals seiner Beute mit seinem Maul. Als er mit seinen Schnurrhaaren keine Bewegung mehr spürte, ließ er von seinem Opfer ab und leckte sich die Schnauze. Das warme Blut schmeckte süß und metallen. Er hob seinen Kopf und schrie seinen Tri­umph hinaus. Jorge schreckte hoch. Seine Zunge leckte über trockene Lippen. Halb hatte er be­fürchtet, den warmen Geschmack frischen Blutes zu schmecken.

Desorientiert blickte er um sich. Er befand sich in offensichtlich in einem Krankenzimmer, in einem Bett und jemand hatte ihn entkleidet. Er blickte an sich herab und sah Kabel, die zu Sensoren führ­ten, die auf seiner Haut klebten. Er bemerkte Monitore und hörte ein Piepen, einer der Monitore blinkte grün auf.

„Wo bin ich? Was ist geschehen? Ich war doch im Zoo und nun??.... Oh verdammt der Anfall, muss wohl ein Krankenhaus sein." dachte er.

Bevor er sich weitere Gedanken machen konnte öffnete sich die Tür und ein Mann in einem Arztkit­tel betrat den Raum. Der Arzt, was sollte es anderes sein mit dem Arztkittel, trat an den blinkenden Monitor und betätigte ein paar Tasten. Das Blinken hörte auf. Und der Mann wendete sich Jorge zu.

„Ah Herr Meijer, oder darf ich Jorge sagen? Sie sind endlich wieder bei Bewusstsein. Sie haben uns, große Sorgen bereitet."

„Wo bin ich? Wer sind Sie, wie lange war ich außer Gefecht und was ist geschehen?" fragte Jorge, seine Kehle schmerzte und seine Stimme klang heiser.

„Ah ja, ganz verständlich diese Fragen."

Van Furr trat an das Bett heran und holte eine kleine Lampe hervor.

„Sie befinden sich in meiner Praxis, ich bin Dr. van Furr, meine Assistentin war mit Ihnen im Zoo zusammengestoßen und aus welchen Gründen auch immer hatten Sie einen ziemlich schweren An­fall erlitten. Wir haben Sie daraufhin mitgenommen. Meine Praxis liegt um einiges näher als das Krankenhaus. Und waren...." er blickte auf seine Uhr „..mehr 5 Stunden bewusstlos. Sie gestatten?"

Van Furr leuchtete mit der Lampe kurz in die Augen von Jorge, der diese Untersuchung hinnahm.

„Bestens, Ihre Augen haben sich wieder erholt. Es sind zwar ein paar Äderchen geplatzt, aber das war zu erwarten gewesen. Sie hatten ziemlich schwere Nieser gehabt. Das Nasenbluten ist auch fürs erste vorbei." Zufrieden mit dem Ergebnis steckte van Furr die Lampe in die Brusttasche, ging zu einem der Arbeitstische und notierte das Untersuchungsergebnis in einer Kladde.

„Wie geht es Ihrer Assistentin? Soweit ich mich erinnern kann hat sie mir sehr geholfen."

„Machen Sie sich keine Sorgen, ihr geht es bestens. Sie arbeitet gerade mit meinem anderen Assis­tenten an ihren Blutproben"

„Blutproben?" Jorge bemerkte erst jetzt, das er sich geistesabwesend in der rechten Armbeuge kratzte. Das Jucken machte jetzt einen Sinn. Ein Pflaster verhinderte, das er sich verletzte.

„Natürlich, wir wollen doch wissen womit wir es genau zu tun haben."

Das klang einleuchtend.

„Dr. van Furr, warum bin ich in Ihrer Praxis? Wäre das Krankenhaus nicht passender gewesen?" fragte er neugierig.

„Im Normalfall, hätten Sie sicher recht Jorge, aber zufälligerweise hat unser Krankenhaus den Ruf ..., nun, wie soll ich es ausdrücken, es hat den Ruf, dass viele Patienten Pech hatten, wenn es zu au­ßergewöhnlich wird. Zum anderen wäre ich heute nicht im Zoo gewesen und wer weiß wie es dann ausgegangen wäre, oder?"

Van Furr verschwieg natürlich die Tatsache, dass eventuell gar nichts passiert wäre, denn dann wäre Katti ja auch nicht im Zoo gewesen. Und somit kein Zusammenstoß, der möglicherweise den Anfall ausgelöst hatte, obwohl sich van Furr sicher war, dass Katti keine Allergene produziert. Jorge jeden­falls überlegte nur kurz seine Antwort.

„Ein Wink des Schicksals meinen Sie?"

Van Furrs Miene hellte sich auf und er nickte.

„Treffender hätte ich es nicht ausdrücken können. Wissen Sie, ich will offen sein. Laut ihren medi­zinischen Unterlagen, die wir schon einsehen konnten, leiden Sie an einer sehr schweren Form einer Allergie. Das ist doch richtig?"

Jorge nickte, und dachte an die vielen verschiedenen Heilungsversuche seines Arztes und der Spezi­allisten, die er aufgesucht hatte. Letztendlich war keiner davon von Erfolg gekrönt. Jedes mal eine enttäuschende Aussage zu erhalten macht depressiv. Sein Gesichtsausdruck musste Bände erzählen, denn van Furr fuhr ohne weitere Umschweife fort.

„Sehen Sie, die Arztberichte sagen eine große Gemeinsamkeit aus, dass möglicherweise der Ur­sprung für diese Allergie in Ihren Genen sitzt und da es bislang keine praktikable Gentherapie gibt, werden Sie mit Ihrer Allergie leben müssen und irgendwann die Folgen tragen werden. Und heute scheint eben eine der ersten dieser Folgen zutage getreten zu sein."

„Ich hatte schon solche Anfälle!"

Van Furr zog einen Hocker auf Rollen heran und setzte sich an das Bett seines, etwas widerspenstig wirkenden, Patienten.

„Ach wirklich?" fragte van Furr und seine Augen blitzten Jorge an, der diesem Blick nicht lange standhalten konnte.

„Nun, ..., vielleicht nicht so schlimm." relativierte er seine Aussage und senkte beschämt seinen Kopf.

„Sie brauchen sich deswegen nicht schämen. Eine ganz verständliche Reaktion auf eine Frage, de­ren Antwort man kennt, nur das einem selber diese Antwort nicht gefällt. Aber zurück zum Thema. Der Satz von eben war deshalb so zutreffend, weil mein zugegeben kleines Team und ich im Be­reich der Gentherapie arbeiten. Man könnte uns als eine Speerspitze der medizinischen Nanotech­nologie bezeichnen. Alles natürlich noch rein experimentell, aber die ersten positiven Ergebnisse bestärken uns in unserem Tun."

„Und was hat das mit mir zu tun?"

„Tja vielleicht, und ich sage wirklich nur vielleicht haben wir die Möglichkeit gefunden, damit Sie von Ihrer Allergie kuriert werden!"

Jorge hob seinen Kopf. Ungläubig starrte er den Doktor an.

