Dämon

Story by Noiratblack on SoFurry

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Dämon

Vorwort: Dies ist eine Geschichte, die auf bereits geschehen Ereignissen basiert. Um die Zusammenhänge zu verstehen ist es zwingend notwendig, vorher die Geschichte „Maro", „Zerodyme" und danach „Bellkur" zu lesen. Sie sind zum download bereit bei furaffinity.net/Sofurry.com, von Noiratblack, Suchwort: Maro/Zerodyme/Bellkur.

Fürchtet ihn,

den Schatten hinter euch.

Sein ist der Wind,

der auch die letzten Mauern bricht,

Ein Schimmer, weißund neblig,

für den letzten Blick.

Dämon steht auf der Klinge geschrieben,

scharf und ewig.

Epen, Gedichte, Chroniken,

die Legenden des Nachtzahns,

endlose Texte, voller Preisung,

ohne Wissen.

Doch da war dereinst die Zeit,

in der der Schatten,

wahrhaftig die Finsternis war.

Unbekannter Verfasser

Prolog: Nahe Erinnerungen

Es tut weh sich zu erinnern, mehr noch, als deine Verletzungen, ich weiß dies...erinnern, ja es schmerzt...dennoch...warum grämst du dich wegen dieser Dinge, an denen du nicht Schuld bist, Dinge, die du zu verhindern suchtest?, dachte Zero, ging zwischen den Bäumen umher. Das durch die Baumkronen herein scheinende Licht ließ ihre Federn glänzen. Das Gras bog sich weich unter ihren Pfoten.

Warum sprichst du nicht? Warum ignorierst du alles, einfach alles. Tag, Nacht, Hunger, Zeit...sogar Bellkur, den Goban, deine Schüler, von denen du mit solcher Begeisterung sprachst? Sie sah den Hang hinab, als Geschrei ihre Ohren erreichte. Kinder tollten zwischen den Bäumen umher. Da waren auch drei Mädchen. Von einem dieser Mädchen hast du einst begeistert berichtet. Sie ist deine Meisterschülerin. Nicht nur, dass sie eine herausragende Kämpferin sei, nein, sie ist begabt, anständig...vermutlich hat der Rest Menschlichkeit in dir sie für dich interessant gemacht. Deine Blicke kenne ich noch sehr gut, die Blicke von damals...deine Bemerkung über die schöne Aussicht...Ich kann es nicht begreifen. Du sitzt nur da. Ohne Bewegung, ganz ohne die geringste Kenntnisnahme von der Welt. Sie ging ihren Weg zurück, langsam und bedacht ging sie zwischen den weit auseinander stehenden Bäumen hindurch, zu dem grünen Dach über sich sehend, das sich im Wind neigte. Ihre Schritte führten sie an Maros Halle vorbei. Neben dem Eingang saß Maro, die Hände in einer meditativen Pose auf dem Schoß gefaltet. Bellkur war in der Halle, schlief seine Erschöpfung aus. Maro regte sich nicht, sah weder auf noch ihr hinterher, sah einfach nur mit leerem Blick geradeaus. Zerodyme ging an ihm vorbei, weiter zum Eingang der Siedlung.

Wieso nur. Ich begreife es nicht. Das es dich schämt...mag sein, doch wir sind dir nicht böse, da du es nicht wolltest. Sie griff an ihren Hals, erinnerte sich an den ersten Kampf. Du hast dich gewehrt, es war offensichtlich. Sonst wäre ich tot. Sonst wäre Bellkur tot. Er hatte dir unglaubliche Kräfte gegeben, Kräfte, die die unseren weit übersteigen, aber du hast ihm standgehalten. Dein Geist war mächtig. Wo bleibt also dein Stolz? Wo bleibt dieses Selbstvertrauen, das jeder nach einem solchen Erlebnis hätte?

Sie sprang beiläufig auf ein Haus, sah über die Mauer hinaus in die Welt. Hier war das Land grün. Bis zum Horizont erstreckten sich einsame Straßen, weit verteilte Dörfer und lebendige Wälder. Der Älteste stand weiter unten, sah mit gefalteten Händen zu ihr herauf. Nach einer Weile sprang sie wieder runter, ignorierte den alten Mann und ging den Weg zurück.

