Herz im Kerker

Story by Nathaniel King on SoFurry

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#4 of German Texts

This story is quite personal, yet alternated in it's content to be shared with anybody.

If I get aware of any flaws I will correct them afterwards


Eine alte Tür, von der bereits der Lack und das Holz absplitterten, wurde mit leisem Knarzen der Scharniere geöffnet. Vor ihr ging eine schmale Treppe aus grauem Beton in das Dunkel eines Kellers hinab. Vor ihr stand ein Schäferhund, der mit einer Kralle den Lichtschalter umlegte.

Ein Klicken verbreitete orange-weißes Licht auf dem ebenfalls grauen Betonboden der Treppe und strahlte zum Schäferhund hinauf. Er trug eine weite Jogginghose und ein T-Shirt, beides in eintönigem Schwarz. Hinter seiner Brille ruhten müde Augen, die freudlos zu den Stufen sahen. Sein Fell war ungewaschen. Manche Stellen glänzten fettig.

Nach einem Moment stieg er nahezu lautlos die Treppe hinab. Unten angekommen zog er einen Schlüsselbund aus der Hose, warf ihn in die Luft und schnappte ihn geräuschvoll. Darauf fummelte er schnell mit Zeigefinger und Daumen über die Kanten der Schlüssel, um fast sofort den gesuchten Schlüssel zu packen und die anderen aus seiner Hand fallen zu lassen, sodass sie klimpernd in der Luft baumelten. Der Schäferhund stand jetzt vor einer einfachen, aus Brettern zusammen genagelten Tür. Steine, zwischen denen uralter Mörtel aus den Fugen gerieselt war, umrahmten sie.

An ihr hing ein ebenfalls schlichtes Schloss. Er öffnete es, zog es mit der Linken aus der se und stopfte den Schlüsselbund mit der Rechten zurück in seine Hose.

Sein Blick zu Boden gewandt schob er mit einer Hinterpfote die Tür auf, trat ein, schob sie mit der anderen wieder zu, drehte sich um und schob einen Riegel vor, der von Außen nicht erreicht werden konnte. Mit ebenso mechanischen Bewegungen hängte er das Schloss an einen Nagel in der Wand und betätigte einen weiteren Lichtschalter.

Vor der Tür stehend schloss er mit einem Seufzen die Augen und neigte seinen Kopf nach vorn, als würde er seine Stirn an sie lehnen. Ohne den Kopf zu heben wand er sich dem Rauminneren zu. Er öffnete die Augen und blickte über den Rand seiner Brille, als wäre er ein Welpe der gerade eine Standpauke seiner Eltern erwartete.

Doch in diesem Keller war außer ihm niemand. Von der Decke baumelte eine eingestaubte Glühbirne an einem Kabel, das von zahlreichen Spinnweben und den Leichen der Weber ummantelt war.

Der Raum war niedrig und schmal. Der Schäferhund musste leicht geduckt stehen, um nicht mit den Spitzen seiner Ohren den Dreck von der Decke zu holen. Entlang der linken Wand stand ein langer, breiter Schreibtisch, der über und über mit Büchern, Papier und Schreibgeräten aller Art beladen war. Es lagen Pinsel und Farben durcheinander, Notizen und Skizzen bis hin zu ganzen Bildern und langen Gedichten.

An der hinteren Wand, unter einem scheinbar seit seines Einbaus nicht geöffneten Kellerfensters, ging der Schreibtisch in eine verschmierte Arbeitsplatte über. Sie war wesentlich schmaler, dafür zugestellt mit kleinen Figuren aus Plastik und Zinn. Hier gab es ganze Farbtöpfe, Sprühdosen (die besser an einem gut durchlüfteten Ort genutzt werden wollten), Modellier-Masse, Messer, Scheren, Zangen, Drähte und Kleber jeder Art. Sogar kleine Burgen und Landschaften fanden sich dort, zum Teil noch unbemalt oder im Umbau. Über allem lag eine dicke Staubschicht, die man schon von der Tür aus erkennen konnte.

Und zur Rechten wollte er gar nicht erst hinsehen. Statt eines Tisches oder Regals türmten sich Stricke und Lederriemen. Stangen mit Handfesseln, lange Ketten. Leder, zu Harnisch, Halsbändern und Leinen verarbeitet, manches mit Ringen verziert oder mit Nieten und Stacheln beschlagen. Dazu gesellten sich kleine und große Konstruktionen, an die man einen Körper in scheinbar unzähligen Positionen binden konnte. In Kisten lagerten glänzende schwarze Objekte von verschiedener Form, manche dünn wie ein Finger, andere dick wie ein Arm. Ihre einzigen Gemeinsamkeiten waren scheinbar die Länglichkeit und das Material. Wer es nicht kannte mochte diesen Teil des Raumes für das Lager eines Folterers halten.