„Mir war vor kurzem bei einem Experiment ein Fehler unterlaufen und das Ergebnis hat uns unver­hofft den Weg aufgezeigt um Allergien auf DNA Level zu bekämpfen. Ich möchte Sie nicht mit Einzelheiten langweilen, aber ich bin mir sicher Ihnen helfen zu können!"

Jorge grinste den Doktor schief an.

„Solche Versprechen habe ich schon gehört!"

„Natürlich haben Sie das, Sie sind nicht dumm."

„Also was soll mich der Spaß denn kosten? Sie leben ja auch nicht nur von Luft und Liebe allein."

„Sehr direkt gefragt und eine direkte Antwort bekommen Sie. Sie wären ein Versuchskaninchen, also kostenfrei, wenn es gelingt werde ich mit den Patenten Millionen verdienen und sie werden ge­heilt sein."

„Und wenn es nicht gelingt?"

„Wollen sie es herausfinden? Was hätten Sie zu verlieren. Ihre Anfälle werden schlimmer werden, es wird Asthma hinzukommen, Ihre Augen werden immer schlechter werden, bis es letztendlich zur Erblindung kommt. Ihre gesamte Gesundheit wird über kurz oder lang ruiniert sein. Ich möchte Ih­nen einen Strohhalm anbieten und ich verspreche nichts unmögliches, aber ich will ihnen auch kei­ne falschen Hoffnungen geben. Es ist ein experimentelles Verfahren."

Van Furr verstummte und lies seine Worte ihre Wirkung tun.

Jorge überlegte angestrengt, das vage Angebot, das Versuchskaninchen für einen, ihm vollkommen fremden, Arzt zu spielen missfiel ihm, aber andererseits hatte van Furr Recht. Seine Ärzte hatten ihm bereits ähnliches prophezeit und van Furr hatte nur seine Akten durchflogen und war schon zum gleichen Ergebnis gekommen. Beeindruckend. Sollte er es wagen.

„Herr Doktor, Sie haben da einiges gesagt, das zutreffend ist. Ich habe schon so vieles ausprobiert, ohne zufriedenstellende Ergebnisse erhalten zu haben, was soll es also schaden. Helfen Sie mir!"

„Sie sind sehr mutig. Wir werden so schnell wie möglich mit der Behandlung beginnen. Aber jetzt sollten Sie sich erstmal weiter ausruhen!"

Jorge nickte und legte sich wieder hin. Dr. van Furr erhob sich und schickte sich an das Zimmer zu verlassen, doch dann verharrte er kurz in seiner Bewegung, drehte sich um und stellte eine Frage, die ihm gerade eingefallen war.

„Sagen Sie Jorge, warum waren Sie überhaupt im Zoo? Mit diesem Besuch haben Sie sich doch ganz bewusst einem unglaublichen Risiko ausgesetzt. Selbst mit der Atemmaske ausgerüstet musste es Ihnen doch klar gewesen sein, dass Sie einen Anfall erleiden könnten und letztlich auch hatten?"

Jorge errötete beschämt. „Sie .... Sie haben .... Recht, ich wusste genau, dass ich ein Risiko einge­he, wenn ich in den Zoo gehe. Aber ... aber ich vergöttere Großkatzen. Ich wollte zum Katzenhaus, um meinem Lieblingstier nah zu sein."

„Welchem?"

„Speedy, ... Speedy Gonzalez, der schwarze Jaguar." Jorge schluckte und überwand sich zu einem Geständnis, das bislang tief in ihm verborgen war. „Sie ist das schönste Lebewesen, das ich kenne und ich wünschte mir stets ihm nah zu sein, obwohl ich allergisch auf Katzen reagiere. Können Sie das verstehen? Sie halten mich nun sicher für verrückt oder?"

„Nein, Sie sind nicht verrückt. Oder zumindest nicht verrückter als jeder, der einen Traum hat, der unerfüllbar scheint. Aber nun ruhen Sie sich aus! Ärztliche Anordnung, verstanden."

Sagte Van Furr lächelnd, löschte das Licht und verließ den Raum, der nur noch leicht von den Mo­nitoren erhellt war. Jorge zog die Decke über den Kopf legte sich auf die Seite und war bald darauf eingeschlafen.

Der Doktor kehrte ins Labor zurück, wo Karolus allein am Terminal saß und erste Ergebnisse in das laufende Programm eintrug.

„Wo ist Katti?"

„Sie macht sich gerade frisch und will uns dann eine Mahlzeit zubereiten. Was ist mit Jorge, haben sie was erreicht?"

„Yep, wir haben ein Versuchskaninchen. Jetzt schläft er. Katti darf er jedenfalls nicht zu sehen be­kommen. Eine Gehirnwäsche wäre gar nicht gut für das Experiment, würde die Ergebnisse nur ver­fälschen. Ich sehe, dass du erste Ergebnisse eingibst. Was hast du herausgefunden?"

„Die Allergie sitzt, wie sie es bereits vermutet haben in seiner DNA, ich habe einige Anomalien ent­deckt, die mit seinem eigentlichen Problem zu tun haben, aber diese drei Sequenzen hier sind außer­gewöhnlich, kommen die ihnen nicht irgendwie bekannt vor?"

Karolus deutete auf den Bildschirm und van Furr beugte sich vor um es besser sehen zu können.

„Hm mal sehen, ah so klein. Leg die Bilder mal auf den Beamer!"

„'Kay!"

Karolus klickte mit der Maus und ein kleiner Beamer erwachte summend zum Leben. Van Furr richtete sich wieder auf und wendete sich zu einer Leinwand, auf der die Bilder der angesprochenen Sequenzen bald darauf erschienen. Er ging auf die Leinwand zu und betrachtete die Darstellung ge­nauer. Karolus hatte recht. Diese Sequenzen waren ihm bekannt. Sie waren nicht hundertprozentig identisch, aber er erinnerte sich genau daran, dass er auch bei Katti eben diese drei Sequenzen ein­gebaut hatte. An je zwei Stellen wiesen die Sequenzen hier aber jeweils ein abweichendes Amino­säurepaar auf.

„Du hast Recht, bis auf diese Abweichungen hier und dort sind die Sequenzen identisch mit denen von Katti. Gibt es einen Hinweis, ob die nachträglich eingefügt worden sind?"

„Sieht für mich alles ganz natürlich aus. Die Proben wiesen jedenfalls keine Reste auf, die auf etwas andres schließen lassen könnten!"

„Erstaunlich, wirklich erstaunlich, was die natürliche Evolution zustande bringen kann. Hast du sei­ne Augen bemerkt? Goldgelb wie Bernstein, sehr außergewöhnlich!"

„Das ist eine seltene Farbe, besonders, wenn Haut so dunkel ist." erwiderte Karolus

„Ja in gewisser Hinsicht gibt uns unser Gast so manch hart Nuss zu Knacken. Das sollte aber keinen Einfluss darauf haben die Allergie zu heilen." murmelte van Furr leise. Dann fragte er Karolus laut: „Wann können wir mit der Naniten Synthese beginnen?"

„Die ist bereits angelaufen, Morgen früh werden uns genügend für das Priming zur Verfügung ste­hen. Er kann dann eine Zehntagesration mitbekommen, Sie wollen ihn ja sicherlich nicht hierbehal­ten."