Es ist merkwürdig. All dies passt nicht zu dir. Du, der lehrt, der lacht, der kämpft...du...du beginnst einfach zu schweigen und ignorierst die Welt um dich herum. Wie eine Leiche schaust du, ein Toter, der vergessen hat, zu fallen.

Sie kam wieder bei Maros Halle an. Der Drache hatte sich nicht gerührt. Sein Blick glitt weiterhin leer wie der eines Toten über die Wiese und dem Grab von Rachkurius hinweg in den Wald. Ab und an zwinkerte er, sein Atem ging langsam und flach.

Wie soll ich das nur verstehen...wie nur? Selbstfindung...nein, dafür bist du nicht geschaffen, dafür hast du keine Geduld. Auch scheinst du nicht zu meditieren, denn ich würde deine magischen Kräfte spüren, wie sie sich erweiterten, wie sie konzentrierter würden.

Sie legte sich vor ihn. Er reagierte nicht, nahm mit keiner Bewegung ihre Präsenz zur Kenntnis. Sie senkte ihren Kopf, bis sie auf Augenhöhe war. Seine Augen glänzten silbern und lebendig und sie konnte deutlich den wachen Geist dahinter spüren. Und dennoch wirkten sie wie die stumpfen Augen eines Leichnams.

„Ich verstehe dich nicht, Maro. Was soll das werden? Es ist sinnlos, was du hier tust. Wir haben zu tun. Die Drachen sind Bellkurs Aufruf gefolgt und schließen sich seiner Idee an. Es könnten bereits dutzende auf der Ebene Trstre sein. Ein Dutzend sind es mit Sicherheit. Und die Drachentöter schlafen auch nicht. Bitte steh auf." Aber Maro tat ihr nicht den Gefallen. Schweigen war nur die Antwort. Sein Magen knurrte, aber er ignorierte es. Zerodyme schloss die Augen, öffnete ihren Geist weiter und drang durch den Seelenbund in Maros Inneres ein. Keine Mauer versperrte ihr den Weg. Sie spürte Angst, Enttäuschung, Scham und Verzweiflung. Der Raum war absolut finster, die Flammen verloschen. Der Wille zum Leben war weg. Eine Weile wartete sie, suchte und hoffte, doch nichts war da, keine Kerze, keine Fackel, die die absolute Dunkelheit dieses Raumes erleuchtete.

Sie öffnete ihre Magie, es ging nun wesentlich leichter, als beim letzten Mal. Ihr Körper begann schwach blau zu glimmen, ein diffuses Licht erhellte den Raum. Die Wände bröckelten, die Decke war voller Risse, der hölzerne Boden an vielen Stellen gerissen. An der Wand lehnten beide Speere, die Maro je besessen hatte, der Himmelssplitter und der Himmelstod. Beide wirkten spröde, stumpf. Auf den Boden lag, zu Holzsplittern zertrümmert, seine Flöte. In der dunkelsten Ecke konnte sie einen kleinen Schatten ausmachen, der sich auf den Boden kauerte. Weiter entfernt sah sie zwei große Körper, blutend und offensichtlich tot. Zerodyme hatte sich schon so manches Mal in ihren abwegigen Gedanken gefragt, wie es wohl sein würde, über ihren eigenen Grabstein oder ihren toten Körper zu stolpern. Nun wusste sie, es war äußerst unangenehm. Ihr Körper und die andere Leiche, Bellkur, waren jedoch kaum verletzt. Zerodyme sah an ihrem Hals eine weit offene Wunde, an Bellkurs Arm und seine eine tiefe Verletzung, aber keine weiteren Treffer.

Das waren die Hiebe, die Maro aufgehalten hatte. Die Schläge, die uns sonst das Leben gekostet hätten. Warum sind sie in seinem Geist....ausgeführt? Sie sah näher zu dem im Schatten kauernden Wesen.

