Für dich alles

Story by Gleaming Black on SoFurry

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Für dich alles

Kapitel I -- Zwei Telefone

Kapitel II -- Kribbeln in der Brust

Kapitel III -- Zerreißprobe

Kapitel IV -- SOS

Kapitel V -- Wahre Liebe

Kapitel eins -- Zwei Telefone

„Zunächst will ich, dass hier drei Posten aufgestellt werden, damit die Zufahrt abgesichert ist."

Zustimmung.

„Außerdem wird hier oben am Besuchereineingang und am Personeneingang jemand stehen, der die Leute überwacht, die kommen und gehen. Während der Veranstaltung wird keiner auf das Gelände gelassen, höchstens weg."

Erneute Zustimmung.

„Vielleicht sollten wir hier drüben eine Zeltwand aufstellen, damit die Sonne die Überwachungskameras nichts blendet, sonst sehen wir nichts."

Der dunkle Zeigefinger mit der spitzen Kralle fuchtelte eilig über das saubere Millimeterpapier mit der Geländeskizze.

„Und wie schaut's mit den Wagen aus?",

fragte die Stimme des Papierhalters nun. Die raue, tiefe Stimme des Rüden, dem der Zeigefinger gehörte, gab Antwort.

„Keine Fahrzeuge. Weiträumiges Halteverbot rund um den Veranstaltungsort. Wer missachtet, wird abgeschleppt."

„Nein nein", wandte der braune Wolf mit der Skizze in den Pfote ein, der am Schreibtisch vor einem laufenden Rechner saß.

„Ich meine, was unsere Wagen betrifft. Wir brauchen sie vielleicht schnell, wenn irgendwas vorfällt oder jemand versucht, das Gelände spontan mit einem Fahrzeug zu betreten."

„Wir stellen unsere Wagen weiter abseits hin, nur Krankenwagen und Feuerwehr dürfen am Absperrgitter warten. Um feindliche Fahrzeuge abzuwehren legen wir Krähenfüße aus."

Der große, muskelbepackte Rüde mit den leuchtend gelben Augen stand stolz und selbstsicher hinter seinem Mitarbeiter mit den zahlreichen Skizzen auf dem Tisch, während er frei von jedem Zweifel auf die von ihm angefertigten Pläne herabsah.

„Gut", stimmte der Braune zu. „Wir machen, wie du gesagt hast, Yesto. Nur eine Frage wär' ..."

Das Telefon klingelte.

„Moment, Yust."

Der schwarze Anthrorüde, Yesto, nahm ein blaues Mobiltelefon aus seiner grauen Tarnhose, die nur knapp über die kräftigen Knie reichte. Während er das Telefonat entgegennahm, wandte er sich ab und sprach mit etwas leiserer Stimme.

„Ron, was gibt's?"

Yust, der Mitarbeiter Yestos, widmete sich noch einmal seiner Arbeit und machte Notizen zu dem, was sie eben besprochen hatten, damit er die Beschlüsse seines Chefs nicht vergaß.

„Was?!"

Er hörte seine Obrigkeit beim Telefonieren, sah jedoch nicht zu ihm herüber. Es ging ihn nichts an. Das blaue Telefon hatte geklingelt, also Privatsache.

„Jetzt bleib ganz ruhig und erzähl' mir erst mal, was genau vorgefallen ist."

Der Druckbleistift fuhr langsam über die Geländeskizze und fügte eine weitere, elegante Linie hinzu.

„Und das ist alles? Wenn noch etwas war, musst du es mir erzählen, lückenlos und ohne etwas zu verschweigen."

Immer wieder Pausen und Zustimmung durch die Nase des schwarzen Rüden mit dem schwarzen, ärmellosen Sommerhemd.

„Fahr' nach Hause und beruhig' dich erst mal. Ich hab hier noch was zu erledigen. Sei so gut und bereite schon mal Abendessen vor."

Nachdem er noch einmal die Worte seines Gesprächspartners abwartete, beendete er das Telefonat.

„Ich weiß, wir reden dann drüber. Mach's gut."

Mit diesen Worten legte er auf und widmete sich wieder Yust.

„Also ... kümmere dich bitte um die nötige Ausrüstung unserer Leute, aber keine Schusswaffen. Jede Waffe ist ein unnötiges Risiko während der Veranstaltung. Nicht, dass unser Kunde am Ende ein Loch von einer unserer Waffen im Kopf hat!"

Yust musste etwas lachen.

„Geht klar." „Ich muss noch mal weg. Bearbeite die Pläne bitte so nach wie besprochen, ich schau' mir das nicht noch mal an, ich verlass' mich auf dich." Der braune Anthrowolf am Schreibtisch wandte ein.

„Das werden aber einige Überstunden ..."

Ohne böse zu sein, aber trotzdem mit Nachdruck, sprach der muskulöse Rüde, während er sich seine dunkle, dünne Sommerjacke nahm, die er für ihre vielen Taschen benötigte.

„Ich weiß. Das tut mir Leid. Aber die Sicherheit unserer Klienten hat Vorrang. Wenn wir schlampig arbeiten und dem Redner was zustößt während der Versammlung, können wir ihm später noch so viel von Terminplaneinhaltung erzählen!"

Yust nickte pflichtbewusst und nahm sich wieder den Bleistift zur Pfote. Sein Chef, der dunkle Rüde mit den hellen Augen und den breiten Schultern, verließ den kleinen Behälterbau am Rande eines abgesperrten Geländes.

„Bis morgen."

Anschließend schwang er sich auf sein Elektro-Motorrad und fuhr davon. Der Helm ließ den großen Rüden noch eindrucksvoller und mächtiger erscheinen als ohnehin schon.