„Nein, nein, das wäre nicht gut. Er bekommt seine Medikation mit nach Hause, und kriegt ein paar Termine, damit der Fortschritt der Heilung kontrolliert wird."

Karolus nickte zustimmend. Anschließend arbeiteten beide konzentriert um die Programmierung der Naniten zu vervollkommnen. Es waren einige Simulationen notwendig, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Einige der Simulationen ergaben so bizarre Ergebnisse, dass van Furr, mit einem angewidertem Gesichtsausdruck, diese augenblicklich löschte, andere wiederum sahen so vielver­sprechend aus, dass mit diesen einige andere Anfragen leichter erfüllt werden könnten. Ge­legentlich hörte man ein leises Magenknurren. Katti's Ruf, zum Essen zu kommen wurde von beiden sehnlichst erwartet.

Angebot und Chance

Als Jorge am nächsten Morgen erwachte, reckte er sich und gähnte ausgiebig. Der Schlaf hatte ihm gut getan, er fühlte sich ausgeruht und erfrischt. Geträumt hatte er auch. Es musste ein guter Traum gewesen sein, denn er konnte sich nur bruchstückhaft erinnern. Er hatte nur Erinnerungen an langes seidiges Haar, an sanftes streicheln und eine schnurrende sanfte Stimme.

Doch die Realität holte ihn schnell wieder ein. Er musste er sich erstmal orientieren. Das Zimmer war ihm fremd. Die Ausstattung erschien ihm kühl und zweckdienlich, alles in diesem Raum strahl­te Professionalität aus. Am gestrigen Abend war er einfach zu erschöpft gewesen, um sich über et­was wie Tapeten oder Möbel Gedanken zu machen. Und irgendwann, während er geschlafen hatte, musste ihm jemand die ganzen Sensoren abgenommen haben. Er bemerkte auf seinem Körper nur die leicht geröteten Stellen, wo die Sensoren angeklebt waren. Verdammt das juckte fies. Er kratzte sich und dann knurrte auch noch sein Magen und verlangte endlich etwas Aufmerksamkeit. Jorge hatte Hunger. Draußen klapperte etwas leise. Dann öffnete sich die Tür und ein junger Mann betrat den Raum. Jorge schätzte, dass er in etwa gleichaltrig sein musste. Doch am meisten interessierte ihn das was der Mann in das Zimmer trug. Ein Tablett, mit einem ordentlichen Frühstück und einen großen Becher gefüllt mit heißem Kaffee, der vor sich hin dampfte und sein Aroma im Raum ver­breitete. Jorge lief das Wasser im Mund zusammen.

„Guten Morgen!" sagte der Mann freundlich und stellte das Tablett auf einem Tisch, nahe dem Bett, ab.

„Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin Karolus, es freut mich Sie wieder wohlauf zu se­hen."

Er reichte Jorge die Hand und schüttelte sie kurz, mit kräftigem Griff.

„Guten Morgen," erwidert Jorge, „sehr erfreut, hm, Karolus, ich bin Jorge, aber das Wissen Sie ja."

Karolus nickte.

„Wir haben uns gedacht, das Sie mächtig Kohldampf schieben müssen! Sie haben ja seit gestern nichts mehr in den Magen bekommen." stellte er fest. „Wir haben jedenfalls genügend da."

Er schob den Tisch näher heran und Jorge schwang seine Beine aus dem Bett und setzte sich auf die Bettkante, dann schnupperte er, schloss kurz seine Augen und ließ nur den herrlichen Duft auf sich einwirken. Dann langte er zu. Karolus betrachtete ihn belustigt, dann sprach er weiter.

„Langen Sie zu! Und dort beim Waschbecken ist wohl alles was man brauchen kann um sich frisch zu machen. Ich hole gleich ihre Sachen, damit sie sich ankleiden können und dann wird sich der Doktor mit Ihnen befassen wollen. Wir haben, soviel kann ich wohl sagen, die Therapie soweit in den Griff bekommen, das sie bald ohne Maske und Medizin in den Zoo gehen können sollten!"

Jorge grunzte nur zustimmend, er war einfach zu hungrig, um darauf zu warten seinen Mund leer zu haben, damit er gesittet eine Antwort geben konnte. Karolus schien das jedenfalls nicht im gerings­ten zu stören und brachte Jorge wie versprochen die Kleidung und seine weiteren Habseligkeiten. Eine dreiviertel Stunde später saß Jorge, gesättigt und wieder vorzeigbar, im Büro von Dr. van Furr und führte mit dem Arzt wohl eines der wichtigsten Gespräche seines Lebens. Jorge hatte sich in einen Ledersessel gesetzt und Anfangs den Raum betrachtet. Sauber, aufgeräumt, aber das war wohl nicht das Verdienst vom Doktor. Der Schreibtisch, ein riesiges Eichenmöbel dominierte den Raum. Er glänzte wie poliert Einige Stapel mit Papieren, Berichten und Fachmagazinen bedeckten die Sei­ten der Tischplatte. Ein großer Flachbildschirm stand mittig auf dem Tisch und Jorge konnte sehen, dass die Kabel vom Bildschirm herab durch eine ffnung in eine Seite des Tisches führten. Zudem sah er eine größere ffnung in der ein Lüfter surrte, um wohl die Abwärme des Computers, der sich darin befand, aus dem Holzmöbel zu führen. An der Wand standen einige Regale zum größten Teil mit Büchern gefüllt und gerahmte Bilder standen darin. Jorge hatte nicht genügend Zeit, sich die ge­nauer anzusehen, aber eines zeigte einen Pferdekopf mit einem auffälligen weißen Stern auf der Stirn. Ok, seltsam war nur, dass es anscheinend Hände hatte und mit jeder ein Victory Zeichen formte. Hm ein ziemlich gutes Kostüm oder eine Computergrafik. Der Doktor sagte etwas und Jor­ge wurde aus der Betrachtung gerissen.

„Verzeihung, was sagten Sie?"

„Ah kein Problem, also Jorge, was sagen Sie? Sie haben jetzt über meinen Vorschlag geschlafen und jetzt die Wahl. Sie können uns entweder verlassen oder Sie nehmen mein Angebot an und neh­men die Chance wahr, die ihnen geboten wird. Aber wie ich schon gestern sagte, das Verfahren ist experimentell."

„Und es kann Risiken beherbergen, ich habe verstanden, aber die Chance will ich nutzen!"

„Gut. Ich habe noch einige Fragen."

„Das verstehe ich. Ich werde antworten."

„Fein, was wissen Sie über Ihren Vater? Wir haben nämlich nichts über ihn gefunden."

„Ja meine Mutter wollte kein großes aufhebens machen. Da weiß ich auch nur, was sie mir erzählt hat. Nuno soll sein Vorname sein. Ein Student aus Brasilien. Es war nur ein Abenteuer für eine Nacht gewesen und er verschwand so schnell wieder aus ihrem Leben, wie er aufgetaucht war. Ich habe ihn nie kennengelernt. Hat mir aber auch nicht geschadet."

„Mhm. Was machen Sie jetzt eigentlich beruflich?"

