Für dich alles, Kapitel III — Zerreißprobe

Story by Gleaming Black on SoFurry

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Für dich alles

Kapitel I -- Zwei Telefone

Kapitel II -- Kribbeln in der Brust

Kapitel III -- Zerreißprobe

Kapitel IV -- SOS

Kapitel V -- Wahre Liebe

Kapitel III -- Zerreißprobe

Wieder saß Ronny an seinem kleinen Tisch und arbeitete die Quittungen ab. Wieder saß Yust am Rechner und arbeitete Pläne aus. Wieder kümmerte sich Yesto um den Rest und dass alles seinen Gang verlief. Doch Ron war sichtlich ermüdet von dieser Arbeit. Er stützte seinen Kopf auf der rechten Pfote und sah betrübt auf die Zettelwirtschaft vor ihm. Er sah nur noch grün und weiß. „Denk' dran, dass die Bühne ebenerdig stehen muss. Ich will nicht, dass irgendjemand 'ne Bombe unter dem Gerüst platziert", mahnte Yesto seinen Mitarbeiter streng an. Der Schock saß ihnen noch im Nacken, vielleicht musste auch von einer gewissen Überfurcht die Rede sein. So etwas durfte nicht noch einmal passieren! „Na ja, wir gehen eh erst noch mal vorher mit den Sprengstoffspürhunden durch." Anschließend griff der Chef der Firma zu seinem Motorradhelm, den er dieses Mal mit reingenommen hatte. Der Helm wurde nach vorn länger und hatte eine äußerst dynamische Form. Das war praktisch, doch der Hauptgrund war natürlich, dass er speziell für Kaniden angefertigt war. „Gehst du weg?", fuhr sein kleiner Grauer ihn plötzlich an, ein erschrockener Blick in seinen Augen. „Ja, ich muss die beiden neuen Leibwächter unter die Lupe nehmen, die sich bei uns beworben haben. Das ist eine lange Prozedur, schließlich müssen wir unseren Leuten vertrauen können." Yesto ging auf ihn zu und sah auf den Tisch. Außer, dass Ron einige Quittungen ordentlich perforiert hatte mit dem Quittungsnagel, war noch nicht viel passiert. Er fuhr näher an ihn heran, legte seinen Arm um seinen Rücken und flüsterte in sein graues Ohr. „Bitte gib dir etwas Mühe, Ron, auch wenn es keinen Spaß macht. Du willst doch 'ne gute Bewertung von mir haben am Ende, oder?" Er wollte ihn nicht bloßstellen und sprach daher nur leise zu ihm. Ron seufzte und nickte schwach dazu. „Gib dir 'n Ruck!" Plötzlich klingelte Yestos Diensttelefon. Er nahm es aus seiner grau-weißen Tarnjacke und meldete sich mit seinem Namen und dem Namen der Firma. „Endlich mal eine gute Nachricht." Yesto verschnaufte. „Danke." Als er aufgelegt hatte, wandte er sich an Yust. „Planänderung. Ich fahr' ins Krankenhaus, Alikho ist aufgewacht. Ich muss mit ihm reden." Gerade wollte er losstürzen, da rief Yust ihm aufgeregt zu. „Moment! Was ist mit unserem neuen Klienten? Heut' um 18 Uhr ist doch das Essen." Er aber winkte ab. „Geht nicht, musst du erledigen. Alles andere kann warten." „Das geht aber nicht", widersprach Yust ungern. „Ich hab 'nen Termin bei der Polizei. Sie wollen mich noch mal als Zeugen vernehmen, wegen dem Anschlag." Kaum konnte der Schwarze mit dem weißen Brustfell etwas dazu sagen, da piepste es aus der hintersten Ecke des kleinen Raumes. „Ich kann das doch machen!" Yust drehte sich zu ihm um und sprach verständnislos. „Aber du bist doch gar nicht Zeuge." „Nein nein, ich meine das Essen." Klar, Essen, das tat er gern. Aber das Restaurant de la Passion war nicht Konopke. Es gehörte eher zur Kategorie „Adlon". Yesto versuchte, ihm das zu erklären, ohne ihn zu verletzen. „Deine Hilfsbereitschaft in allen Ehren. Aber um einen neuen Klienten anzuwerben, muss man schon etwas über unsere Firma wissen." Doch auch darauf hatte er eine Antwort parat. „Yust kann mir das doch alles vorher erzählen." Das ganze entwickelte sich zu einer wahnwitzigen Idee. Yesto fragte seinen Mitarbeiter. „Wie hieß der Kerl noch mal?" „Arno Gotz." Yesto geriet ins Grübeln. „Na ja, eigentlich muss er ja nur in unser Werbe-Portfolio schauen, da steht alles drin. Du musst ihm sagen, dass wir eine Firma zum Schutz besonderer Persönlichkeiten sind, sonst nichts. Verrenn' dich nicht in irgendwelchen wirren Erzählungen. Du weißt ja, Reden ist Silber ..." Ron nickte eifrig, dazu ein Grinsen, wie seit langem nicht mehr. „Kannst du das noch mal wiederholen?", fragte sein starker Partner misstrauisch. „Verenn' dich nicht ..." „Nein, nein! Was wir sind!" „Ach so. Eine besondere Firma für beschützte Persönlichkeiten." Yust schlug die linke Pfote auf den Kopf. „Ja ... so ähnlich." Yesto wurde langsam böse. Er redete sich ein, dass sein Kleiner das nicht mit Absicht tat, sondern nur etwas aufgeregt war. „Ron! Gib dir Mühe! Wir haben einen Ruf zu verlieren." Ron entgegnete energisch. „Ich gebe mir Mühe! Er wird ganz sicher unser Kunde sein wollen, versprochen." Der Schwarze musste unweigerlich grinsen. „Wenn du das schaffst, spendier' ich dir ein Essen beim Lonkos-Imbiss." Der Chef beugte sich neben seinen Mitarbeiter und sprach leise. „Was macht der Kerl noch mal?" „Er verkauft ko-Autos ... oder so." Er ließ einen „Aha"-ähnlichen Laut durch seine schwarze Nase erklingen und machte sich drauf und dran, zu gehen. Vorher gab er seinem Liebsten noch einen Kuss auf die Stirn und wünschte ihm viel Glück. Ob dieser Rüde wirklich so eine besondere Persönlichkeit war, war mal dahingestellt. So ganz passte er nicht in das übliche Profil ihrer Kunden. Doch besonders nach dem Vorfall von vor zwei Wochen konnten sie sich keinen noch schlechteren Ruf leisten.