Der Schäferhund sah gar nicht hin. Allein das Wissen um diese Seite quälte ihn.

Mit den Händen vergrub er sein Gesicht, während er langsam zu Boden sank. In der Hocke seufzte er noch einmal schwer.

Dann erhob er den Blick und betrachtete alles.

Das waren seine Werke. Seine Arbeit, seine Sehnsucht, sein Verlangen. Und mochte einem auch ein Teil dieses Raumes sich vollkommen von den anderen unterscheiden, für ihn war es gleich, ein und das Selbe.

In seiner Jugend war er experimentierfreudig. Er hatte, von Neugierde getrieben, alles probieren wollen, das er finden konnte.

Doch diese Dinge waren geblieben. Er liebte sie, jedes auf seine Weise. Aber er hatte vor langer Zeit all sein Vertrauen in sich verloren, in sein Können und in seine Gefühle.

Zuerst konnte er seine Fehler nicht mehr von seinen Erfolgen unterscheiden. War der Reim großartig und neu oder konstruierter Unsinn? Dann konnte er seine Werke nicht beenden, Miniaturkrieger blieben ohne Waffen und Pinsel vertrockneten im Farbtopf.

Seine unfertige Arbeit verfolgte ihn so sehr wie seine unerhörten Verlange. Jeder Idee und jedem Neuanfang stellten sie sich in den Weg und schrien: „Was ist mit uns? Uns hast du angefangen und nicht beendet! Wie willst du irgendwas jemals beenden?"

Er wusste es doch. Sie hatten eine Chance verdient. Ich kenne sie ja kaum, ich, ihr Schöpfer! Ich verweigere ihnen ihr Recht sie kennen zu lernen. Und mit diesem Wissen sperrte er alle in den Keller.

Aber es half nichts. Durch die Wände und Stockwerke hörte er sie. Er wollte ein Leben ohne sie versuchen, so viele konnten glücklich sein, ohne die Scham ertragen zu müssen, die ihm diese Lasten geben konnte. Doch es gelang ihm nicht. Und die zum Vergessen Verdammten wussten das. Aus ihren Schreien nach Gerechtigkeit von ihrem Schöpfer wurde rachsüchtiger Spott und Hohn gegen ihn.

Er wollte es ignorieren. Doch etwas, dass dem so tiefem Kern eines Herzens entsprungen war, fand viel zu leicht den Weg dahin zurück.

Jetzt hatte er sich für viele Jahre von ihnen quälen lassen. Sie hatten die Macht ihm jede Freude zu nehmen. Er selbst hat sie ihnen gegeben. Wie Riesen bäumten sich die Figürchen über das winselnde Häufchen Elend, das vor der Kellertür zusammen gesunken war. Lettern schälten sich vom Papier um in einem Reigen um ihn zu tanzen und ihn auszulachen. Dicke Lederriemen, die ihm einmal das Gefühl von Sicherheit gegeben hatten, legten sich nun um Hals und Glieder, schnürten ihm die Adern zu und verwehrten ihm die Luft zum atmen.

Sie hatten ihn einfach nicht gehen lassen. Trotz ihres Spotts hatte er sie irgendwie vermisst. Und jetzt war er gekommen um sich seiner gerechten Strafe zu stellen.

Je länger er weinte, desto weniger bedrohten und quälten ihn seine Gefangenen. Und je mehr er ihn zu ließ, desto schwächer wurde der Schmerz. Irgendwann hob der Schäferhund den Kopf. Das Fell auf seinem Gesicht war von Rotz und Tränen durchtränkt, die Brille völlig verschmiert. Stunden mochten vergangen sein. Er spürte, wie die Kälte des Betonbodens ihm bis in die Knochen gewandert war.

Seine Gefangenen waren weniger bedrohlich geworden. Ihr Spott war Vergangenheit. Erst jetzt wurde ihm klar, wie fremd ihm sein Eigen wirklich geworden war. Doch sie sahen nun freundlich zu ihm und er spürte, dass sie sich mit ihm versöhnen wollten.

Es würde Zeit brauchen, das wusste er. Aber eines Tages würde er alles in diesem Raum als das seine anerkennen. Und dann würde er erkennen, dass es nichts an ihnen gab, wofür er sich je hätte schämen brauchen. Er würde stolz darauf sein. Das versprach er sich und seinem Herzen.