Liefer- und Verpackung Co. KG. Das war es. Hier musste er hin. Yesto fuhr mit seinem leisen und sauberen Zweirad direkt auf das große Gelände der Firma und stellte es an drei hochgestapelten Holzpaletten der Bahn ab. Auf dem großen Areal arbeitete zur Zeit des Sonnenuntergangs nur ein Rüde von mittlerer Größe. Er zerlegte alte Pappkartons, die zum Anliefern gedient hatten. Der Schwarze mit dem weißen Fleck auf seinem Brustfell lief selbstbewusst über die Betonfläche zu dem arbeitenden Wolf. Trotz der Abendsonne war es noch immer warm und der Lieferarbeiter hechelte vor Anstrengung.

„Hej du", sprach Yesto ihn schlicht an.

„Kannst du mir sagen, wo eure Chefin ist?"

Die Muskeln von Yesto hatte der Wolf nicht, der diese Arbeit machen musste, doch er hätte sie gebrauchen können. Eine winzige Spur von Neid in seinem Blick ließ sich bei genauerem Hinsehen ablesen.

„Ähm ..." Er kannte den Fremden nicht. Doch wenn er etwaige, neue Kunden nicht zu seiner Vorgesetzten durchwinkte, drohte ihm gehöriger Ärger.

„Das Büro links am Ende des Flurs." Der Schwarze bedankte sich knapp und lief zur besagten Bürotür im gelben Wellblechbau beeindruckender Größe. In dieser Halle befanden sich nicht nur Arbeits- und Maschinenräume, sondern vor allem auch das Lager für die Dinge, die es zu verpacken und beliefern galt.

Beinahe hätte Yesto ohne anzuklopfen das Büro betreten. Er war sichtlich verärgert, versuchte es dennoch etwas zu verbergen, um sich nicht von vornherein jede Chance auf eine Lösung zu verbauen.

„Was?!", ertönte es aggressiv hinter der Tür, nachdem er angeklopft hatte. Nicht auszudenken, was die Hündin mit ihm gemacht hätte, hätte er nicht geklopft.

„Tag", sagte er knapp und warf der Schäferhündin einen ernsten Blick zu.

„Oh ... ähm, guten Abend", entgegnete sie zweifelsohne überrascht und sah angetan zu dem kräftigen Rüden.

„Entschuldigen Sie, ich hatte gedacht, es wäre mein Mitarbeiter."

„Klar", sprach er desinteressiert und kam auf ihren Schreibtisch zu, hinter dem sie saß. Ein schlichtes, kleines Büro mit vielen Zetteln und einer großen Pinnwand, daneben eine Karte der Stadt.

„Ich muss mit Ihnen über Ronny Jakato reden."

Er deutete auf den Stuhl vor ihrem Tisch.

„Darf ich mich setzen?!"

Sie nickte und fragte sichtlich beeindruckt von seiner männlichen Ausstrahlung.

„Darf ich dir ... ähm, Ihnen etwas zu trinken anbieten?"

„Nein nein, danke." Er stand nicht auf diese gespielte Freundlichkeit, wobei ihm nicht entgangen war, dass ihre Hormone etwas verrückt spielten, nachdem sie ihn erblickt hatte. Rons Namen hatte sie ganz überhört.

„Sie haben Ronny heute Mittag entlassen, ich würde gern erfahren warum."

Ohne sich dafür zu interessieren, warum er das fragte, entgegnete sie mit einem nunmehr lustlosen Gesicht und sah auf ihren Tisch.

„Der kleine Angeber hat nicht genug gearbeitet." Er entgegnete ohne eine Sekunde der Verzögerung und sah sie mit einer gewissen Strenge an.

„Definieren Sie ,nicht genug'!"

Sie geriet ins Grübeln.

„Nun ... Herr Jakato ist nicht besonders kräftig, aber genau das ist in unserem Beruf unerlässlich, es gibt viele schwere Kisten zu tragen und ..."

Sie sah verlockt auf seine muskulösen Arme, doch er erwiderte ihre Anmache nicht im Geringsten und schien auch sonst nicht entzückt von ihr.

„Wollen Sie sich bei uns bewerben? Jetzt ist eine Stelle frei geworden." Ihr Angebot erschien ihm wie blanker Hohn, mal ganz abgesehen davon, dass er das nicht nötig hatte. Er besaß selbst eine Firma zum Schutz bedrohter Privatpersonen und verstand sich als Verteidiger der guten Persönlichkeiten. Persönlichkeiten, die Mut hatten sich gegen allgemeingültige und anerkannte Ansichten und Traditionen der Gesellschaft zu stellen und auszusprechen, was den Tatschen entsprach. Diese Leute waren bedroht durch gegnerische Interessengemeinschaften oder gestörte Fanatiker und brauchten einen bezahlbaren Schutz fähiger Leibwächter, um ihren Kampf gegen das Unrecht fortsetzen zu können. Der Chef dieses Unternehmens, Yesto selbst, wusste nur all zu gut, wie es sich anfühlte, zu diesen Personen zu gehören, die Feinde hatten, ohne dass sie jemandem etwas Böses taten.

Yesto ging nicht auf ihr unmoralisches Angebot ein und widmete sich den knallharten Fakten.

„Vor keinem Arbeitsgericht kommen Sie niemals mit der unsinnigen Begründung durch. Jeder Richter wird ihnen vorwerfen, dass sie das bei der Bewerbung Ronnys hätten feststellen müssen."

Die Hündin wurde leicht kämpferisch. Sie mochte es nicht, wenn man ihre Entscheidungen kritisierte, womöglich hatte der sturköpfige Ron genau das getan.

„Es ist nicht das Einzige, was es an diesem Rüden auszusetzen gibt." Der Schwarze spitzte die Ohren, Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Jetzt war er gespannt. Deckten sich ihre Aussagen mit den Eingeständnissen Rons am Telefon?

„Ronny Jakato ist faul und arbeitsscheu. Er überzieht Pausen und stiehlt."

Yesto, der selbst einige Mitarbeiter betreute, wurde hellhörig.

„Dann bitte ich Sie, mir konkrete Beispiele zu nennen. Besonders was das Stehlen anbelangt."