Es goss in Strömen, als Ron vor dem Eingangsportal des Restaurants aus dem Doppeldecker purzelte, der ihn hier hergebracht hatte. Das Purzeln geschah wortwörtlich und so landete die Portfolio-Mappe der Firma in einer Pfütze zwischen Rad und Bordsteinkante. „Mist." Der kleine Graue hob ihn sorgsam auf und wischte die nassen Spritzer vom Papier, wodurch er dieses jedoch nur weiter beschädtigte. Etwas ertappt sah er sich um und entschied, alles Weitere drinnen zu regeln. Der stürzte förmlich in den edlen Saal mit Rot und Gold und sah sich nach einer Toilette um. Nachdem er sie gefunden hatte - er stieß dabei fast mit einem feingekleideten Rüden zusammen, der sich sicher fragte, was ein Winzling wie er in solch einem teuren Lokal verloren hatte - betrat er sie voller Hast. Ron eilte zum Waschbecken mit dem goldenen Wasserhahn und begann, die Akte zu säubern. Dabei stellte er sich jedoch nicht minder ungeschickt an als in so manch einer Schmierenkomödie, denn die Schrift wurde unleserlich und man erkannte seine Pfotenabdrücke. „Ups." Er entschied, es besser so zu belassen und stattdessen zu seinem Tisch zu gehen. Er war schon spät dran.

Tatsächlich saß am Tisch mit der Nummer Dreizehn bereits ein junger, schwarzer Rüde mit gegeltem Kopffell. Er strahlte etwas aus, das auf Ron elegant und reich wirkte. Außerdem war der Typ total selbstsicher, das sah ein Blinder mit Krückstock. Er strich sich das Stirnfell mit etwas Speichel glatt, wie er es aus dem Fernsehen kannte und legte die letzten Schritte langsam und ruhig zurück. Er wollte einmal nicht den Tolpatsch geben, der er war. Er durfte Yesto nicht enttäuschen, dieser Rüde musste ihr Kunde werden, kostete es, was es wollte! „Ha-ha-hallo!", mühte er sich ab und sah verlegen auf den feinen Herrn. Der Hund war jedoch keineswegs alt, er war bestimmt etwas jünger als Yesto, nur wenig älter als er selbst. Er sah zunächst verwundert auf den jungen Grauen. Dann aber änderte sich sein Gesichtsausdruck und er setzte ein gespieltes Lächeln auf. „Ja hallo. Mit wem habe ich denn die Ehre?", fragte er vornehm und ironisch zugleich. Ron, der natürlich vergaß, seine Pfote zu reichen, stellte sich vor. „Ich bin Ronny Jakato und ... arbeite für Yestos Personenschutz." Das war denkbar unglücklich formuliert, denn er war gewiss nicht Yestos Personenschutz. Doch der vornehme Hund verstand sofort und wies ihm an, sich zu setzen. Ron spielte die Akte unwichtig tuend unter den Tisch, denn diesen Scheuerlappen konnte er dem feinen Unternehmer nicht mehr antun. Er musste das also selbst in die Pfote nehmen. „Wir beschützen Sie vor allen Gefahren. Sie brauchen keine Angst mehr haben." Der geschniegelte Rüde sah ihn fragend an. Wovor? Vor dem Monster unterm Bett? „Erlaubst du, dass ich mich vorstelle?" Der Hund stand noch einmal auf, um sich in ganzer Größe zu präsentieren. „Gotz. Arno Gotz. Geschäftsführer der Mökobil AG. Seit 2005 erfolgreich an der Börse." „F-freut mich." Ron verneigte sich wie ein Japaner und lächelte verschmitzt. Oh, das war doch schwieriger, als er gedacht hatte. Aber irgendetwas an diesem Rüden lenkte ihn auch ganz gewaltig ab. War es sein Reichtum? Seine Ausstrahlung? Sein ... Aussehen? „Wir sind ..." Doch bevor auch Ron etwas über seine Firma ... nein, Yestos Firma erzählen konnte, unterbrach ihn der vornehme Rüde mit einer freundlichen Pfotenbewegung. „Ja, das Geschäftliche können wir doch später bereden. Lass uns erst einmal was Ordentliches zu trinken bestellen." Sofort rief er den Ober herbei und das in einem Ton, als wartete er bereits seit anderthalb Stunden. Der pflichtbewusste Ober mit dem Tuch über dem Arm lauschte den Bestellungen. „Zwei Mal Bordeaux Anno 1988." Der Ober nickte und wollte gerade gehen, da mahnte der reiche Rüde streng. „Und ich möchte nicht, dass er korkig schmeckt. Wir sind hier nicht auf der Wies'n! Ach und ... bringen Sie uns gleich noch die Speisekarte!" Er nickte und verschwand. Sofort setzte der Schwarze wieder sein freundliches Lächeln auf und wandte sich Ron zu.