Maro zitterte, weinte, fasste sich an den Kopf. Er war ein Mensch, schmutzig und in Lumpen.

„Maro.", flüsterte Zerodyme. Er drehte seinen Kopf zu ihr, seine Augen weit geöffnet vor Schreck. Kaum sah sie das, wurde sie aus seinem Geist geschleudert, so heftig, dass sie vor Schmerzen aufsprang und sich an die Stirn griff, wo ein kurzes schmerzhaftes Hämmern ihren Geist betäubte.

Ahh....Schmerz...schön wenn er nachlässt., dachte sie. Hmm...es ist wohl kein Wunder, dass du dem Namenlosen Widerstand leistetest. So schnell hat mich bisher keiner aus einem Geist gerissen. Das ist nur ein Bruchteil der Stärke von damals...dennoch eine starke Seele. Eine starke und verzweifelte Seele.

Sie erkannte, nun da sie den Raum in seinem inneren gesehen hatte, dass Maro aufgegeben hatte. Sein Willen zu Leben war verschwunden. Einfach so fort.

„Maro...es ist sinnlos, was du tust. Es ist...es hat keinen Zweck, sich aufzugeben.", sagte sie mitfühlend. „Bitte steh auf." Doch Maro regte sich nicht. Zero bezweifelte, dass auch nur ein Wort seinen Geist erreicht hatte. Deutlich hatte sie die kleine, kümmerliche Figur in der Ecke noch vor Augen. Er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, hatte keinen Anteil mehr an der Realität.

„Bei Gaia, tu das nicht. Maro, wir haben alle Respekt vor dir, großen Respekt. Es gibt keinen Grund, aufzugeben. Der Zauber ist gebrochen."

Er hörte nicht. Er hörte nichts.

Der Abend kam und ging. Rasch legte sich die Nacht über den Hang und offenbarte hinter dem Blätterdach viele Sterne im klaren Himmel. Maro saß immer noch an derselben Stelle. Zerodyme kam von einem lang ausgedehnten Flug zurück. Bellkur im inneren der Halle leckte vorsichtig seine Flanke, wo eine frische, noch nicht verheilte Narbe war. Zerodyme ging hinein, um ihren Heilzauber fortzusetzen. Sie wandte sich noch einmal an Maro, die auf ihn gerichteten sonst so warmen Augen kalt und fern.

„Gute Nacht...Maro...du so genannter Dämon."

Kapitel 1: Maro, Wahnsinniger

Zwei Wochen zuvor.

Bellkur war zu Besuch bei Maro, zumindest hatte er das vorgehabt.

„Vergebt mir, Meister Bellkur, aber der ehrenwerte Meister Maro ist nicht da.", sagte ihm der Älteste, als Bellkur vor dessen großer Halle stand. Er spürte, auch wenn der Älteste ihm das Gegenteil versicherte, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Der Steingarten war in Unordnung, das Innere der Halle staubig. Die Übungsstöcke lagen unordentlich übereinander.

„Wie lange ist er fort?", fragte der den Ältesten.

„Schon einige Zeit, Meister Bellkur. Es müssen inzwischen drei Monate sein. Er verließ uns rasch."

„Wieso?"

„Das weiß ich nicht, Meister Bellkur." Der Greis machte eine schnelle, entschuldigende Verbeugung. „Seine Schüler beobachteten ihn bei Übungen. Er schien aufgebracht. Sie können sich allerdings an nichts weiter erinnern. Mich beunruhigt dies, denn wir fanden sie alle bewusstlos, aber unverletzt."

„Ältester!", rief eine Stimme durch die Bäume. Ein junger Mönch, ein Jugendlicher, gekleidet in eine gelbe Kutte, den Bellkur auch schon bei Maros Lehrstunden gesehen hatte, kam durch die Bäume auf sie zugelaufen. Als er bei ihnen ankam, stützte er seine Seite mit der Hand, rang um Atem, hielt nur einen Fetzen Papier hin. Der Älteste nahm ihn, erstarrte, als er sah, was darauf stand.