Die Braune überschlug die Beine und begann zu erzählen.

„Vor drei Wochen habe ich einen Kuchen bestellt, der uns auch pünktlich geliefert wurde. Ich bat Herrn Jakato den noch warmen Kuchen in den Ofen unserer Küche zu stellen, damit er warm bleibt. Als ich nach Feierabend in die Küche kam, um davon zu essen, waren die Stücken bereits verputzt." Sie setzte ein künstliches Lächeln als Zeichen ihrer Unfassbarkeit auf.

„Es stand nicht zur Frage, in wessen Bauch die Häppchen verschwundenen waren und Ronny Jakato leugnete es auch nicht, auf meine Frage am nächsten Wochenbeginn hin."

Yesto hob eine Augenbraue und musterte sie kritisch. Kuchen? Er hatte ihrem Entsetzen nach entnommen, es sei um Wertvolleres gegangen. Ein weiteres Zeichen ihrer Hilflosigkeit, sie suchte nur Vorwände. Das bestätigte sich mit ihrem nächsten Kommentar. Die Chefin lehnte sich zu ihm vor und flüsterte mit einem verspielten Grinsen.

„Und ... also ich weiß ja nicht, ob du es schon wusstest", jetzt war sie endgültig beim Du angekommen. „Aber ich werd' das Gefühl nicht los, Herr Jakato ist schwul."

Vulkanartig sprang der kräftige Rüde auf, sodass sein Stuhl umfiel, als er auf den sporadischen Arbeitstisch schlug und durch das kleine Zimmer brüllte.

„Und ob ich das weiß und ich bin sein Verlobter!"

Mit einem unglaublichen Entsetzen sah sie den fremden Rüden an, dessen Namen sie noch nicht einmal kannte und begriff unter Schock, in welch peinliche Lage sie sich katapultiert hatte; nicht nur mit ihrer abfälligen Äußerung über den homosexuellen Ex-Mitarbeiter, sondern auch mit der trüben Anmache dessen unvorstellbaren Partner gegenüber. Wie konnte ein derart stolzer Rüde schwul sein? Ein Weltbild brach in Scherben. Auf sie machte der Schwarze eher einen machohaften Eindruck und sein Auftritt war viel zu selbstbewusst, um dem eines unterdrückten, einer Minderheit der Gesellschaft angehörigen Rüden zu entsprechen, der schwul war. Es dauerte einige Sekunden, bis sie ihr Maul wieder geschlossen hatte nach diesem Entsetzen, während der Riese ungehindert fortfuhr.

„Wenn das Ihre Gründe für die Entlassung eines unerwünschten Mitarbeiters sind, werden Sie von Rons Anwalt hören. Mit der Einstellung wird Ihr Betrieb in Zukunft nicht überleben: Die Zeiten haben sich geändert, Madame!"

Daraufhin lief er um den umgeworfenen Stuhl herum und sprach ein letztes Mal.

„Verlassen sie Ihre Fantasiewelt, in der man Angestellte nach Belieben heuern und feuern kann und in der Homosexuelle nichts weiter sind als Personen zweiter Klasse und kommen sie endlich im Hier und Jetzt an!"

Kurz bevor Yesto den Raum verließ, ermahnte die Hündin ihn fast nach Erzieherinnen-Manie.

„Heben Sie den Stuhl auf!",

während sie wieder zurückkehrte zum distanzierten Sie, nachdem ihr plötzlich bewusst geworden war, wie gering ihre Chancen waren, bei diesem Rüden zu landen. Yesto drehte sich um und warf den Stuhl selbstsicher und gekonnt mit dem rechten Vorderfuß auf, sodass dieser wieder wie ganz zu Anfang vor ihrem Schreibtisch stand. Wenn das ihre einzige Sorge war, würde sie sich bald noch umdrehen! Yesto ging und schlug die Tür wutentbrannt hinter sich zu.

Es war früher Abend, als Yesto endlich zu Hause ankam in ihrer gemeinsamen Wohnung. Sie war nicht sehr groß und sollte eigentlich nur als Übergangslösung dienen, bis sie etwas Besseres gefunden hatten. Die Einraumwohnung beinhaltete ein Sofa zum Ausziehen, auf dem ein junger, schmächtiger Grauwolf lag, der von Mal zu Mal in eine Tüte mit salzigen Engerlingen griff und davon naschte. Außerdem hatte die Wohnung eine kleine Küche, in der man jedoch nur zubereiten konnte. Die Küche hatte eine kleine Luke mit Schiebeverschluss zum Zimmer, in dem der Fernseher stand - und gerade lief. Der schwarze Rüde warf seine Jacke lässig auf den Kleiderständer und betrat die leicht unaufgeräumte Wohnung mit einem prüfenden Blick. Der kurze, hell ausgeleuchtete Flur führte direkt zum kleinen Wohnzimmer mit dem Sofa. Ein Fenster spendete Licht, jedenfalls am Tage. Auch in der Küche befand sich ein kleines Fensterchen zum Hof.

„Na?",

entgegnete der schwarze Wolf, während der junge Grauwolf die Tüte mit dem Salzgebäck eilig unter der Liegedecke verschwinden ließ.

„Ah, hallo Yesto."

Im Fernsehen lief nur Mist, eine billige Gerichtssendung mit laienhaften Darstellern und wenig überzeugenden Verteidigern.

„Was macht das Abendessen?",

fragte der Schwarze und lief direkt in die Küche.

„Steht in der Mikrowelle", kam es aus dem Maul des Grauen.

Der kräftige Timberwolf öffnete die kleine Tür und besah den Topf mit Glasnudeln vom Vorabend.

„Ja, das sehe ich. Du hättest sie vielleicht auch anmachen sollen",

sagte er leicht spöttisch und holte dies nach. Ron, der Grauwolf, der einen sichtbaren Kontrast zu dem muskelbepackten selbstbewussten Schwarzen bildete, nahm die Füße von der ausgefahrenen Liege und verkramte die zusammengerollte Alutüte unter dem Sofa zu dem übrigen Chaos, bei dessen Anblick selbst Hempel das Herz stehengeblieben wäre.

