Kapitel 6 - Die Taschenuhren

Story by Schneewind on SoFurry

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#2 of Bonnie und Clyde - Eine Werwolfsromanze


"Hooow, sie ist ganz schön stur!", lachte Scooter und trat aufs Gas. Sein Schlepper zischte und grollte, als sich alle vier Räder in den Grund gruben und ein halbes Jahrhundert Schmutz an die Hauswand schleuderten. Brian sah die Straße hinab und fragte sich, was zur Hölle sie da trieben. Am hellichten Tage, auf einem wahrlich pompösen Grundstück im verlassenen Stadtteil, mit einer Villa voll frischem Dreck an der Fassade, nur weil Jamie einen Leichenwagen gesehen hatte, den er haben wollte.

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Der lehnte gerade an einer Säule und grinste mit seinem Wolfsgebiss. Ein Stein hatte ihm den Zylinder vom Kopf geschlagen und sein graues Haar stand in alle Richtungen. Brian schmunzelte. Ziemlich geil. Der Ford des Schrottkönigs quitschte und schwankte, als er den schwarzen Grabesschlitten aus dem Erdreich riss, eher schleifte als rollte und die Frontachse über die Auffahrt schabte. "Sieh mal an, da ist ein Cadillac unter all dem Bullshit." knurrte Jamie freudig und trat die Scheibe ein.

Seine Augen leuchteten im Glasregen und in nur einem Atemzug hatte er die Fahrertür entriegelt und aufgerissen. Die Sitzbank war verstaubt, immerhin aber nicht feucht, und das Armaturenbrett blind wie die Windschutzscheibe. Scooter stieg von seinem Ford herunter und machte sich an der Motorhaube des Cadillacs zu schaffen. Brian gesellte sich zu ihnen. Kein Schlüssel, die Batterie tot und der Schlamm bis zum Kühler. Nun, niemand hatte erwartet, den Leichenwagen vom Grundstück zu fahren. Das funktionierte nur auf dem History Channel und außerdem hatten sie ja Scooters Schlepper.

"Wouuuuw!" lachte Jamie und schlug die Hände zusammen. Ein 63er Cadillac, hoher Grill und schwarze Heckflossen. Das Friedhofstrim an den Seiten war vermost und der Rost troff vom Dach. Nichtsdestotrotz, es war ein Drache. Finster und gewaltig wie ein Gewitter. Böse wie ein Grizzly auf Meth. Eines jener Automobile, die vielmehr Feuer spien, als bloß grollten, und deren Motoren schon seit zwanzig Jahren auf Dragstrips in allen Staaten donnerten. Jetzt bewegte sie sich allerdings keinen Meter. "Aight, let´s get ´er the fuck out ´here." Brian schlug die Motorhaube zu und stieg über die gußeisernen Torflügel hinweg, die in einem Haufen Metallsplitter im Kies lagen. Scooter hatte den Zaun in seinem Drei-Tonnen-Truck schlichtweg umgefahren. Der Firebird polterte die Auffahrt hinunter, schlitterte durch ein Beet und kreischte, als die Reifen in den Asphalt bissen. "Wouuuw" heulte der Wolfsjunge noch einmal, und fühlte sich wunderbar wild. Brian grinste glücklich und drehte das Radio auf.

Hinter ihnen blubberte Scooter, ein wenig vorsichtiger allerdings. War nicht so, als fürchtete er ernsthaft um den Cadillac. Schließlich nicht seiner. Aber der Wagen war schwer wie eine Abrissbirne und die Reifen nach all den Jahren nicht mehr rund. Der Vergleich war gar nicht mal so abwegig, bedachte man, dass der Schlitten an einer Stahlkette hinterherschwang und im Vorbeifahren schon eine Laterne und einen Briefkasten zerschlagen hatte.

Er salutierte, als sie sich an der Abzweigung zu seinem Schrottplatz trennten. Der Leichenwagen rauschte nur um eine Haaresbreite an Brians Heck vorbei und Jamie verzog das Gesicht. Den zu reparieren würde nicht einfach.