„Was ist das?", fragte Bellkur. Der Älteste zeigte es ihm. „Maros Kopfgeld? Das kenne ich scho...", er brach ab, als er unter der ihm wohlbekannten Zeichnung die Summe sah. Er erinnerte sich noch an Vanitasus und das Kopfgeld, dass der Fürst einst auf ihn, Zerodyme und Maro ausgesetzt hatte. Für Zerodyme waren es siebentausend, für Maro neuntausend und für Bellkur zehntausend Goldforin gewesen, aber nachdem Vanitasus von seiner eigenen Kreatur umgebracht worden war, war auch das Kopfgeld wieder verschwunden und Zerodymes und Bellkurs Namen, zu ihrer eigenen Freude, wieder halbwegs unbekannt geworden. Aber das...

„Zwanzigtausend Goldforin.", flüsterte Bellkur. Das konnte nur ein Schreibfehler sein. Es gab Fürstentümer, die nicht so viel Geld hatten. Wer würde eine solche Summe ausstellen? Er las unter der Summe Hohe Akademie Treriens. Es war die renommierteste Magieschule, selbst über Landesgrenzen hinweg war sie für ihr hohes Niveau berühmt. Zudem war sie die einzige, deren politische Position, trotz andauernder Kriege und ihrer Nähe zu insgesamt vier verschiedenen Ländern, nie angezweifelt, noch je angegriffen worden war.

„Eine solche Summe...womit hat er sich denn die verdient?", fragte Bellkur den Ältesten. Der alte Mönch räusperte sich, stieß mit dem Ellenbogen den jungen Mann nach vorn. Der sah ein wenig hilflos zu Bellkur hoch.

„Ich...ähm, al...also...äh...die Sache ist die...dass..."

„Sprich klar, Junge.", befahl Bellkur. Der Mann schluckte, er schien Angst zu haben, obwohl Bellkur sich alle Mühe gab, nicht besonders Furcht einflößend auszusehen.

„Maro...Meister Maro...wurde gesehen, wie er den Fürst dieser Ländereien ermordete und seinen Meistermagier. Er wurde gesehen, wie er eine Gruppe reisender Landzauberer meuchelte und er einige Überlebenden beschrieben ihn als den Angreifer einer kleinen Elfenenklave, die etwa zwei Tagesreisen im Norden liegt. Zudem soll er auch die Hohe Akademie Treriens angegriffen haben und dabei ein Blutbad angerichtet haben."

„Wie viele hat er dort getötet?"

„Nahezu alle Lehrer. Den Direktor und sämtliche Leibwachen und..."

„In Zahlen bitte."

„Hunderte. Die Schule ist sehr groß und hat hunderte Drachentöter und Söldner als Wachen eingestellt gehabt. Es heißt, ein ganzer Gebäudeflügel sei dem Kampf zum Opfer gefallen."

„Und er hat sie einfach getötet? Einfach so angegriffen? Ich kann das nicht glauben. Maro kämpft nie ohne Grund!"

„Meister Bellkur.", meldete sich wieder der Älteste zu Wort. „Wir glauben von alledem nichts. Es sind vermutlich Taten von jemandem, der seinen Namen beschmutzen möchte. Ich kenne ihn sehr gut. Wenn er tötete, dann weil es sein Auftrag war. Und selbst solche Aufträge durchdachte er gründlich, denn er wollte niemandem dienen, der unserem Orden oder unseren Grundsätzen schadet."

„Umso mehr macht dies keinen Sinn.", bemerkte Bellkur. Er wandte sich wieder an den Jungen. „Sag, weißt du, wie jener Angreifer kämpfte? Wurde darüber irgendetwas berichtet?"

Der Mann deutete bloß schweigend auf das Papier, welches der Älteste immer noch in seiner Hand hielt. Bellkur griff danach, hielt es vorsichtig in seiner Kralle und sah mit zugekniffenen Augen auf die kleine Beschreibung unter dem Bild. Er brauchte eine Weile, um die engen Schriftzeichen zu entziffern.