Während sich Yesto daranmachte, zu den Nudeln noch etwas frisches Gemüse kleinzuschneiden, begann Ron ihn zu befragen.

„Warst ... warst du bei ihr?"

„Du meinst deiner Chefin?"

Ron bejahte zögerlich, der selbsternannte Chefkoch fuhr fort.

„Klar, ich hab versucht die Sache zu regeln. Aber diese Person ist völlig unfähig und nicht zugänglich. Es ist nicht deine Schuld." Ron atmete hörbar auf, als sein Geliebter das sagte und ihn damit entlastete.

„Nur eine Sache interessiert mich noch." Er lugte durch die ffnung in der Wand ins Wohnzimmer und warf seinem jüngeren Partner einen mahnenden Blick zu.

„Was hat es mit dem Kuchen auf sich? Hast du ihn genascht, weil du zu Hause nichts zu futtern bekommst?!"

„Hat sie das erzählt?", fragte der Jungrüde leicht erschrocken.

„Erzähl' mir einfach, was war." Klar, Yesto wollte seine Vertrauenswürdigkeit überprüfen. Er hasste es. Er wollte keinen Streit mit Yesto, doch er wusste, dass sein Liebhaber das alles nicht so auf die leichte Schulter nahm, trotz seines oftmals lässigen Auftritts. Es schien, als war die Stärke nur Fassade und er hatte in Wahrheit große Angst.

„Na ja ...", begann der Wolf zögerlich und schaukelte mit den Beinen hin und her, die Arme auf die Decke gestützt, auf der er saß. Der Fernseher flimmerte vor sich hin.

„Sie hatte einen Kuchen bestellt, der sollte für einen Geschäftspartner sein, der am Freitag kommen sollte. Sie glaubte ihn damit an der Nase herumführen zu können, sie wusste doch, wie scheiße ihr Angebot ist ..." Yesto unterbrach ihn.

„Bleib beim Kuchen."

Gekonnt schnippelte er die Zwiebeln klein und fügte sie während des Aufwärmvorgangs zu den Nudeln hinzu und schloss die Luke wieder.

„Also nun ja ... was soll ich sagen." Die Wahrheit.

„Der Besuch kam nicht, es war ja auch schon spät und ich sollte die ganzen Kisten noch wegräumen, weil die am Montagmorgen den Zählerstand ablesen wollten ... das bedeutete wieder eine Überstunde." Ein deutliches Seufzen. Was hatte das alles mit dem Kuchen zu tun?

„Und um mir die zusätzliche Arbeitszeit etwas zu verschönern, hab ich den Kuchen dann halt schon mal probiert." Yesto hatte Mühe sich ein Grinsen zu verkneifen. Einerseits liebte er seinen Grauen genau für diese niedlichen Alltagspannen und -ungeschicke, andererseits stellte er sich genau damit immer wieder ein Bein auf dem Weg in ein geregeltes Leben.

Wie dem auch sei. Ron hatte alle Stücken Kuchen „probiert" und seine Chefin damit erzürnt. Doch es stand außer Frage, dass sie das nur als Vorwand benutzte. Sie hätte etwas anderes gefunden, wäre es nicht der Kuchen gewesen. Sie mochte diesen etwas unglücklichen Wolf nicht, der zudem in der Tat nicht der geborene Kistenschlepper war und sie hatte etwas gegen seine Gefühle; etwas, das den Grauen immer wieder schwer belastete, weil er es viel zu persönlich nahm und sich damit von jedem x-beliebigen Fremden beleidigen und diffamieren ließ, ganz anders als Yesto, der erst dann die Fassung verlor, griff jemand seinen Liebsten an.

Das Essen war fertig. Die aufgepeppten Glasnudeln vom Vortag wurden zu gleicher Hälfte in zwei chinesische Schüsselchen abgefüllt, dazu ein Früchtetee mit viel Zucker, ganz wie Ron ihn mochte und der „Maestro" verließ die Küche und kam zu ihm ins Wohnzimmer.

Der Schwarze reichte Ron das Schüsselchen und sprach.

„Es kann sein, dass du vor dem Arbeitsgericht gegen sie aussagen musst, ich werde sie morgen anzeigen. Mit etwas Glück kriegst du 'ne Abfindung und wir können endlich in eine größere Wohnung ziehen."

Erneutes Seufzen.

„Ach, ich hasse Fähen ..."

Die strenge Stimme Yestos klang mit vollem Maul nicht arg so streng, dabei meinte er es bitter ernst, als er sprach.

„Sag so etwas nicht! Deine Mutter zum Beispiel ist eine herzensgute Wölfin, vergiss das nicht. Sie bringt alles Verständnis der Welt für dich auf."

„Ich weiß", gab der Grauwolf kleinlaut zu und spielte mit seinen Pfotenkrallen herum.

„Und sie ist nicht die Einzige", fügte sein Partner mahnend hinzu, während er sich den nächsten Bissen ins Maul stopfte. Er hatte einen Riesenhunger.

Nach dem Essen ging Yesto sofort ins Bad, welches an den kleinen Flur grenzte und nur eine Dusche beinhaltete, um sich fertig fürs Bett zu machen. Als er wiederkam und sich neben Ron legte, stürzte sich dieser sofort sehnsüchtig auf seinen starken Partner und begann sein helles Brustfell zu lecken.