Es klopfte. Ein müdes „Herein" forderte den muskelbepackten Yesto auf, einzutreten. Kurz sahen sich die zwei Rüden still an, dann schloss der Dunkle die Zimmertür wieder. Er lief langsam auf Alikho zu, doch dieser drehte sich zum Fenster um. Eine unangenehme Last lag auf dieser Atmosphäre, der man sich einfach nicht entziehen konnte. Mit Mitleid hatte es nichts zu tun, höchstens mit Anteilnahme. Ein Wolf, so voller Tatendrang und Willen zur Veränderung, gefesselt ans Bett, so wie viele andere. Yesto empfand eine schwere Reue und hielt kurz vor seinem Bett an, um auf die Knie zu gehen. Ja, eine Spur von Unterwürfigkeit war angebracht. Freilich betrachtete er sich nicht als niederrangig, doch er musste ihm veranschaulichen, wie schrecklich es für ihn war und dass er bedingungslos anerkannte, dass er Schuld war. „Es ...", begann der selbstbewusste Anthro und verstummte schon nach dem ersten Wort. Nein, bloß nicht dieser Satz. Das klang wie eine billige Telenovela. Natürlich tat es ihm Leid, aber davon hatte Alikho auch nichts. Ganz abgesehen davon, dass er sich das sicher denken konnte. Alles andere wäre nicht der verantwortungsbewusste, kluge Yesto gewesen. Er musste zur Sache kommen und nicht nach billigen Entschuldigungen suchen. Entschuldigungen? Da ging es schon los. So etwas war nicht möglich. Leise begann er zu sprechen, versuchte Alikho anzusehen, auch wenn es ihm schwer fiel. „Wir haben unsere Pflicht nicht erfüllt. Wir haben einen großen Fehler begangen. Ich hätte mir mehr Mühe geben müssen." Das war ehrlich und womöglich noch das eheste, was ein schwer getroffener Rüde noch hören wollte. Hier ging es nicht darum, sich aus der Affäre zu ziehen. Er musste klarstellen, dass er sich keinen Illusionen hingab und sich seiner Schuld bewusst war. „Es ist unentschuldbar, dass wir versagt haben. Ich ..." Genug der Schuldeingeständnisse, es machte nichts wieder gut. „Wir werden in Zukunft noch emsiger arbeiten. Die Realität hat uns gezeigt, dass wir uns mehr einbringen müssen, um deinen Schutz ..." Jetzt unterbrach ihn der geschwächte Wolf, der noch keine 24 Stunden wieder wach war. „Nicht mich. Nehmt euch das für andere Kaniden vor, insofern ihr noch Kundschaft habt." Ein Satz, so voller Vorwurf - die Anklage selbst. Was bedeutete das im Detail? „Du darfst das doch nicht als das Ende deiner Mission deuten, Alikho. Was du bisher geleistet hast ist Großes. Und dass du überlebt hast, ist ein Zeichen. Ein Zeichen, dass es keinen Grund zum Aufgeben gibt. Du musst weiterkämpfen ..." Doch der in die Jahre gekommene Wolf schüttelte sacht mit dem Kopf. Er sah das anders. „Nein. Die Wirklichkeit hat ein anderes Gesicht. Ich habe den Leuten gesagt, was gut für sie ist und zum Dank stechen sie mich ab." Yesto hätte lachen wollen, hätte die Situation es erlaubt. Das klang viel zu pessimistisch für jemanden, der noch vor zwei Wochen die Welt verändern wollte. „Aber das sind doch nicht alle. Das war einer, ein Spinner halt." „Einer", fuhr er für Yesto fort. „stellvertretend für viele andere, die nicht so raffiniert waren, die sich das nicht getraut haben weil sie feige sind oder die einfach nur kein Blut sehen können." Offenbar war er nicht nur körperlich verletzt. Seine Gedanken waren ganz andere als zuvor. Würde er seine Meinung ändern? Yesto stand vom Boden auf. Es widersprach seiner Würde, vor jemandem zu knien, der plötzlich nicht mehr bereit war, für seine Ideale zu sterben. „Du gibst also auf?" Der Alte fuhr fort mit seiner leisen Stimme. „Genau genommen habe ich das schon vor langer Zeit getan. Ich bewirke nichts. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen." Der Schwarze ergänzte mit einer gewissen Strenge. „Das kommt darauf an, aus welchem Material das Schwert ist, mit dem man kämpft. Holz ... oder Stahl." „Vielleicht hatte ich ja nie eins." Yesto erkannte den Weltveränderer nicht wieder. Was war aus ihm geworden? War überhaupt noch etwas übrig.? „Ich werde das Gefühl nicht los, der Alikho, den ich kannte, ist mit dem Anschlag gestorben. Hier liegt nicht mehr Alikho." Er sparte sich weitere Metaphern; etwa, dass Alikho mittlerweile nur noch ein seniler Rentner war, der jeden Tag um 12 seinen Brei empfing und donnerstags um 18:50 Uhr Lindenstraße sah. Yesto nickte. Aber nicht im Sinne des Verständnisses, sondern, weil er es akzeptierte. Man konnte niemanden zwingen, für etwas zu kämpfen, wozu er nicht überzeugt war. Still und leise verließ Yesto den Raum, hoffend, der alte Rebell würde ihn mit einem harschen „Stopp" zum Anhalten auffordern und ihm sagen, dass er sich das doch noch einmal anders überlegt hatte. Doch spätestens mit dem Schließen der Tür von außen endete ein weiterer, erfolgloser Versuch, aus der heruntergewetzten Gesellschaft etwas Besseres, etwas Stolzes, etwas Großartiges zu machen.