„Ich bin Student und kurz vor meinem Masterabschluss in Geologie. Ich möchte später im Bereich Rohstoffsuche arbeiten. Das Studium finanziert mein Stiefvater, ein klasse Mann, Hartmut Gold­berg, sagt der Name ihnen etwas?

Van Furr verneinte. Ihn interessierten mehr die genetischen Eltern und Blutsverwandte, als soziolo­gische Verwandtschaftsgrade.

„Jedenfalls habe ich finanziell keine Nöte, solange ich das Studium ernsthaft betreibe."

Das Gespräch ging noch eine weitere Stunde so Frage und Antwort, Frage und Antwort .... . Van Furr erfuhr viel über den jungen Mann vor ihm und mit manch geschickt platzierter Frage sogar noch einiges mehr, als Jorge sagen wollte. Es klopfte an der Tür.

„Komm herein Karolus, ich habe schon auf dich gewartet!" rief van Furr

Und sein Assistent betrat den Raum und brachte zwei Plastikdosen und ein Glas Wasser mit, die er vor van Furr auf die Tischplatte stellte.

„So, hier sind die Medikamente. Ich habe sie gerade fertiggestellt."

„Fein, wie viele Einheiten hast du gefertigt?"

„50 Stück, wie von ihnen gewünscht."

„Gut gemacht."

„Brauchen Sie noch etwas Doktor? Ansonsten werde ich klar Schiff machen."

„Nein mach nur, wir kommen zurecht." sagte van Furr und Karolus verließ die beiden wieder.

Van Fur nahm beide Dosen und warf sie Jorge eine nach der anderen zu, der sie auffing. Obwohl die Dosen nicht besonders groß waren, so war das Gewicht der Behälter doch überraschend hoch. Er hätte fast eine Dose fallen lassen. Der Inhalt rasselte leise.

„Machen sie bitte eine auf."

Jorge tat wie van Furr ihn gebeten hatte. Er sah hinein und konnte erkennen, das die Kapseln darin silbrig schimmerten. Er ließ eine davon auf seine Handfläche rollen und betrachtete sie näher. Die Hülle war durchsichtig und der Inhalt schien Staubfein und metallisch zu sein. Als das Licht der Sonne auf die Kapsel fiel, fing der silberne Inhalt an grünlich zu glitzern.

„Woahh," staunte er, „sieht das cool aus! Was ist das für ein Zeug?"

„Das sind Naniten, winzig kleine Maschinen, die die schadhaften DNA-Sequenzen, die für Ihre All­ergie verantwortlich sind, reparieren werden. Sie werden jeden Tag jeweils morgens und mittags abends zwei Stück, mit etwas Flüssigkeit zu sich nehmen. Alles ganz einfach. Die Naniten werden in Ihrem Körper aktiviert und werden dann Zelle für Zelle reparieren. Zwei Tage ist jede Dosis aktiv und wird dann vom Körper assimiliert, wenn die Behandlung letztlich abgeschlos­sen ist werden kei­ne dieser Dinger mehr zu finden sein. Sie müssen eben nur darauf achten, sich ge­nau an den Ein­nahmeplan zu halten."

Van Furrs Anweisungen waren klar und deutlich und Jorge verstand das System. Es musste ein Pe­gel gehalten werden, ähnlich wie bei Antibiotika.

„Ich verstehe. Gibt es Nebenwirkungen?"

„Hm, Ihr Immunsystem wird versuchen die Naniten zu bekämpfen. Sie werden sich also in den ers­ten Tagen etwas fiebrig fühlen. Erhöhte Körpertemperatur, wie bei einer leichten Grippe. Ihr Appetit wird sich vergrößern, denn Ihr Metabolismus wird stark beschleunigt sein.Die Naniten beziehen ihre Energie aus derselben Quelle wie Ihre Zellen. Am besten besorgen Sie sich Traubenzucker, das ist fast pure Energie. Sie sollten sich aber möglichst ausgewogen ernähren. Und Ihre Haare und Fin­gernägel werden eine Zeit lang schneller wachsen, als üblich."

„Damit kann ich umgehen."

„Gut, ich muss aber auf folgendes noch hinweisen! Vermeiden sie während der ersten Woche nach Möglichkeit jeden direkten Kontakt mit Tieren, insbesondere Katzen. Einen allergischen Anfall wollen wir doch vermeiden."

„Das können Sie laut sagen Herr Doktor, der Bedarf ist fürs erste voll gedeckt!" stimmte Jorge zu.

Er erschauerte bei dem Gedanken, noch einmal so außer Gefecht gesetzt zu sein, wie am vorherigen Tag.

„Soll ich sonst noch etwas machen? Schließlich ist es Experiment, ein Feldversuch."

„Sie verstehen wirklich worum es geht. Ja da ist wirklich noch etwas."

Van Furr kramte in einer Schublade und holte ein kleines Buch heraus.

„Sie bekommen von mir dieses Tagebuch. In dem notieren Sie bitte genauestens ihr Befinden, was sie zu sich nehmen, dass muss nicht aufs Gramm genau sein, besondere Vorkommnisse und eventu­elle Veränderungen, die Sie an sich wahrnehmen. Wenn irgendetwas sein sollte, dass Ihnen extrem auf­fällt, dann rufen Sie mich natürlich sofort an, egal wann. Sie haben doch ein Handy?"

Jorge nickte.

„Gut dann gebe ich ihnen gleich sofort meine Telefonnummer!"

Van Furr öffnete das Buch und notierte die Kontaktdaten auf eine der ersten Seiten, dann reichte er es Jorge herüber.

„Gut, ich werde alles so genau aufzeichnen, wie es mir möglich ist." sagte Jorge und nahm das klei­ne Buch vom Doktor entgegen.

„Wann soll es losgehen?" fragte er.

„Sie nehmen jetzt die ersten zwei Kapseln ein."

Jorge starrte auf seine Hand, wo noch immer die eine Kapsel lag, und überlegte. Doch dann schüt­telte er eine zweite aus der Dose und warf die beiden Kapseln ein. Ein Schluck Wasser hinterher und dann hatte er es auch schon herunter geschluckt. Jorge wusste nicht ob er es sich nur einbildete oder ob es echt war, die Kapseln schmeckten ihm jedenfalls unglaublich bitter und hinterließen einen metallischen Nachgeschmack.

„Na denn, Herr Doktor, dann wollen wir mal sehen. Aber am Geschmack sollten Sie noch was dre­hen"

Van Furr strahlte über sein ganzes Gesicht.

„Herr Meijer wir stehen am Anfang von etwas großem. Und Ihr, hm nun ja, Mut kann in Zukunft vielen anderen Menschen helfen."

„Wie geht es jetzt weiter?"

„Hm Sie werden die Kapseln wie besprochen einnehmen, das Tagebuch führen und ihr Leben so weiter führen wie gewohnt. Nächste Woche Montag kommen sie dann zu 20:00 in die Praxis und wir sehen wir uns gemeinsam den Fortschritt an."

„So spät? Wieso denn das?"