„Hej, wasn los?!",

fragte der müde Timberwolf leicht verwundert, bis er feststellte, dass Ron nichts weiter als Liebe und Zuneigung suchte und nach der unschönen Erfahrung des Tages und etwas Schönes verlangte. Er ging darauf ein und schmuste mit dem Grauen, wobei er stets vorsichtig war, um ihm nicht wehzutun, immerhin war das Kräfte- und Gewichtsverhältnis der beiden sehr unterschiedlich und doch waren ihre Seelen so eins wie sie es nur sein konnten. Der Hauptteil des Liebesspiels vollzog sich unter der gemütlichen Decke, nur die graue Pfote kam noch einmal hervor, nachdem sie die unter Rons Rücken drückende Fernbedienung hervorgezogen hatte, um die nervige Flimmerkiste auszuschalten und damit jede Ablenkung dieser Welt für diesen Moment aus den vier Räumen zu verbannen. Sie hatten jetzt nur sich und mehr brauchte es nicht, ungeachtet all der Sorgen des Alltags.

Ein letztes Vorbereitungsgespräch vor der großen Veranstaltung fand statt, bei der der Klient seine Rede hielt, während der es ihn durch Yestos Firma zu beschützen galt. Der souveräne Chef begutachtete die von Yust ausgearbeiteten Zusatzpläne. Er nickte zufrieden und fügte hinzu.

„Ich möchte, dass ihr auch den Chauffeur und die ärztliche Begleitung genau unter die Lupe nehmt ...", er sah zu ihm auf. „Eventuelle Vorstrafen, Taschenkontrolle und totales Sendeverbot, kein zeitgleicher Kontakt zur Außenwelt, um die Absprache mit Anschlagskomplizen zu verhindern. Sonst können wir uns sparen, den Aufenthaltsort unseres Klienten während der Veranstaltung geheim zu halten."

Yust nickte als Zeichen seiner Zustimmung. Der Mitarbeiter schaltete den Bildschirm seines Rechners ein und sagte,

„Ich hab mir auch die Mitarbeiter der Veranstaltungsfirma angesehen, die die Bühne aufbauen und die Beleuchtung und die Fernsehaufnahmen organisieren und koordinieren. Ein Typ hatte 92 ..."

Das blaue Telefon. Es klingelte.

„Oh, entschuldige." Yesto drehte sich um und nahm den Anruf entgegen. „Ron, was ist los?", fragte der Dunkle geduldig aber unter Druck.

Sein engster Mitarbeiter, Yust, wusste von seiner Beziehung mit dem jüngeren Rüden, doch ihn ging es nichts an und genau so verhielt er sich auch, er schätzte Yesto in erster Linie als gerechten und selbstbewussten Chef, der das Beste für seine Kunden und seine Mitarbeiter wollte. Vor allem aber, das wusste er trotz alledem, war ihm sein Geliebter wichtig, so wichtig, dass er stets das blaue Telefon mit sich führte, dessen Nummer nur sein Partner hatte, das Telefon, dass er, anders als das schwarze Diensttelefon, niemals ausschaltete.

„Ich weiß, du hast mir erzählt, dass dich deine Mitschüler damals fertiggemacht haben. Aber was hat das jetzt damit zu tun?"

Yust ging selbst noch einmal die Akten der Veranstaltungsmitarbeiter durch und suchte nach Ungereimtheiten.

„Wer ist da?! Drei? Und wo bist du?"

Yesto hatte Mühe sich ein leises Stöhnen zu unterdrücken, er sah abschätzend auf Yust und seine Arbeit zurück und drehte sich dann wieder um.

„Ich hab hier nur gerad' 'ne verdammt wichtige Besprechung und darf den Auftrag nicht vergeigen, es geht um das Leben unseres ... nun komm, übertreibst du nicht?"

Er sah zur Decke.

„Nein, ich spiele es gar nicht herunter. Ist gut, bitte reg' dich nicht auf. Ich komm' sofort."

Dann legte er auf. Er wandte sich wieder an Yust und sprach, während er über das Papier fuchtelte.

„Setz Maretko noch auf Posten drei zur Überwachung der Kulissen, nicht dass uns'rem Redner am Ende noch ein Scheinwerfer auf den Kopf fällt, so ganz zufällig. Ich muss noch mal weg."

Yust wollte seinen Chef noch mal zurückrufen, doch dieser war schon fast verschwunden.

„Und was ist mit dem Typen von ..."

„Ich verlass mich auf dich!"

Anschließend stieg er auf sein Motorrad, setzte den blauen Helm auf und düste davon über den Kiesparkplatz.

Yesto stattete einen äußerst seltenen Besuch ab: Er hielt direkt vor einer Filiale einer berühmten Schnellimbisskette und stellte sein Motorrad neben einen Stromkasten. Er tat den Helm unter den Sitz, verschloss diesen mit dem Schlüssel und aktivierte eilig das elektronische Hinterradschloss.

Er lief zügig aber nicht überstürzt durch die große Glastür des neuen Gebäudes. Wenn er Rons Sorgen nicht ernst nahm und dem Kleinen noch was passierte, verzieh er sich das nie. Der Grauwolf war ein Tollpatsch und wenn er seine Hilfe brauchte, war er der Letzte, der sie ihm verwehrte, denn so viele Freunde hatte sein Partner nicht, eigentlich gar keine; nur eine besorgte und liebschätzende Mutter, die jedoch zu alt war um ihm aus Zwickmühlen wie dieser zu helfen.

Der große Timberwolf lief hoch zur zweiten Etage und sah etwas ratlos in den nicht ganz gefüllten Raum des Schnellrestaurants mit den kleinen Tischchen und den befestigten Stühlen. Ihm fielen drei seltsame Rüdengestalten ins Auge, die sich amüsierend und lachend an einem der Tischchen saßen, während es verdächtigerweise nur ein Tablett mit Pommes Frites und Cola gab, das aber vor keinem der Drei stand, dafür aber am vierten, leeren Platz. Er lauschte ihrem Gespräch, während er langsam nähertrabte.

„Er ist eben nach wie vor ein kleiner Waschlappen. Es hat sich nix geändert."

„Meine Frau würde nicht mal einen Waschlappen wie den verwenden", kommentierte ein anderer der Drei und erntete lautes Gelächter.

„Immerhin hast du 'ne Frau. Der kleine Flohsack wohnt bestimmt noch bei Mutti."