„Klar sind wir bewaffnet. Die Männer, die auf Sie aufpassen, haben alle Pistolen und Maschinengewehre!", protzte der kleine Graue mit dem Weinglas in der Hand, dabei hatte er bisher noch keinen der Leibwächter persönlich kennen gelernt, die im Auftrag Yestos arbeiteten. „Lass uns doch nicht immer nur über die Arbeit reden. Arbeit macht mich immer so müde", sprach der Geschäftshund selbstbewusst und schaukelte seinen Wein hin und her. „Mich auch!", stimmte der Graue ein und schlürfte den teuren Wein wie Cola herunter. „Erzähl mir doch mal was über dich." „Ohhhh ... was wollen Sie denn hören?" Der elegante Hund fuchtelte beschwichtigend mit den Pfoten. „Du brauchst nicht Sie zu mir sagen." Als er Rons außergewöhnlich misstrauischen Blicke bemerkte, erklärte er sich. „Den Leuten, denen ich meine Sicherheit anvertraue, muss ich auch ein persönliches Verhältnis gegenüber pflegen. Ich möchte die Wölfe kennen, die für mich arbeiten und sorgen. Und ich möchte wissen, ob Sie meinen Auftrag und damit das Geld verdient haben." Der Kleine nickte verständnisvoll und voller Übereifer und sprach. „Aaalso ... ich esse liebend gern Pommes Frites." Der Dunkle sah sich merkwürdig um, rollte mit den Augen nach links und nach rechts. Pommes Frites? Hoffentlich hatte das niemand gehört. Sie waren hier in einem der vornehmsten Restaurants der Stadt! „Hast du eine Freundin?", schoss es aus dem feinen Gegenüber heraus, dass sich der Grauwolf sogleich am teuren Wein verschluckte. Freun-din ... Himmel, das klang für ihn nicht befremdlicher als Punktuelle Zugbeeinflussung. „Ja, äh, nein, ich ... also." „So ein hübscher junger Kerl wie du kann doch nicht solo sein", fuhr Arno fort. „Nein nein nein nein." Ron schüttelte mit den Pfoten. „Ich ... ahm ... ich ... doch, ich hab schon eine. Also ..." Der Unternehmer sah ihn kritisch an. Es schien, als erkannte er, dass der Kleine ihn irgendwie anlog. „Also ..." „Oder einen Freund? Ich meine, so was ist ja heutzutage keine Schande mehr." Der Graue lächelte erleichtert. Alles klar, jetzt bloß keine Panik. Klar hatte er einen Freund, wer hatte keinen Freund? „Ja", stimmte er daher selbstsicher zu, bis ihm auffiel ... „A-a-aber ... also nein, nicht so, also, doch ..." Doch, ja, klar war Yesto sein Freund, und zwar genau in diesem Sinne. Arno wusste es doch bereits, er nickte und grinste voller Verständnis. Oh, wie hatte er sich verplappert! „Ja ...", gab er schlussendlich kleinlaut zu.

Es war bereits dunkel. Die Tür zum kleinen Behälterbau mit dem Büro wurde ruckartig geöffnet und der Chef trat herein. Er machte sich keine Vorwürfe mehr. Alikho hatte resigniert. Bitteschön, seine Schuld war es nicht. Er hatte ja gesagt, dass er eigentlich schon vorher dem Aufgeben nahe gewesen war. Ein müder Kämpfer, belastet von Zweifeln und Ängsten. Er nahm diesen Vorfall doch nur als Vorwand, damit er vor den Medien nicht als Feigling dastand. „Ron noch nicht da?", fragte er seinen Mitarbeiter, der vor dem Flachbildschirm saß und Eingaben in eine Tabelle tätigte. Er schüttelte mit dem Kopf. Sah man doch. „Und, wie war's bei der Polizei?" „Nichts Besonderes. Sie machen uns keine Vorwürfe oder so. Immerhin war es ja genauso ihre Aufgabe, aufzupassen. Wir haben es zusammen vergeigt, die Polizei und wir." Yesto nickte mehr oder weniger zufrieden und setzte sich auf Rons Stuhl in der Ecke des Raumes. Er stöhnte erschöpft und begann, seinem treuen Mitarbeiter zu erklären, dass sie Alikho in gewisserweise verloren hatten.