„Nun, das hat einen einfachen Grund. Die Nacht über werden Sie bei uns verbringen. Wir werden einige Tests machen und die Naniten, wenn es notwendig ist, anpassen. Das braucht alles seine Zeit. Und in der Nacht haben wir die Möglichkeit uns die Rechenkapazität einiger Großrechner zunutze zu machen. Dienstagmorgen sprechen wir dann das weitere Vorgehen ab."

„Einverstanden. Also, Herr Doktor, wenn dann weiter nichts ist," sagte Jorge und erhob sich, „dann werde ich jetzt gehen." Van Furr betätigte einen Knopf an der Gegensprechanlage.

„Karolus unser Gast verlässt uns. Geleitest du ihn gerade hinaus."

„Jawohl" erklang es scheppernd aus dem Gerät. Van Furr erhob sich und schüttelte Jorges Hand zum Abschied.

„Sie entschuldigen mich Jorge, aber ich muss jetzt weiterarbeiten. Wir sehen uns dann wie bespro­chen am Montag."

„Genauso wie besprochen."

Die Tür öffnete sich, Karolus stand im Rahmen und wartete. Jorge nickte dem Doktor zum Ab­schied zu und verließ dann von Karolus begleitet den Raum. Van Furr setzte sich wieder hin und lehnte sich in seinem bequemen Sessel zurück. Er schloss seine Augen und überlegte angestrengt, warum der Name von Jorges Vater ihn so beschäftigte. Der Name, Nuno, da wurde irgendeine Seite in sei­nem Verstand angeschlagen, aber wie am vorherigen Tag wollte sich einfach die Lösung nicht fin­den lassen.

„Verdammt, ich komme noch darauf, dass weiß, ich so wahr ich meines Vaters Sohn bin!"

„Sagen Sie mal Herr.." Jorge konnte seine Frage nicht vollenden, da wurde er unterbrochen.

„Einfach nur Karolus, das ist schon in Ordnung."

„Hm gut, also Karolus, was ist eigentlich mit Ihrer Kollegin, ich habe sie ja gar nicht mehr gesehen und ich wollte mich doch auch von Ihr noch verabschieden."

„Katti?! Die ist schon seit heute morgen unterwegs. Sie muss allerhand außerhalb erledigen."

„Ah so, schade. Hat sie eine Sonnenallergie oder so was."

„Wie, öh, ach Sie meinen, wegen diesem Schleier, den Sie trägt?" Jorge nickte. „Nein, nichts der­gleichen, ist wohl was religiöses, Sie verstehen sicher. Ist für unsere Patienten erst etwas ungewohnt gewesen, aber man gewöhnt sich daran."

Die beiden verließen das Haus und trafen auf dem Hof Paschulke den Taxifahrer, der von Karolus gerufen worden war.

„Paschulke wird Sie nach Hause fahren. Machen Sie sich wegen der Kosten keine Gedanken, dass ist bereits alles geregelt."

Jorge glotzte Paschulke erstaunt an. Er hatte schon die Gerüchte gehört, dass einer der Taxifahrer in der Stadt eine etwas absonderliche Gestalt haben soll. Wie ein Wolfsmensch, Bulldogge, oder einige Witzbolde hatten behauptet, dass er wie ein Chihuaha aussehen sollte. Doch hatte er das bislang für billiges Gewäsch gehalten und nun stand wohl dieser Mann tatsächlich vor ihm. Absonderlich sah er schon aus, aber bei weitem nicht so grässlich wie manche Beschreibungen es vermuten ließen, eher das Gegenteil war der Fall. „Muss wohl ein eine Art Maske sein. Kein plastischer Chirurg wür­de soweit gehen? Es sieht aber so verdammt echt aus." Der Mann lächelte freundlich Jorge an, er entblößte dabei ein eindrucksvolles Gebiss und seine Stimme klang etwas heiser, aber angenehm. Die Freundlichkeit in ihr war zu spüren und echt.

„So ist es Karolus. Ahh sieh an. Schön, dass es ihnen wieder besser geht. Das freut mich doch sehr. Na nun zieren Sie sich nicht, einsteigen und ab die Post ist meine Devise."

Jorge riss sich zusammen, verabschiedete sich von Karolus und stieg in das Taxi. Als Paschulke los­fuhr, blickte Jorge noch einmal kurz zurück und meinte gesehen zu haben, wie ein Vorhang, in ei­nem der Dachfenster, sich kurz bewegte. Und er meinte eine Hand gesehen zu haben. Hinter der Praxis sah er dann noch einen alten Kasten. Das Gemäuer sah ziemlich finster aus und schien halb verfallen zu sein, aber einige Gerüste waren aufgestellt, es sollte wohl wieder hergerichtet werden. Das Taxi fuhr um eine Kurve und die Gebäude verschwanden aus seinem Blickfeld. Jorge setzte sich wieder richtig hin. Seine Hand fuhr automatisch in Innentasche um seine Sonnenbrille hervor­zuholen, doch er griff ins Leere. Er klopfte seine Jacke ab, Börse und Schlüssel waren da, nur die Brille nicht.

„Verdammt, dachte er, muss wohl im Zoo verlorengegangen sein. Na, zu Hause hab ich ja noch Er­satz." Mit halbem Ohr hörte er dem Geplapper von Paschulke zu, stimmte gelegentlich in dessen Lachen ein, wenn der Mann einen Witz erzählte, blieb ansonsten aber stumm und hing eigenen Ge­danken nach. Jorge spürte förmlich von Minute zu Minute, wie sich sein Körper weiter aufheizte. Was immer die Naniten in seinem Körper auch machten, es erzeugte wirklich ein hübsches Fieber, aber ohne das sonst übliche dumpfe, schummrige Gefühl krank zu sein, nein quicklebendig und zu allen Schandtaten bereit, „High Spirits" schien passend zu sein. Sein Magen knurrte, obwohl er noch nichtmal vor einer Stunde sich den Wanst vollgeschlagen hatte.

„Gott, da wird gleich der Kühlschrank aber geplündert werden!" Schoss es ihm durch den Kopf und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.Schließlich gelangten sie bei seinem Wohnort an. Auf der anderen Seite der Stadt gelegen.

„So, da wären wir," sagte Paschulke. Jorge wollte nach seiner Brieftasche greifen, als er sah wie Pa­schulke den Taxameter auf „Bezahlt" stellte. „Lassen Sie Stecken, der Doktor übernimmt die Kos­ten! Und hier ist meine Karte, wenn sie mich brauchen einfach nach Paschulke fragen und dann komme ich auch schon."

„Ah, danke ich werde daran denken, versprochen!" sagte Jorge als er ausstieg.

„Und mein junger Freund, wenn der Doktor sie behandelt wird alles gut, glauben Sie mir. Er hat mich von üblen Rückenschmerzen befreit. Er kann wahre Wunder vollbringen!" fügte Paschulke hinzu.