„Maro, der Dämon, auch der weiße Nachtzahn genannt.", las er vor. „Tot oder Lebendig. Gesucht wegen...Angriff...Massaker...hatten wir alles schon...ah, benutzt einen Speer, der Magie fähig, zerstörte die Versammlungshalle der Hohen Akademie Treriens mit einer Windklinge...hier ist eine Beschreibung von ihm, die stimmig ist...ich nehme an, das klärt die Sache. Zumindest dafür ist er verantwortlich."

„Doch Magie kann imitiert werden.", sagte der Älteste.

„Kann sie.", bestätigte Bellkur, „Aber nicht so einfach in einigen Monaten. Um ein Gebäude nach einer so kurzen Lehrzeit zu zerschneiden muss man sehr begabt sein, oder man hat schon lange geübt."

Bellkur kannte Maro seit mehr als einem Jahr. Seitdem war dieser berühmte Zauber, die fliegende Klinge, immer stärker und schneller geworden. Lediglich die Kontrolle entglitt Maro und er hatte keine solche magische Stärke wie Bellkur, doch er war der Magie erst seit fast zwei Jahren mächtig. Für so einen kurzen Zeitraum des Beherrschens hatte er schnell gelernt. Aber er war niemals stark genug, um sich mit hunderten zu messen, die entweder ausgebildet im Kampf gegen Drachen waren oder meisterhafte Zauberer. Selbst wenn er Bellkur und Zerodyme an seiner Seite gehabt hätte, wären sie auch zu dritt gescheitert. Irgendetwas stimmte nicht.

Laut Beschreibung musste er es sein. Aber nach Bellkurs Wissen um seine Fähigkeiten konnte er es nicht sein.

„Wenn ich nur wüsste wo er ist..." Bellkur stutzte. Selbstverständlich wusste er wo Maro war. Er brauchte nur Zerodyme fragen.

Schnell öffnete der Avial seine Flügel und raste zum Horizont, von günstigen Winden getragen.

Zerodymes Wald hatte sich innerhalb der Monate schnell von dem Brand erholt. Die Bäume ließen neue Zweige sprießen, Gras wuchs aus dem Boden und regelmäßiger Regen wischte bald alle Spuren des Feuers fort. Die Asche war ein guter Nährboden für die Pflanzen und nach nur wenigen Wochen und etwas Hilfe von Zerodymes Magie, war der Boden wieder von Farnen und Moosen bedeckt. Lediglich die Bäume würden noch einige Jahre eine Narbe in das einheitliche Bild reißen.

Täglich besuchte die Coatyl diesen Ort, sah nach den Pflanzen und den Tieren, der Gegend. Besonders die Vögel schienen sich über die abgebrannten Bäume zu freuen, boten sie doch ausgezeichnete Nistplätze. Auch die Schlange, die Zerodyme einst aus dem unterirdischen Irrgarten von Vanitasus's Schloss gerettet hatte, war in der Gegend, allerdings um zu jagen und sie fauchte Zerodyme ungehalten an, als sie sie störte. Zerodyme fauchte zurück und ein Augenzwinkern später war die Schlange im Unterholz verschwunden.

„Feigling.", murrte Zerodyme, „Im Labyrinth warst du wesentlich mutiger."

Sie ging aus dem Wald, betrachtete die Ebene, auf der vor einigen Monaten Maro gegen die Armee gekämpft hatte. Noch immer lagen Schilder, verwesende Leichen und Trümmer der Katapulte herum, denn niemand näherte sich nur auf einen Kilometer ihrem Wald, nachdem die Nachricht sich verbreitet hatte, die schwarze Bestie könnte sich zu allem Überfluss auch noch teilen und in mehreren Gestalten erscheinen. Zerodyme musste regelmäßig über diese Geschichte, dir ihr Bellkur erzählt hatte, lachen. Normalerweise erfuhr sie solche Dinge von Maro.

Maro., dachte sie plötzlich und ihre Freude war dahin. Sie hatte nichts mehr von ihm gehört und obwohl sie ihren Geist für den Seelenbund wieder geöffnet hatte, schien er eine Mauer errichtet zu haben. Eine starke Mauer. Sie konnte ihre Verbindung in keiner Weise mehr spüren. Sie machte sich Sorgen.