Der vorsichtige, zurückhaltende Wortwechsel war in ein feuchtfröhliches Gelage umgeschlagen und die beiden Rüden amüsierten sich zu einer weiteren Flasche Wein. „Und ich hab zu Yesto gesagt, ich hab doch schon was zu trinken - nämlich meinen Wein." Lautes Gelächter. Ron fühlte sich zweifellos wohl in der Gesellschaft dieses edlen Herrn. Das Essen hatte ihm ebenso gemundet und übrig waren nur noch Knochen und zerknüllte Servietten. Der dunkle Hund unterbrach ihn dennoch. „Hast du den Vertrag dabei?" „Ver- ... jaah!" Er suchte mit den Pfoten unter dem Tisch nach der Akte und zog sie sogleich hervor. „Ich bin in die Pfütze gefallen. Aber die Akte hat dafür gesorgt, dass ich trocken bleibe." Ron kam gar nicht mehr heraus aus dem Witzeln und zog wenig später den Vertrag hervor. „Du musst hier das Formular ausfüllen, glaub' ich ... und dann da unterschreiben. Nee, da." Ron war angeschwipst, das sah man sofort. Er reichte dem Geschäftsrüden das Formular mit den Vertragsklauseln und wartete, dass der Hund seine Unterschrift druntersetzte. Für den jungen Wolf war das ein Erfolgserlebnis. Er hatte dafür gesorgt, dass sie einen neuen Klienten bekamen! Jetzt hatte er sich eine gute Bewertung verdient.

Yesto wusste unterdessen noch nichts davon und saß am kleinen Tisch, während er nun selber die Aufgabe des Quittungen-Sortierens übernommen hatte. Zum Einen, um sich von den Sorgen abzulenken, die er sich inzwischen um seinen Kleinen machte, zum anderen, damit die Arbeit endlich einmal erledigt wurde, immerhin hatte sein Mitarbeiter andere Dinge zu erledigen. Der starke Wolf stellte fest, dass die Aufgabe sehr wohl monoton und langweilig war, aber er zwang sich zum Durchhalten. Immer wieder ärgerte er sich über die Löcher, die Ron sinnloserweise in die Zettel gestochen hatte, weil er mehrere Male umsortiert hatte, nachdem er falsche Stapel begonnen hatte. Auf diese Weise waren zahlreiche Löcher entstanden. „Yust?" Sein beschäftigter Mitarbeiter drehte sich zu ihm um. „Hm?" „Würdest du Rons Bewertung schreiben?" Yesto sah ihn an. „Ich fürchte, ich kann das nicht objektiv. Ron hat geschlampt, er braucht eine Bewertung, die das widerspiegelt, was er gemacht hat und wie er es gemacht hat. Ich glaube, das schaffe ich nicht." Der Braune nickte, doch er wusste nicht so recht, ob er den Mut hatte, Ron zu sagen, wie miserabel seine Leistung war. „Na ja, in Ordnung ..." Der Buch- und Finanzhalter sah auf seine Uhr und bemerkte, dass es schon sehr spät war. „Ouhjeh, ich fürchte, ich muss nach Hause." „Kein Problem, geh ruhig. Ich warte noch eine Weile."

Die beiden Rüden stolperten aus dem Lokal. Es stand außer Frage, dass die meisten übrigen Gäste froh waren, dass diese Zwei endlich gingen. „Tja dann ...", sprach Ron betrunken. „Mmmach's mal gut, Arni, altes Haus." „Nah, sag mir einfach ... wo du wohnst. Ich ... bring' dich hin." „Ha-hast du ... Auto?" Der reiche Hund zielte mit seinem Zeigefinger auf eine schwarze Luxuskarosse. „Glaubsu ich bin mit dem Skateboard hier?" „Waaahn-sinn!" Auf einmal wirkte der Kleine wieder nüchtern. „Ein waschechter BKK 5000!" Er konnte es kaum glauben. Doch eigentlich gehörte es sich so für einen Rüden seiner Klasse, oder nicht? Er konnte sich einen solchen Sportwagen eben leisten. Dass dieser Wagen zu den teuersten seiner Marke gehörte, wusste selbst ein armer Schlucker wie er. Die Zwei liefen zu dem Wagen hin, während Arno die Türen automatisch öffnete. „Steig ein!" Der Graue nahm auf edlen, schwarzen Ledersitzen Platz und beobachtete die Tür beim Schließen von oben. Der Wagen wirkte innen noch größer als von außen, die Fenster waren groß und erlaubten beinahe eine Panorama-Sicht. „Wo ... wohnst du denn?" „Firmenstraaaaße 3." Ein Schluckauf begleitete seine schwerverständlichen Worte. In der Hand trug er noch den Rest vom Wein, ein waschechter Burgunder 93. „Schnall dich an, Ronny. Achterbahn war gestern." „Huhoa, ich liebe A-Achterbahn", vermeldete der Jungrüde mit erhobenem Zeigefinger. Der schwerreiche Rüde legte seine ringbesetzte Pfote um den Steuerknüppel und stellte mit zunehmender Geschwindigkeit die Gänge höher. Bald schon rasten sie mit 120 durch die mittlerweile leerer werdenden Straßen der Stadt. Zusätzlich zu dem Kater sollte ein grauweißes Foto der beiden Rüden das fragwürdige Andenken an diesen Abend sein.