Trautes Heim

Eine gemütliche Vorstadtsiedlung mit vielen Einfamilienhäusern, die von großen Grundstücken um­geben waren, wie es in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts üblich gewesen ist. Jorge be­wohnte dort eine hübsche kleine Einliegerwohnung. Die Miete war erfreulich niedrig, denn seine Vermieter waren ein älteres Ehepaar und als Gegenleistung erledigte er gerne für die beiden die Pflege des Gartens und auch andere Gefälligkeiten, wie einkaufen oder kleine Reparaturen. Die Hansen's hatten ihn quasi adoptiert, und Frau Hansen, die darauf bestand Tante Hetti genannt zu werden ließ es sich nicht nehmen ihn zwei, dreimal die Woche zu bekochen. Gregor, ihr Mann, stand kurz vor der Pensionierung und war ein hohes Tier in der Verwaltung der Stadt. Auf Men­schen, die ihn nicht kannte, wirkte er immer etwas hölzern und barsch, aber niemand stellte seine Führungsqualitäten in Frage. Gregor hatte einen gutmütigen Charakter und gelegentlich kam er abends zu Jorge herüber und beide unterhielten sich dann über Gott und die Welt, bei dem einen oder anderen Bier.

Als Jorge die Haustür öffnete stand Tante Hetti bereits im Hausflur und schaute ihn besorgt an.

„Jorge, wo kommst du denn jetzt her, wir waren so besorgt. Deine Mutter konnte dich auch nicht er­reichen, sie hatte uns gestern Abend angerufen, weil du sonst immer mit Ihr telefonierst, nur gestern nicht."

Er sah die Frau genauer an und bemerkte wie gerötet Ihre Augen waren, hatte sie geweint? „Woah, typisch Tante Hetti und Ma ist auch nicht besser, beide sind immer so besorgt um mich." dachte Jor­ge. „Und Ausreden werden nichts bringen. An Tante Hetti ist ein Lügendetektor verlorengegangen." Er fügte sich in das Unausweichliche.

„Offen gesagt, Tante Hetti, gestern hatte ich im Zoo einen Anfall." Ihr Gesicht entgleiste etwas bei diesen Worten, natürlich wusste Sie dass er Allergiker war. „Nichts super weltbewegendes," ver­suchte er sie zu beruhigen, „aber ein Arzt, der zufälligerweise dort war, hat mich zu seiner Praxis mitgenommen, um sicher zu gehen, das wirklich alles in Ordnung ist. Die Untersuchungen haben dann doch viel länger gedauert als anfangs gedacht. Es war sehr spät geworden und er hat mir eine Übernachtung angeboten. Das Angebot konnte ich nicht ausschlagen."

„Aber ein Telefon hat er nicht gehabt?" Der Vorwurf kam berechtigt.

„Jaha, ich weiß, schuldig, schuldig, schuldig in allen Anklagepunkten." Bevor Jorge noch mehr sa­gen konnte knurrte sein Magen erstaunlich laut.

„Na hör sich das mal einer an. Wann hast du denn zuletzt etwas gegessen? Hat dich der Arzt bei sich übernachten lassen, aber für ein Frühstück hat es nicht gereicht, na dass muss ja einer sein, tststs!"

„Gar nicht wahr, ich habe gefrühstückt!"

„Humbug, mein Junge, du kommst erstmal herein und isst einen ordentlichen Happen!"

Die resolute Frau ließ keine Wiederworte von Jorge zu und zerrte ihn geradezu in ihre Küche, wo sie ihm, ein nach ihrem Verständnis, ordentliches zweites Frühstück vorsetzte, das er hungrig ver­putzte. Zudem bemerkte sie seine erhöhte Temperatur. Sorgenvoll runzelte sie ihre Stirn und ehe er es sich versah, brachte sie ihn in eines der Zimmer ihrer erwachsenen Söhne. Die waren zwar schon lange ausgezogen, aber ihre alten Zimmer waren immer noch voll möbliert und wurden als Gäste­zimmer genutzt. Jorge versuchte Tante Hetti zu beruhigen und versicherte ihr dass alles so in Ord­nung sei, aber sie gab keine Ruhe und bestand darauf, das er sich hinlegte. Schnell hatte sie einen Pyjama hervorgekramt und ihm hingelegt und Jorge fügte sich. „Wir sind Borg, .... Widerstand ist zwecklos!" der Satz schien irgendwie auch auf seine Vermieterin zuzutreffen. Wenig später lag er im Bett. Die beiden Behälter mit den Kapseln hatte er auf den Nachttisch gestellt. Tante Hetti kam wie­der herein und brachte ein Glas und eine Flasche Mineralwasser mit.

„Was ist das?" fragte sie und deutete auf die beiden Dosen.

„Das ist meine Medizin und die ist auch der Grund für die erhöhte Temperatur. Mir geht es wirklich gut. Der Arzt hat mir dieses Zeug verschrieben. Es soll mich von der Allergie heilen. Und er hat auch gesagt, das es einige Symptome einer fiebrigen Erkältung geben wird. Aber ich fühle mich gut."

„Behandlung deiner Allergie! So, so, was ist das überhaupt für ein Arzt? Doktor Mexer, Dr. Kronen­berg oder Dr. Storm?"

„Ne, keiner von denen, Dr. van Furr, Kuckucksgasse 12."

„Kuckucksgasse? Hm da gibt es nur ein Anwesen. Das alte verlassene Landgut der Familie Wolfin­ger. Ein unheimlicher Ort. Es ist seit 1945 verlassen. Und dort hat dieser van Furr seine Praxis?"

„Mhm! Das Herrenhaus wird wohl renoviert. Die Praxis ist in einem weiteren Gebäude, nicht be­sonders groß, aber Top, was die Ausstattung betrifft"

„Wenn das so ist, dann ist es ja gut. Du bleibst heute aber hier. Ich rufe mal bei deiner Mutter an, Sie wird beruhigt sein!"

Mit diesen Worten verließ sie ihn und Jorge drehte sich auf die Seite und schlief bald darauf ein. Wieder hatte er diesen Traum von der Jagd, doch dieses mal endete der nicht mit seinem Siegesruf.

.... Seine Beute hatte das Maul bedrohlich geöffnet. Er stieß sich mit seinen kraftvollen Hinterbei­nen ab, und sprang auf seine Beute zu. Dabei wich er im letzten Augenblick, dem schnappendem Ge­biss des Tapirs geschickt aus und erwi­schte mit seinem Maul die Kehle des großen Tieres. Seine Reißzähne gruben sich tief in den musku­lösen Hals und zerfetzten die Halsschlagader des Tapirs, der augenblicklich tödlich ver­letzt zu Bo­den stürze und röchelnd seine letzten Atemzüge tat. Die Beine seines Opfers zuckten noch kurz, als wenn es noch zu einer letzten verzweifelten Flucht an­setzen wollte und dann erstarben auch diese letzten Zeichen von Leben. Jorge hielt noch kurz den Hals seiner Beute mit seinem Maul. Als er mit seinen Schnurrhaaren keine Bewegung mehr spürte, ließ er von seinem Opfer ab und leckte sich die Schnauze. Das warme Blut schmeckte süß und me­tallen. Er hob seinen Kopf und schrie seinen Tri­umph hinaus, und ein anderes Wesen antwortete ihm, nicht minder kraftvoll klingend als er selbst. Er hörte neben den Geräuschen des Dschungels kurz darauf ein kaum vernehmbares Tapsen und durch das dichte Unterholz bemerkte er eine weite­re schwarze Gestalt, die tief geduckt heranschlich. Zwei Gelbe Punkte blitzten im Grün auf und ein leises Grollen erklang.