Erneutes Gelächter.

„Eigentlich müsste er dick sein wie ein Gasluftballon, wenn er immer noch nur so 'n Zeug frisst."

Die Pommes standen unberührt und mitleiderregend in dieser Dreierrunde, während der Tomatenbrei langsam verlief und die frittierten Kartoffelstangen aufweichte - bis sich plötzlich eine schwarze Pfote erbarmte und einen der kaltwerdenden Pommes aus der Schale angelte, um sie von ihrem traurigen Dasein zu erlösen.

Die Blicke der Drei fuhren verwundert zum spontanen Pommes-Esser herüber und musterten ihn. Erst nach dem dritten Pommes wagte einer der Drei den muskulösen Rüden anzusprechen.

„Ähm, das sind Rons Pommes."

Yesto sah ihn mit gespielter Verwunderung an und nahm auf dem Stuhl Platz. Er legte einen Arm entlang der Tischkante vor seine Brust und angelte mit der rechten Pfote weitere Pommes.

„Wer ist Ron?"

Während der Dunkle auf eine Antwort wartete, aß er genüsslich weiter, ohne sich von den verblüfften Blicken stören zu lassen. Er sah erwartungsvoll in die Runde und wartete, dass ihm die Drei mal erzählten, wer das aus ihrer Sicht eigentlich war. Ein Waschlappen? Ein Flohsack?

Nach einiger Zeit begann der Eine lachend zu erzählen.

„Ron issn kleiner Spinner, der schon immer den Schwanz eingezogen hat, wenn's brenzlig wurde."

„Ja", stimmte ein weiterer Wolf ein. „Der ist voll die Heulsuse. Wenn er sieht, dass du seine Pommes isst, regt er sich auf bis du dich totgelacht hast. Den darf man nicht unterschätzen!"

Die Drei verfielen in ein unmelodisches Gelächter. Yesto kaute langsamer und sah die Drei näher an. Ohne, dass er noch etwas sagen musste, lästerten sie weiter.

„Ron ist'n dummer kleiner Welpe, der nichts auf die Reihe kriegt."

„Und er isst oft Ungesundes",

fügte Yesto plötzlich hinzu, worauf auch gleich einer der ehemaligen Schulkameraden ansprang.

„Genau, der frisst nur so was. Eigentlich müsste der voll dick sein!"

„Und was macht ihr hier, wenn ihr so was Ungesundes nicht esst?"

Die Drei sahen ihn sprachlos an. Dafür hatten sie keine Erklärung. Ohne zu warten, bis sie sich eine Ausrede ausgedacht hatten, sprach der Große, während er auf die kalten Pommes herabsah und sich die Finger aneinander rieb, um das Salz loszuwerden.

„Haut ab!"

Die Drei sahen ihn anhaltend verblüfft an. Jetzt erteilte er ihnen Befehle? Unsicher, ob sie das hinnehmen mussten, sahen sie ihn an.

„Na los, oder soll ich euch auf Nähkästchengröße stampfen?!"

Es bestand kaum ein Zweifel darin, dass er dazu im Stande war, betrachtete man seinen kräftigen Körper und nahm seine Entschlossenheit wahr. Die Drei erhoben sich, nicht fluchtartig aber doch entschlossen. Der Letzte, der seine Jacke vom Stuhl nahm, murmelte noch leise.

„Spaßbremse!"

Kaum waren die Riesenwelpen verschwunden, nahm Yesto das Tablett und brachte es zur Ablage zurück, nachdem er das Essen im Reste-Behälter entsorgt hatte. Danach begab er sich zur Rüden-Toilette und stellte sich vor die drei verschlossenen Kabinen.

„Ron?"

Der kleine Grauwolf, kauernd auf dem Toilettendeckel, sah mit gespitzten Ohren auf, bevor er Antwort gab.

„Hier!"

Der Schwarze lief zur Toilettenkabine, aus der Rons Stimme kam und befahl, ihm aufzumachen. Ron umarmte ihn voller Erleichterung und zog ihn mit auf die Kabine.

„Ich bin so froh, dass du gekommen bist. Die Drei haben es auf mich abgesehen."

Yesto erwiderte die Umarmung nur mäßig, weil er keine Zeit hatte und den Ort für denkbar unpassend hielt.

„Man Ronny, die Drei sind Witzfiguren gewesen. Wenn du mehr Entschlossenheit vorbringst, wäre ihnen sofort langweilig geworden."

„Aber ..." Yesto hatte keine Zeit, er drängte zum Gehen.

„Komm, ich bin mit dem Motorrad hier, wir müssen."

„Aber ... was ist, wenn sie draußen auf uns lauern?"

Hätte Yesto ihn nicht so gern gehabt, hätte er darüber lachen müssen, doch er verkniff es sich, um ihn nicht auszulachen.

„Das ist Quatsch. Jetzt komm, Kleiner."

„D-du weißt, dass ich Angst vor dem Ding habe ...",

stotterte der Graue, als er das Motorrad vor der Filiale sah. Yesto schloss die Klappe auf und nahm den einzigen Helm heraus.

„Deshalb bekommst du den Helm. Mach ihn richtig fest!"

Es stand außer Frage, dass Ron den Helm bekommen sollte, einen Zweiten hatte er nicht.

„Und was ist mit dir?" „Ich hab' 'nen harten Schädel",

erwiderte er kühl, bespickt mit einer Priese Humor, denn freilich schützte ihn das bei einem Unfall wenig. Doch wenn nur ein Helm zur Verfügung stand, so war für ihn vollkommen klar, dass Ron ihn bekommen sollte. Machte er bei der Fahrt einen Fehler, war er dafür verantwortlich. Dann wollte er nicht auch noch so verantwortungslos sein und den einzigen Helm selber benutzen.

Als die Beiden auf dem Vehikel saßen, fuhr er los.

Die Fahrt führte die beiden Rüden zu einem anderen Gebäude ähnlicher Größe.