Als Yesto erschöpft und nach getaner Arbeit ihrer beider Wohnung betrat, bemerkte er, dass nicht richtig abgeschlossen war und Licht im Zimmer brannte. Er warf seine dicke Jacke über den Kleiderständer und schloss die Tür. Langsam trat er näher ans Zimmer, bis er bemerkte, dass Ronny daheim war. Und dem Geruch nach zu urteilen, hatte er eine Menge Alkohol intus. „Yesto!", schoss es aus dem jungen Rüden heraus. Wollte er mit ihm anstoßen? Ron war in der Küche, Yesto hob eilig die Weinflasche vom Sofa auf, die dabei war, auszulaufen. Er betrachtete den teuren Wein mit Verwunderung. „A-ahaahaa-aah ..." Der Schwarze lief zur Küche und sah, wie Ron äußerst ungeschickt Samalischeiben auf viel zu dick und zu schief abgesäbelte Stullen warf und sich eine Tüte als Kochmütze aufgesetzt hatte. „Aaa-Abendessen ist bald fertig!" „Ronny", sprach sein Partner ernst. „Du solltest von dem Geld unseren zukünftigen Klienten einladen, nicht dir einen superteuren Wein kaufen und ihn daheim trinken." „Ich hab ihn nicht selber getrunken!", widersprach er beinahe nüchtern. „Wir hatten ei-ei-einen netten Abend." Der Schwarze glaubte sich zu verhören. Aber Ron sprach schon weiter. „Und!" Der Schluckauf. „Und ... er hat unterschrieben." „Was? Was unterschrieben?" Yesto kam nicht im Leben darauf, dass er damit den Vertrag meinen wollte. Ron ging zurück ins Wohnzimmer ... nein, er torkelte dorthin und legte sich mit dem Bauch quer übers Sofa-Bett. Yesto beobachtete seinen Kleinen dabei, wie er unter dem Sofa suchte. Für gewöhnlich hätte er sich darüber erfreut, Rons knackigen Hintern zu sehen, doch jetzt war er einfach nur entsetzt. Das Entsetzen steigerte sich, nachdem Rons dürre Pfote zwischen Pfandflaschen mit klebrigen Colaresten und Aluminiumbällen als vergangenen Zeitvertreib einen knittrigen DIN-A4-Wisch hervorzauberte und ihm stolz präsentierte. Der Vertrag. Er war es wirklich. Kaum wiederzuerkennen - aber mit Unterschrift. Ron grinste wie die Wölfe in der Elmex-Werbung und wartete auf sein Lob, dabei konnte er kaum aufrecht stehen. Yesto hielt das Papier mit den Eselsohren - welcher Esel hatte so viele Ohren? - und versuchte ihn dann glattzustreifen, um ihn in den Aktenordner zu heften. Er fragte besser nicht, wo das Firmen-Porträt war, er wollte es eigentlich gar nicht mehr sehen, ein schockierter Anblick reichte. „Ja." Mehr bekam Yesto nicht heraus, denn er verstand das alles nicht. Hatten sie ein Wetttrinken veranstaltet und er als Sieger hatte die Unterschrift bekommen? Hatte Ron ihm überhaupt erzählt, was für eine Firma sie waren? Er wagte nicht, ihn abzufragen, es hätte ihn gedemütigt. „Ich hab mir Sorgen um dich gemacht! Du hättest mir sagen müssen, dass du mit dem Bus nach Hause fährst." Der Graue erhob seinen Zeigefinger zur Mahnung. „I-i-ich bin n-nicht mit dem Bu-Bus nach Hause gefahren!" „Dann halt mit der Bahn, das kommt aufs Gleiche hinaus. Ich habe im Büro auf dich gewartet. Woher soll ich wissen, dass es dir gut geht? Bist du schon mal auf den abwegigen Gedanken gekommen, dein Telefon einzuschalten?" Ron verstand Yestos Aufregung nicht. Er hatte doch geschafft, was er sollte. „A-a-aber ich ha-ha-habe doch die Unterschrift von Arni. D-das wolltest ... du doch." Arni? Der Dunkle betrachtete seinen Gefährten verständnislos. Dann schob er den Grauen ins Bad und die Prozedur von neulich begann von vorn.

Yesto wachte früh am nächsten Morgen auf, als es noch stockduster war. Er glaubte zu träumen, als er Ron fröhlich aus dem Badezimmer pfeifen hörte. Schlaftrunken machte sich der starke Rüde vom Bett auf und balancierte noch etwas benebelt zum Bad. Er sah Ron vorm Spiegel stehen und sich mit Parfüms vollnebeln, die eigentlich ihm gehörten. „Was wird das?", fragte er entgeistert. Ronny sah zu ihm und sprach mit Schaum vorm Maul. Er hatte sich die Zähne geputzt. „Guten Morgen!" Nun, eigentlich hatte er mehr die Lefzen und die Backen geputzt, wie sollte das auch richtig klappen, wenn man sich kämmen, parfümieren und putzen gleichzeitig wollte. „Um acht geht die Arbeit los", verkündete der Kleine stolz. „Ja und? Es ist halb sechs." „Bis Zehlendorf ist ein weiter Weg." Der Graue zwinkerte mit den Augen und steckte sich nochmals die Zahnbürste ins Maul. „Wieso Zehlendorf? Unser Büro liegt in Weißensee, das weißt du." „Nein, nein. Kein Büro heute. Ich muss doch zum Schutz von Arni dasein." War das jetzt der Moment zum Lachen? Yesto wollte, damit das ganze nicht so dämlich wirkte. Aber es blieb ihm im Halse stecken. „Meinst du Arno Gotz?" Er nickte. „Das ist Aufgabe der Leibwächter, die für uns arbeiten. Du hast andere Aufgaben." „Nein nein", widersprach der Kleine frech. „Keine Quittungen mehr!" Er grinste: „Mit Quittungen bin ich quitt", es folgte ein Lachen. „Die Quittungen hab ich erledigt. Ich gebe dir für heute frei. Ich will, dass du ins Berufsinformationszentrum gehst und nach einem Ausbildungsberuf suchst. Oder ... ich gebe dir den Tag als Fortbildungstag." Er versuchte etwas auf seinen Kleinen zuzugehen und ihm die Arbeit wieder angenehmer zu machen. Aber Ron schüttelte entschieden mit dem Kopf. „Nicht nötig. Arni will, dass ich komme. Befehl ist Befehl." Dazu salutierte er wie ein Soldat. Yesto hatte genug. „Von wegen!" Er drückte Ron ein Stück weg, um ihm zu zeigen, dass er ein kleiner Spinner war. Daraufhin lief er ins Wohnzimmer, machte Licht an und suchte in der Akte nach dem Vertrag mit Gotz' Adresse. Ohne ein Wort des Abschieds verließ er die Wohnung und machte sich auf den Weg. „Yesto?"