Verschwitzt wachte Jorge auf und musste sich zum wiederholten mal an diesem Tag orientieren. Dann sah er die Dosen mit den Kapseln, schaute auf den Wecker und sah, dass es 12 Uhr war.

„Huh, wird Zeit für die Medizin!"

Sein Magen knurrte wieder wie ein wildes Tier.

Tante Hetti hatte wirklich bei seiner Mutter angerufen und Ihr bereits das meiste mitgeteilt, doch am Montagabend rief er zur gewohnten Zeit bei Ihr an. Er hatte sich dafür aus der Wohnung der Han­sen's verkrümelt und war wieder in seinen eigenen, nun, wenn auch nur gemieteten, vier Wänden und hatte sich vor seinen Rechner gesetzt. Skype war schnell angeschaltet und die Maus schwebte über der Telefonnummer.

„Phu, Ma wird mich durch den Hörer ziehen." murmelte er, dann nahm er seinen Mut zusammen und wählte die Nummer. Er musste nur kurz warten, dann ertönte die Stimme seiner Mutter aus dem Kopfhörer.

„Meijer hier."

„Ma, hallo ich bin's Jorge."

„Jorge mein Junge, was machst du nur für Sachen!"

„Tante Hetti hat dir doch alles erzählt, du weißt also ganz genau was ich mache!"

„Frau Hansen ist eine sehr nette Dame und du kannst dich glücklich schätzen, solche Vermieter ge­funden zu haben."

„Ma, da hast du Recht!"

„So, Burschi, jetzt erzähl mal, was ist das für ein Arzt, der dich eingefangen hat?"

„Tja, wo fang ich am besten an. Also, Sonntag war so ein schöner Tag gewesen und da über....."

Das Gespräch dauerte seine Zeit, und Jorge berichtete seiner Mutter ausführlich was geschehen war. Ein paar Details ließ er aus, wie zum Beispiel, dass er das Versuchskaninchen spielte und über die Naniten, die seine DNA reparieren sollen. „Was Ma nicht weiß, macht sie nicht heiß! Es ist besser so."

Die Hetzerei

In den darauffolgenden Tagen spielte sich sein Leben wieder ein. Seine Körpertemperatur blieb hoch, fast 40 °C, doch er fühlte sich super. Tante Hetti war nur schwer davon zu überzeugen, dass er nicht kurz vor dem Exitus stand, doch sein extrem guter Appetit überzeugte sie schließlich vom Ge­genteil. Er kaufte wie üblich für die Hansen's mit ein, packte aber doch einiges dazu. Er verschlang Unmengen, Tante Hetti machte sich natürlich weiter Sorgen. Doch er versicherte Ihr, das alles Gut sei und da Sie befürchtete er würde verfetten, stellte er sich vor ihren Augen auf eine Personenwaa­ge und was dabei herauskam überraschte ihn auch, 85 kg, er hatte fünf, nochmal, FÜNF Kilogramm abgenommen! Insgeheim hatte er mal Kalorien gezählt. Am Dienstag hatte er 5500 Kilokalorien verputzt, am Mittwoch waren es über 7000, danach hörte er auf, das Ausrechnen der Kalorienwerte war verstörend geworden. Als er nämlich den Wert für den Donnerstag am Computer berechnet hat­te, bemerkte er erstaunt, dass er währenddessen zwei Tafeln Schokolade, wenn auch sehr billige, ge­radezu inhaliert hatte. Auch die anderen Nebenwirkungen, die van Furr angekündigt hatte traten zu­tage. Abends schnitt er sich die Finger- und Zehennägel und am nächsten Morgen waren Sie 10 Mil­limeter gewachsen. Seine Haare ebenso. Hatte er am Wochenende noch eine Kurzhaarfrisur gehabt, so waren Sie am Freitag bereits schulterlang und er band sich die Haare zu einem Zopf zusammen. Das Haar wuchs sehr dick und schien auch dichter zu sein. Am Mittwoch war er kurz erschrocken, als er beim Haarewaschen ganze Büschel davonschwimmen sah. Doch als er es näher hinsah, waren keine Haarwurzeln zu sehen. Es sah wie abgeschnitten aus. Er überlegte warum und wieso und die einfachste Erklärung die er sich ausknobeln konnte war, dass sich sein Haar verändert hatte und die­se Änderung nun eine Sollbruchstelle darstellte. Eine Grenzlinie.

„Soll mir nur Recht sein, solange ich keine Glatze bekomme."

Die Kapseln nahm er wie angewiesen und pünktlich wie nach einem inneren Uhrwerk. Morgens um 4 Uhr wachte er auf egal wie spät es am Abend vorher war und fühlte sich ausgeruht und fit und schluckte die ersten zwei des Tages, Mittags exakt um 12:00 Uhr nahm er die nächste Portion und abends um 9 schluckte er die beiden abschließenden Kapseln. Keine Ausnahme, es waren immer exakt die gleichen Uhrzeiten, das war ihm irgendwie unheimlich.

Die Woche verging rasend schnell, und ehe Jorge es sich versah war schon wieder Montag und er war auf dem Weg zu seinem Termin. Er war ziemlich früh losgegangen und wollte zu Fuß zur Pra­xis gehen. Ein Taxi wollte er nicht nutzen und Busse nahm er nur ungern. Das Wetter war schön und die paar Kilometer konnte er auch joggen. Er hatte Frau Hansen Bescheid gegeben, dass er die Nacht über fort bleiben würde. Ein paar Klamotten packte er noch in einen Rucksack und verließ dann das Haus. Er Schritt schnell aus und kam gut voran, bis er einen Hund kläffen hörte. Das Kläf­fen wurde lauter und da sah er auch schon einen Jack Russel vor sich auftauchen, der eine schwarze Katze die Straße entlang jagte, genau auf Jorge zu. Das verängstigte Tier hatte Jorge auch schon er­reicht und sprang ihn an. Jorge taumelte zurück und schrie erschrocken auf, als die scharfen Krallen der Katze durch den dünnen Stoff seiner Kleidung drangen und in seine Haut fuhren. Sie kletterte an ihm hoch und als er versuchte sie zu packen, biss die panische Katze ihn in die Hand, zerkratzte sein Gesicht und sprang auf eine Mauer. Der Jack Russel sprang ebenfalls an ihn hoch und kläffte blind vor Jagdtrieb, Jorge verlor das Gleichgewicht und setzte hart auf. Der kleine Hund wandte sich der Mauer zu und sprang immer wieder hoch und bellte die Katze an. Das verängstigte Tier hatte die Ohren zurückgelegt und sein Fell sträubte sich. Sie fauchte und spuckte den kleinen Kläf­fer böse an. Doch langsam schien sie zu begreifen, das sie vorerst vor Ihrem Feind in Sicherheit war und schien mit ihren Blicken sich bei Jorge für den rüden Angriff entschuldigen zu wollen. Sie Mi­aute. Jorge betrachtete fasziniert diese kleine Göttin. Die Katze hob ihren Schwanz und stolzierte auf der Mauerkrone noch kurz herum, ganz und gar von sich eingenommen und strafte den Hund mit Nichtbeachtung, der wurde dadurch noch mehr angestachelt. Dann sprang die Katze auf die an­dere Seite der Mauer und verschwand. Jorge rappelte sich auf und besah sich den Schaden. Sein Sweatshirt wies einige Risse auf genauso wie sein t-Shirt darunter. Rote Striemen wurden sichtbar. Die Krallen der Katze hatten tiefe Spuren hinterlassen. Seine Hand pochte und war irgendwie nicht so beweglich wie zuvor. Aus vier kleinen Löchern tropfte Blut und sie schwoll bereits an. Reflexar­tig hob er die verletzte Hand zum Mund und saugte an den Wunden.