  • -

Jamie stand bis zu den Knöcheln im Herbstlaub, eine Lichterkette in den Händen, und träumte. Von Zunder und dem Winter, der einmal mehr über die Berge zog und hauchfeinen Schnee ins Taal wehte. Da standen eine Lärche und zwei Birken in seinem Backyard, die die schönsten Herbstfarben angenommen hatten und selbige nun wieder verloren. Es war still.

Er stieg auf einen Stuhl unter der Lärche, bemüht keinen der Zweige abzubrechen, und ließ die leuchtenden Glaskörper durch seine Finger zwischen die Nadeln wandern. Das blasse Orange des Laubes und das helle Glühen der Lichter im kalten Schein des Winters... Jamie hielt inne und knurrte glücklich. Würde hübsch aussehen, oben aus dem Fenster des unbenutzen Dachzimmers. Mochte ungeheizt sein, aber das störte ihn nicht mehr.

Der Wolfsjunge legte den Kopf in den Nacken und sah zu den Wipfeln empor, in Schnee und Nadelstaub, der ihm das Haar bestäubte. In seinem Innersten erstickte er ein Heulen. Zunder. Er hatte die Füchsin nicht mehr wiedergesehen, seitdem sie damals im Wald verschwunden war. Oh, die wenigen Momente in der Villa Growlingwood waren aufregend gewesen, wie noch Nichts in seinem Leben.

Schöner noch, als in seinen wildesten Träumen, denn sie waren echt. Wild. Ungetrübt von all den Ängsten und anständiger Zurückhaltung. Das Gefühl von weichem Fell, scharfen Zähnen und der rauen Zärtlichkeit eines Fabelwesens - Und er konnte alledem mit wölfischer Zuneigung und Gewandheit begegnen, wohl wissend um die eigene Stärke, um all das Glück.

Der Wind nahm zu, trieb Laub und Nadeln an ihm empor in die Äste, und stieß ihn aus seiner Balance. Kand, der Wolf, landete in einer Wolke Blätter im Gras. Und er blieb liegen. Denn vor ihm, gehüllt in Schneegestöber, so viel dichter als es im Wetter möglich schien, stand Zunder. Ihre Augen flackerten in der frühen Dämmerung und ihr Fell sträubte sich vom Schwanz bis zu den spitzen Ohren entlang der Böhen.

Ein, zwei Atemzüge verharrten sie dort, bis sich die Blätterwirbel legten und Stille einkehrte. Kand auf dem Rücken in Schneestaub und Laub, Zunder auf den Hinterpfoten mit dem Winter um die zarten Flanken. Das Fell des Wolfes knisterte und feine Rußflocken stoben von seinen Läufen, als er sich aufrichtete und der Füchsin schüchtern entgegentrat. Zunder begnete ihm mit einem Blick, der ihn Funken sprühen ließ, und stieß ihn sanft mit der Schnauze an.

Über die Veranda und von Sims zu Balkon, sprangen sie in einem Eisschauer durch das Fenster des Dachzimmers, hinein ins Halblicht auf den Holzbohlen. Im kalten Schein darunter fanden sie, kaum eine Handbreit voneinander, einen beschiedenen Ort um sich niederzulassen. Der Speicher war nicht groß, gerade einmal zwei Meter im Durchmesser und zu den Seiten hin kaum einen Fuß hoch.

Zunders Präsenz schien atemberaubend in dem kleinen Raum, der Glanz ihres Fells und der bezaubernde Duft, den der Wind nicht mehr verwehte. Sie roch nach Wald und nach Regen, nach Fuchs und nach Fabelwesen. Der Wolf zitterte und schmiegte sich schmachtenden Blickes in den wohligen Schatten, während sich das bezaubernde Geschöpf im Winterlicht ausstreckte.