Die Fahrt nach Zehlendorf dauerte in der Tat lange. Als der Schwarze mit seinem Elektromotorrad dort ankam, war es bereits hell. Er stellte es vor dem großen Tor des teuren Anwesens ab und begutachtete das goldene Klingelschild. Hier war er richtig. Er stand vor einer großen, weißen und sehr modernen Villa mit extrem kurzen Rasen. Vor der Garage stand die schwarze Luxuskarosse mit den versilberten Scheiben. Er klingelte entschlossen und starrte auf die kleine Kamera mit dem Bildschirm. Diese Technik hatte hier jeder Bewohner in dieser Gegend. Es war die Villengegend schlechthin. Ein mausgrauer Wolfsrüde trat vor die Kamera im Haus und erschien auf dem kleinen Bildschirm. „Ja?", fragte er knapp. „Mein Name ist Yesto Silden, ich bin der Chef der Firma Personen- und Veranstaltungsschutz Nord. Wir sind seit heute im Vertrag." „Nein sind wir nicht", widersprach der Kerl auf einmal. „Ich bin nur Herr Gotz' Haushaltshilfe." Auf einmal schubste Arno Gotz ihn zur Seite und drängelte sich vor die Kamera. „Na endlich! Kommen Sie!" Ein Summen signalisierte, dass er das schwarz-goldene Tor öffnen konnte. Zahlreiche weitere Kameras überwachten das Anwesen, ein Brunnen und ein Teich verzierten den Garten. Neben dem geschlängelten Weg zum Hauseingang standen kitschige Gartenzwerge, die einen angrienten, als ahnten sie bereits, wie ungern Yesto hier herkam. Dieser Typ passte nie und nimmer in das Profil ihrer üblichen Klienten! Der BKK 5000 vor seiner Garage war auch kein ko-Auto, sondern eine protzige Bonzenkarre. Aber das hatte Ron natürlich alles nicht gesehen, das war ihm klar.