„Autsch, verdammt, verdammt, verdammt." fluchte er.

Dann spürte er etwas. Seine Nase, sie kribbelte wie verrückt.

„Ah hah, haah, Atschuh" Er nieste laut, so laut, dass sogar der kleine Kläffer erschrocken zusam­menzuckte, herumfuhr und das Bellen vergaß. Der Hund setzte sich auf seine Hinterbeine, legte sei­nen Kopf schief und betrachtete neugierig den Menschen vor sich. Seine kleinen Nasenflügel zuck­ten.

„Oh nein, nicht jetzt! Einen Anfall kann ich jetzt nicht gebrauchen." maulte Jorge.

Seine Nase lief wie verrückt. Mühsam versuchte Jorge sein Gleichgewicht zu finden, er lehnte sich gegen die Mauer. Die Geräusche der Stadt versuchte er auszublenden. Ihm war etwas schwindelig, die Sicht verschwommen und sein eh schon aufgeheizter Körper schien noch mal ein paar Grade heißer zu werden. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Doch plötzlich stoppte das Kribbeln und er konnte wieder klar sehen. Seine Gedanken klärten sich und er nahm seine Umge­bung wieder bewusst wahr. Ein Knurren ließ ihn erstarren und er sah wie der kleine Hund plötzlich seine Zähne fletschte. Die Nasenflügel bebten und das Fell des Tieres sträubte sich. Der Jack Russel war aufgesprungen und stand mit steifen Beinen vor Jorge und die kleinen Augen funkelten. Jorge hatte im Zoo schon mal eine ähnliche Situation gesehen, bei der Fütterung des Wolfsrudels, als ei­ner der Rüden ein besonderes Beutestück verteidigte, sah dessen Gegner ähnlich aus.

„Was ist denn mein Kleiner, ich tue dir doch nichts." Mit sanfter Stimme wollte Jorge den Hund be­ruhigen, irgendetwas hatte das Tier gereizt. Das Knurren wurde lauter und Jorge begriff, dass der Hund es ernst meinte und bei einer falschen Bewegung von ihm zum Angriff übergehen würde. Ein fremdartiges Gefühl machte sich in ihm breit, ein Gefühl, dass ihn zu einer Aktion zwang. Angst, es war Angst, aber eine andere Art von Angst. Diese aufkeimende Angst war tiefer, wilder, nicht von menschlicher Logik, sie war animalisch geprägt, ein Instinkt. Und dann übernahm dieser Instinkt Jorge und ob er wollte oder nicht, er musste reagieren. Und das tat er auch. Er warf schnell einen Blick in eine Richtung, täuschte einen Sprung in eine Richtung an und sprintete dann in die entge­gengesetzte Richtung los. Der Jack Russel war währenddessen in die angetäuschte Richtung ge­sprungen und sein Kiefer schnappte, mit einem deutlich vernehmbaren Klacken, in die leere Luft, wo einen Augenblick zuvor noch Jorges unverletzte rechte Hand gewesen war. Jorge sauste wäh­renddessen wie ein geölter Blitz davon. Er hörte ein schepperndes Geräusch und ein Jaulen. Er warf einen kurzen Blick über seine Schulter und sah wie der Jack Russel sich aufrappelte, mehrere Müll­tonnen waren umgekippt und gegen ein parkendes Auto gefallen. Das kleine Tier schüttelte kurz seinen Kopf und nahm dann laut kläffend die Verfolgung auf. Der Hund war zwar klein, aber ver­flucht schnell und sauer! Jorge lief so schnell er konnte doch der Kleine holte auf. Fieberhaft über­legte wo er das Vieh vielleicht abhängen konnte. Jorges Atem ging schnell und doch gleichmäßig, doch er war sich sicher das mörderische Tempo nicht mehr lange durchhalten zu können. Er war sehr überrascht überhaupt so schnell zu sein. Er schlug einen Haken und sprang auf die Motorhaube eines Golf, und schlitterte die Beine voran auf die andere Seite, stürzte auf die Fahrbahn, rollte sich geschickt ab und war unversehens wieder auf den Beinen. Ohne Zeit zu verlieren lief er weiter.

„Gott sei dank kein Verkehr. ... Mist, die kleine Töhle gibt nicht auf."

Das Kläffen war nur kurz unterbrochen gewesen, als der Hund auch denselben Weg nahm wie Jor­ge. Ein paar Passanten betrachteten die Szenerie irritiert, die Leute unternahmen aber auch nichts dagegen. Einige Spaziergänger, die ihre Hunde ausführten hatten Mühe diese zurückzuhalten. Jorge lief mehr als einmal knapp an einem schnappenden Gebiss vorbei.

„Was ist denn mit den Viechern nur los?" fragte er sich, als er wieder um eine Ecke bog, wo war er nur? Hatte er sich in der Stadt, in der er schon einige Jahre lebte, verlaufen? Da sah er eine grüne Wand vor sich aufragen. Der Park!

„Da muss ich hin!" dachte er und war sich doch nicht sicher wieso es ihn dorthin zog.

Das Grün versprach Sicherheit, klare Gedanken verschwammen, das Grün und nur das Grün zählte. Rationales Denken trat in den Hintergrund der Instinkt, der ihn in diese Lage gebracht hatte über­nahm wieder das Kommando. Der Straßenlärm war ausgeblendet und ohne zu überlegen lief er auf die breite Straße. Die quietschenden Bremsen, das wütende hupen zu Tode er­schrockener Fahrer, eine kreischende Frauenstimme, all das hörte er nicht, er lief und der Hund hin­terher. Der beißende Geruch verschmorten Gummis, heißgelaufener Motoren und Motorabgase quälten seine Nase. Die erste Hälfte der Straße hatte er überquert, als er ein Licht aufflammen sah. Ein LKW, der Fahrer be­tätigte Hupe und Lichthupe zugleich, die gewaltige Masse des Fahrzeuges wehrte sich gegen die Bremsversuche des Mannes, Jorge holte tief Luft, spannte seine Beine zu ei­ner letzten Anstrengung an und sprang. Seine Sinne setzten kurz aus, es wurde Dunkel um ihn, er hörte einen dumpfen Schlag, das Jaulen eines gequälten Wesens, etwas erfasste ihn und schleuderte ihn zur Sei­te. Sein Denken setzte kurz wieder ein „Vorbei!", dann Dunkelheit.

Fortsetzung folgt!