„Musst du hier was erledigen?" „Nein, du",

gab Yesto zu hören und öffnete den Riemen für den Helm bei Ron.

Über dem Eingang zu dem Gebäude stand in weißen Lettern: „Berufsinformationszentrum - BIZ".

„Ich will, dass du dir Berufe anschaust. Du musst was Neues machen."

„A-aber ..."

Yesto duldete keinen Widerspruch.

„Schau dir Dokumentationen an und frag den Mitarbeitern Löcher in den Bauch. Wenn du heute Abend nach Hause fährst, kauf' was Vernünftiges zum Abendessen. Ich hab noch was Dringendes zu erledigen."

„Aber ich kann nicht so schnell entscheiden, was ich bis zum Ende meines Lebens arbeiten soll, ich ..."

„Du wirst nicht ..." Das schwarze Telefon klingelte. Sofort nahm er es aus der dünnen Stoffjacke und sprach.

„Ja?"

Ron sah leicht angewidert auf die weißen Lettern.

„Scheiße."

Yesto legte auf und setzte sich hastig den Helm auf.

„Ich muss weg. Wir sehen uns heute Abend. Mach keinen Unsinn, bitte."

„Und was ist mit dem Ge- ..."

Zu Spät, Yesto fuhr davon.

Statt jedoch zurück zum Behälterbüro zu fahren oder zur Veranstaltung seines Klienten, fuhr er schnurstracks zum Vivantes-Klinikum Hellersdorf. Er hastete zum Empfang und fragte die Fähe eilig nach der Zimmernummer. Sofort stürmte er die Treppen nach oben, das ging bei ihm weit schneller als wenn er erst auf den Fahrstuhl wartete. Er eilte vorsichtig aber ohne groß an Tempo zu verlieren an gebrechlichen Rentnern und Schwestern mit Tabletts in den Pfoten vorbei bis zum dritten Stockwerk. Dort angekommen saß auch schon Yust zeitunglesend im Flur neben Zimmernummer 123.

„Du, Yesto, ich ... es war ..."

Er ignorierte ihn gänzlich und stürmte in das Zimmer. Leise schloss er die Tür und sah auf den bewusstlosen Klienten. Das Elektrokardiogramm piepte im gleichmäßigen Takt rhythmisch zu den eckigen Bögen.

„Verdammt ...", flüsterte der große Wolf und ließ sich langsam auf den Stuhl neben dem Bett sinken.

Der grau-weiße Wolf war mit Schnüren und Kabeln verbunden und trug ein dickes, weißes Polster an seiner Taille.

„Alikho ... es tut mir Leid",

sprach er leise und voller Zärtlichkeit, seine Pfote suchte den Kontakt zu der des schlafenden Patienten. Die Unfassbarkeit lag auf dem Rüden wie eine gleichwertige Ohnmacht. Es war das eingetreten, was es um jeden Preis zu verhindern galt, selbst dann, wenn ihre Firma Verluste machte. Eine Mission war gescheitert ... und es war seine Schuld.

„Ich hätte es wissen müssen ..."

Der dunkle Wolf krümmte seinen Oberkörper nach vorn und stützte seine Stirn auf beide Fäuste.

„Verdammt ..."

Zähnefletschend aber ebenso bestürzt kauerte der große, kräftige Wolf auf seinem Stuhl, um Fassung ringend. Die Maschinen arbeiteten ungehindert weiter, immer weiter, ließen sich durch nichts abhalten ... so schien es. Aber sie waren keine Maschinen, sie waren lebende Wesen, verletzlich, sterblich ... fehlbar.

Mit nunmehr klarem Gewissen über die Lage nach dem Fehler verließ der Wolf das Zimmer und zog die Tür hinter sich so sacht zu, als fürchtete er, der Knall konnte dem armen Wolf dort drinnen den Rest geben. Er sah ernst auf seinen Mitarbeiter, dieser erwiderte den Blick ehrfürchtig wie vor einem strengen Vater. Yesto wollte was sagen, doch er wusste nicht, wie er anfangen sollte. Also versuchte Yust die Sekunde zu nutzen um sich zu erklären. Er fühlte sich nicht minder schuldig.

„Yesto, es tut mir so Leid. Ein gestörter Kerl mit einem Keramikmesser ... er mischte sich unter die Reporter ... er hatte sogar eine Kamera dabei, ich ..."

Yust musste sich ebenfalls beruhigen, ihm stand der Kopf sonst wo, alle Worte in seinem Schädel wirbelten durcheinander wie Blätter im Herbstwind.

„Die Polizei vermutet, dass es der Rüde ist, den ich schon im Visier hatte. Aber er hat seine Stelle beim Veranstalter gekündigt und sich einen Journalistenausweis besorgt. Mit etwas Glück hätten wir ihn dort finden ..."

„Nein", widersprach Yesto entschlossen und setzte sich neben seinen Mitarbeiter.

„Keine Entschuldigungen!", mahnte der Chef ernst. „Wir haben es vergeigt."

Yust seufzte gut hörbar.

„Schon ... ich weiß, dass es meine Schuld ist."

Ganz unschuldig war er in der Tat nicht, doch wusste Yesto, dass er diese wichtige Angelegenheit nicht abwälzen hätte dürfen. Er hätte da sein müssen.

„Lass uns hoffen, dass Alikho durchkommt, sonst war alles umsonst."

Der Braune nickte. Yesto wollte nicht, dass Yust die ganze Schuld auf sich lud, dennoch konnte er ihm auch nicht Mitleid zukommen lassen, es wäre der falsche Weg gewesen.

„Halte mich auf dem Laufenden, wie's ihm geht!"