Yesto baute sich, so gut er konnte, vor der Tür des reichen Geldsacks auf und warf ihm einen strengen Blick zu. Er hatte kein Problem damit, ihm offen zu sagen, dass er nicht zu den Leuten gehörte, die er gern beschützte. „Wo ist Ronny Jakato?" „Ich möchte das lieber drinnen mit Ihnen besprechen." Arno Gotz musste den Eindruck bekommen, der Chef des Kleinen nahm ihn an die kurze Leine. In Wahrheit tat er das aus sehr persönlichen Gründen, denn der Breitschultrige hatte kein gutes Gefühl, wenn er Ron so reden hörte. Er drängte sich etwas ins Innere der Villa und streifte seine Motorradstiefel ab, dass es jeder Hausfrau die Tränen in die Augen getrieben hätte. Yesto selbst warf die Tür zu und sah dem etwas kleineren Rüden konstant in die Augen. „Ich bedaure, aber Ronny ist nur ein Praktikant. Er kann unmöglich für Ihre Sicherheit sorgen." „Oh, den Eindruck hatte ich gar nicht. Er wusste sehr gut über Ihre Firma Bescheid, Herr Yesto." Über die seltsame Anrede sah er einmal hinweg. Was aber hatte er über die Firma erzählt? Das konnte er den da am wenigsten fragen. Trotzdem, das alles änderte natürlich nichts daran, dass Ron kein ausgebildeter Leibwächter war. Yesto musste ja auch erst einmal wissen, wie die Bedrohung dieses Rüden aussah, wer das in etwa war und welche Motive es dafür gab. Nur so konnte er festlegen, welcher Schutz für ihn geeignet war. „Ich entscheide, wer von unserer Firma für Ihre Sicherheit sorgt, denn ich trage die Verantwortung." Plötzlich zog der feine Hund eine Tageszeitung aus seinem Bademantel hervor, den er anhatte. Sie war etwas über zwei Wochen alt. „Oh nun ja, dann gibt es Grund genug zur Annahme, dass Ihre Entscheidungen nicht immer die richtigen waren." „Alikho Dankwart von Messermann lebensgefährlich verletzt" Das Käseblatt war wie ein Schlag ins Gesicht. Doch jetzt holte Yesto erst so richtig aus. Doch bevor er ein Wort herausbekam, klingelte es erneut. Der mausgraue Haushälter eilte zur weißen Tür und öffnete dem Besucher sofort. „Tut mir Leid, der Bus war etwas zu spät." Die Stimme kannte Yesto. Verdammt, was machte er jetzt hier?! Als Ron auch die Anwesenheit Yestos bemerkte, sah er leicht überrascht zu ihm. „Ouh." Das witterte nach Ärger. Arno hingegen beruhigte ihn sofort. „Das ist kein Problem. Noch lebe ich ja." Nachdem er etwas gelacht hatte, nutzte Yesto die Chance, um noch einmal seinen Standpunkt zu verdeutlichen. „Ich schicke Ihnen sofort zwei Leibwächter vorbei, wir haben gestern zwei neue eingestellt." Die Prüfung derer war zwar noch nicht durch, aber bei jemandem wie dem dort hatte er keine Angst, dass es sich um schwarze Schafe handelte. „Nicht nötig, Herr Yesto. Jetzt ist Ronny ja hier." Yesto sah ungläubisch auf seinen kleinen Partner und musterte ihn eindringlich. Dann sprach er ernst und voller Strenge wie ein besorgter Vater. „Das geht leider nicht. Ron hat leider etwas anderes zu tun." „Ah?", fragte dieser unwissend, das Berufsinformationszentrum war in seinem linken, spitzen Ohr rein und im rechten wieder raus. „Herr Yesto, ich werde das Gefühl nicht los, Sie sind schon wieder dabei, eine falsche Entscheidung zu treffen. Den Satz ,Der Kunde ist König', haben Sie wohl noch nie gehört, was?" Als ihn der arrogante Schnösel derart anfuhr, verspürte Yesto das dritte Mal eine enorme Wut. Er wollte ihm am liebsten den Bademantel übers Haupt ziehen und ihn anschließend auf den Fernsehturm balancieren schicken. Doch noch bevor er seine kräftige Stimme erheben konnte, sprach der edle Herr eine ganz und gar nicht edle Drohung aus. „Sie wollen doch nicht, dass bekannt wird, wie Sie mit unbezahlten Praktikanten umgehen in Ihrer Firma, nachdem doch erst vor zwei Wochen solch ein Malheur passiert ist, oder?" Yesto stand das Maul offen. Jetzt erst erkannte er, dass er sich mit diesem „Klienten" ein rechtes Ungeheuer mit ins Boot geholt hatte. Hätte er Ron doch bloß nie zu diesem Treffen geschickt ... der Rüde hatte ihm ja völlig den Kopf verdreht. „Meinem Humor kommen die Tränen!" Mit diesen Worten griff er Ron am Ärmel und zog ihn mit zum Ausgang. „Aber Yesto! Lass mich doch auch mal! Du hast immer gesagt, ich soll richtig arbeiten." Arno Gotz stimmte mit ein. „Habe ich mich nicht klar und deutlich ausgedrückt?" Yesto musste erkennen, dass er es nicht mit Gewalt durchsetzen konnte, anders als dieser ominöse Arno es tat. Also schlug er etwas anderes vor. „Gut, dann bleiben wir zusammen hier und achten auf Ihre Sicherheit. Vier Augen sehen mehr als zwei." So konnte Yesto sich zwar den Rest des Tages nicht mehr um seine Firma kümmern, aber er hatte ein Auge auf seinen Liebsten und würde am nächsten Tag gleich die beiden echten Leibwächter vorbeischicken. Wenn dieser Geldsack dann Ärger machte, kündigte er den Vertrag. Sollte er dann immer noch Schwierigkeiten machen, würde Yesto einen Anwalt konsultieren. „Das ist nicht nötig", mischte sich auf einmal der Haushälter ein. „Ich bin ja nicht blind. Ich werde auch auf meinen Arbeitgeber Acht geben. Vier Augen reichen - unsere vier Augen. Ihre zwei brauchen wir nicht." Als Yesto sah, dass Ron das zum Lachen fand, verspürte er zum ersten Mal wirklich das Verlangen, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. „Genau, zu viele Köche verderben den Brei", sprach der reiche Hund und machte eine Handbewegung, mit der er Yesto abwies. „Ich bin der Chef unseres Unternehmens, ich entscheide ..." Yesto wollte zeigen, dass er sich nicht einschüchtern ließ, doch Arno schrie lauter als er. „Verlassen Sie mein Anwesen - sofort!" Die piepsige Stimme Rons mischte sich mit ein und sprach. „Sei nicht böse. Ich gebe mir doch alle Mühe. Ich packe das schon!" Als der Unternehmer seine schwarze Pfote um Rons Schulter legte, fühlte sich Yesto unglaublich ohnmächtig. Er wurde förmlich hinausgedrängt und musste Acht geben, dass er nicht die Treppen herunterfiel. Nun, dann sollte Ron doch Fehler machen! Er konnte ihn nicht immer beschützen. Dann musste er eben die Erfahrung machen. Doch die Geste des reichen Rüden gab so einen bitteren Beigeschmack, der ihr Verhältnis noch Wochen später trüben würde. Spätestens als ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, fühlte sich der große, starke Wolf wie ein kleiner Junge, der von seiner älteren Schwester fertig gemacht wurde. Taumelnd begab sich der muskulöse aber doch so schwache Wolf auf dem Weg durch den Garten zurück zu seinem Zweirad. Dies tat er jedoch nicht, ohne nicht noch eine dieser fürchterlichen Fratzen zu entschärfen. Mit dem Versuch, ihn in seine Bestandteile zu treten, beförderte er den Gartenzwerg stattdessen mit einem lauten Platschen in den Gartenteich, wo dessen einziger Bewohner, ein giftgrüner Frosch, protestierend quakend die Flucht ans Ufer ergriff.