Sie sahen einander an und Kand sprach. Kaum Worte, eher Laute, Gedanken und Funken. Eine Sprache, wie sie nur Fabelwesen und Drachen beherrschten. Er fragte die Füchsin nach dem Wald und den Bergen, nach dem Wind und der Nacht. Nach Dingen, die er nur als Wolf verstand. Und Zunder antwortete. Erzählte ihm von den Jahrzehnten im Winter und den Dächern der Stadt. Leiser, als der fallende Schnee. Traurig, doch mit zärtlichem Unterton zwischen den Zähnen.

"Man mag es mir nicht mehr ansehen, doch in uns allen wandelt ein gestaltloser Feuergeist, der uns leben lässt und die Uhren antreibt."

Einige wenige Schläge wehten herbei und ihre Augen flackerten erneut.

"Versagt der Takt, dann erkaltet auch die Glut und wir werden zu Stein. Es wird erzählt, die Taschenuhr spiele in diesem Moment eine Melodie aus dem Jenseits, die der Seele des Wesen enspricht, das erlischt."

Der Wolf schwieg, sah auf ihr eisiges Fell und in das schwache Glimmen in ihrem Antlitz. Die Füchsin hob den Kopf und fing eine Schneeflocke.

"Einst gab es einen Schlüssel... Geschmiedet von einem Stamm im hohen Norden, lange vor der Zeit der Uhren selbst. Damit war es möglich, die Taschenuhren aufzuziehen."

Oh, sie war so schön. So kalt.

"Doch das Wissen darum ist verloren gegangen, denn er wurde zerbrochen."

Bei diesen letzten Worten sank Zunder müde zusammen und verstummte. Kand stand ihr gegenüber, nun ganz ein Monster. Die Finsternis troff von seinen Lefzen, seine Zähne glühten und Funken tanzten durch sein Fell. Doch kein Laut entwich seinem Rachen, seine Augen blieben dunkel. Er spürte die Schläge draußen im Moos, wie sie ihm durch die Krallen fuhren und an seinen Pfoten zerrten.

width= Er sah die Dämonen, die der Füchsin das Feuer stahlen und an seiner Asche zerschellten. Und da brannte der Wolf. Vom Schwanz bis zu den spitzen Ohren stand er in Flammen. Ein leuchtendes Feuerwerk, wie es Zunder einmal gewesen war. Der Feuergeist toste und pfiff, dass Kands Funken wie flüssiges Gold in alle Richtungen spritzten. Sein schlankes, starkes Wesen bebte, so zart war er in Anbetracht des fürchterlichen Geistes. Doch er war der Geist, es war seine Seele, die dort in Flammen stand.

Es war zwecklos, denn Zunder konnte die Wärme nicht spüren. Noch in der Luft formte sich Raureif um die Feuergarben und Kands Fell ergraute, als der Frost einzog. Die Füchsin sah auf und der Wolf erlosch. Für einige Atemzüge flackerten ihre Augen nicht mehr, leuchteten eher. In das hauchfeine Schneegestöber um ihre Gestalt mischte sich ein Schauer Funken und ihre scharfen Zähne glühten auf. Die Füchsin bot einen Anblick, der Kand das Fell sträubte. So schrecklich, so schön. Kälter als der Winter selbst.

Der Wolf legte die Ohren an, knurrte und in diesem einen Moment, als Zunder der Feuergeist noch einmal durch das eisige rote Fell schien, schmiegte er sich an das zauberhafte Geschöpf, an den Frost und in die sanfte Umarmung. Oh, wie sehr er die Füchsin liebte.

Zunder erwiederte Kands Zuneigung, vergrub die feinen schwarzen Pfoten in seinem weichen Brustfell und bettete ihre Schnauze an der Seinen.

So sie schliefen ein; dort im Halblicht von Reif und Funken, zwei Stränge Feuer und Eis mit weißer Schwanzspitze und spitzen Ohren.

Fußnoten:

Der schwarze Fuchs ist von Culpeo Fox, DeviantArt.

Ein wenig kürzer diesmal, allerdings gibt es auch nicht so viel zu erzählen. Nächstes Mal wirds etwas ausführlicher!