Mit diesen Worten erhob er sich, stieß Yust aber noch einmal leicht gegen die Schulter. Yust war verdammt froh, einen Chef wie ihn zu haben. Er war äußerst verantwortungsbewusst und tat alles, damit seine Firma ihre Aufgabe zum Schutz wichtiger Personen befolgte, machte seine Mitarbeiter aber nicht fertig, schubste niemanden herum und zeigte sich entgegenkommend. Nun aber war die Stimmung am Boden. Ein Einziger - der wahre Schuldige - war dafür verantwortlich.

Der Fernseher lief. Yesto wirbelte seine Jacke enttäuscht und lustlos über den Ständer, warf die Tür ins Schloss und trabte zu Ron ins Wohnzimmer.

„Und?",

fragte er direkt und erwartungsvoll.

„A-also ... daa bist du jaaa ..."

„Oh nein."

Yesto lief zu dem auf dem Bett liegenden Ron und nahm ihn unter die Arme, um ihn hochzuheben. Er schleifte den nach Alkohol riechenden Rüden zum Bad. Der graue Wolf leistete keinen Widerstand, fand das eher belustigend und kicherte vor sich hin.

„I-ich wweiß jetzzz ... was ichh werd'n willl ..."

Yesto stützte den Wolf an den Rand der Dusche und beugte ihn vor, während er den Duschkopf aus der Halterung nahm und den Regler auf Blau stellte.

„Bürgermeister!",

spuckte der Kleine amüsiert aus und lachte erfreut. Erst als das kalte Wasser über sein Haupt floss, erschrak er sich.

„Ieks!"

Yesto versuchte ihm seine Panne nicht böse zu nehmen, doch angesichts der vorgefallenen Sachen fiel ihm das schwer. Er hielt die Brause für einige Sekunden über seinen Schädel und stellte das Wasser dann wieder aus, er wollte ihn ja nicht ertränken.

„Geht's wieder?",

fragte er streng aber gleichzeitig ehrlich besorgt.

„Dannnn ...", lallte sein angetrunkener Partner mit den hellbraunen Augen, die in seinem Zustand glasig wirkten.

„... kann ich alllle ..."

halb tragend, halb schleifend, nahm Yesto ihn mit zum Flur.

„... bösen Chefs ... dieser Stadt ... entlass'n!"

Im Flur dann fiel er auf seine Knie, Yesto musste ihn wieder hochziehen, stets bedacht, ihm nicht richtig wehzutun. Doch etwas grob musste er ihn schon anpacken, sonst klappte das nicht. Er stellte ihn auf und sprach streng.

„Warst du überhaupt im Berufsinformationszentrum oder bist du nur wieder zur Pommes-Bude gegangen?"

Die Frage war nicht ganz abwegig, denn er hatte seine alten Pommes ja nicht zu Ende essen können.

„Neiiin!", widersprach Ron etwas ernster, doch er konnte seinen Lebensgefährten kaum ansehen.

„Ichh ..."

„Ich will, dass du ehrlich zu mir bist!"

„Ich war dah!",

stellte er halbwegs ernsthaft klar.

„Nuur ..."

Yesto wollte sich am Türrahmen des Bades stützen, doch als er die Pfote hob um das zu tun, zuckte der kleine Grauwolf zusammen.

„Hej, was ist los?!", mahnte Yesto sichtlich verärgert, doch das schüchterte den Grauen nur noch mehr ein.

„Glaubst du etwa, ich würd' dir was tun?"

Der Gedanke, dass Ron Angst vor ihm bekam, machte ihn fertig. Er tat alles für ihn, machte ihm dafür noch nicht einmal Vorwürfe, weil er ihn von seiner Arbeit weggeholt hatte und nun war er ängstlich, obwohl er ihm nie etwas getan hatte? Yesto zwang sich, es auf den Alkohol in seinem Blut zu schieben und er legte seine große Pfote auf Rons Rücken, um ihn zurück ins Wohnzimmer zu schieben, dabei aber musste er ihn stützen, da Ron kaum mehr laufen konnte.

„Werd' bitte nicht undankbar. Ich will, dass du dich ins Bett legst und deinen Rausch ausschläfst. Ich stell dir was zu trinken hin."

„Ou, ich ha-hab doch aber schon was."

Yesto legte ihn ins Bett, die Decke bis zum Hals hoch auf ihn drauf, um anschließend Wasser und Brot aus der Küche zu holen. Zum Essenmachen hatte er jetzt keinen Nerv mehr. Er war müde und wollte nachdenken. Er stellte die Sachen neben Rons Kopfende auf den Nachttisch, stellte den laufenden Fernseher ab und legte sich auf die andere Seite des Sofa-Bettes.

„Nacht", sagte er knapp.

Ron aber sah gar nicht ein, den Abend schon zu beenden und er dirigierte seine schlanke Pfote auf Yestos Bauch.

„Na komm schon ... nur ei-ein bisschen ..."

Yesto nahm seine Pfote entschieden weg und legte sie auf Rons eigenen Bauch.

„Nein, bitte nicht. Ich bin müde und muss morgen wieder früh raus. Ich will, dass du wieder nüchtern wirst, sonst läuft gar nichts!"

Er stellte das zur Bedingung, in der Hoffnung, dass Ron künftige Trink-Orgien von vornherein unterließ, da sein Partner das nicht mochte; auf jeden Fall dann nicht, wenn es gerad' so ungünstig war wie jetzt. Zum ausgelassenen Feiern hatte er wirklich nicht die Lust, es bestand kein Anlass.

Ron grummelte leise vor sich her und drehte sich zur anderen Seite um. Im betrunkenen Zustand wirkte sein Schmollen viel mehr lächerlich. Obwohl sich Yesto alle Mühe gab, seinen „Kleinen" nicht zu verletzen, so kämpfte er gleichzeitig täglich damit, seine eigenen Interessen und Pflichten zu verteidigen. Sein Blick war starr und ernst, während er darüber nachdachte, wie er in Zukunft verfahren sollte, wenn er so wichtige Klienten beschützen sollte; aber auch, wie er dem Redner und guten Freund das erklären sollte, wenn dieser wieder aufwachte ... wenn er denn aufwachte.