Eine magische Kraft erschien in der Ferne. Sie erkannte sofort Maros Charakter in der schnellen, kaum fassbaren Aura. Aber...

Das kann nicht sein!, dachte sie, und sah Richtung Norden, aus der sie ihn spürte. Seine Kraft ist unglaublich...was hat er gemacht?

Maro landete einige Minuten später in ihrer Nähe. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Er wirkte angespannt. Seine Aura war wesentlich mächtiger.

„Maro. Was ist mit di..." Maro hob plötzlich die Waffe. Mit der Bewegung entfesselte er die Winde, die pfeilförmig auf Zerodyme zuschossen. Sie wich aus, sah hinter sich, wo der Zauber einen Baum durchlöcherte.

„WAS SOLL DAS?!", brüllte sie ihn an. Maro antwortete nicht. Seine Augen weit aufgerissen, wirbelte er den Speer, hielt ihn hinter sich, den Schaft zu Zerodyme zeigend, die andere Hand nach vorn ausgestreckt. Er machte eine auffordernde Geste.

„Maro...ich hoffe du hast eine gute Erklärung. Wenn du einen Übungskampf willst, kannst du das wenigstens ankündigen." Maro reagierte nicht, starrte sie nur auf eine unheimliche Weise an. Sie machte nervös einen Schritt zurück. Im selben Moment machte er mit demselben Bein einen Schritt vorwärts.

Was ist mit ihm?, fragte sie sich. Der Spiegelschritt? Sie machte einen weiteren Schritt zurück, Maro imitierte sie. Was soll das? Den benutzt er sonst nur...nur...wenn er es ernst meint...ebenso der Kampfstil...sonst hält er den Speer seitlich...es sei denn, er will töten, dann hält er ihn auf diese Weise...will...will er wirklich...

Zerodyme wurde anders. Das konnte nur einer seiner blödsinnigen Scherze sein, mit denen er sie sonst so aufzog und dieses Mal hatte er den Bogen schlicht überspannt. Doch ein Blick in seine Augen und das Gefühl, das seine Magie verursachte, belehrten sie eines besseren. Maro wollte einen Kampf. Einen ernsthaften Kampf ohne Zurückhaltung, Freundschaft und Gnade.

„Das kannst du nicht ernst meinen, Maro.", warnte ihn Zerodyme und befreite ihre Aura, die wesentlich größer war, als die ihres Gegners. Maro blieb unbeeindruckt. Er deutete mit seinem Speer zum Wald. Flammen tanzten um die Klinge herum. Ehe Zerodyme reagieren konnte, brannte ein Baum, spontan in Flammen aufgegangen.

Zerodyme schrie auf, befreite sofort ihre Magie und unterdrückte das Feuer. Die Sonne war heiß, das Wetter trocken. Es fiel ihr schwer, das Feuer unter Kontrolle zu bringen und endlich mit starken Winden endgültig zu löschen.

„MARO!!!", brüllte sie. Nichts brachte sie, sonst stets mit Geduld gesegnet, so schnell in Rage, wie Schaden an ihrem Wald.

Maro stand wieder in seiner Pose, machte wieder die herausfordernde Geste. Er bleckte die Zähne. Sein Speichel rauchte, als er dickflüssig auf den Boden tropfte, sich durch Gras und Erdboden fraß. Seine Augen forderten den Kampf, kannten kein anderes Ziel.

„Du hast es nicht anders gewollt. Mach dich auf was gefasst...und überlege dir schon mal eine gute Erklärung.", zischte Zerodyme und stürmte auf ihn zu.

Kapitel 2: Zerodyme versus Maro

Den ersten Schlag sah sie nicht kommen. Sie hatte ihn nicht unterschätzt, obwohl Maro körperlich als auch in magischen Fertigkeiten weit hinter ihr zurückstand. Sie hatte mit aller Kraft zugeschlagen, und dennoch hatte sie nicht einmal gesehen, wie Maro den Speer mit nur einer Bewegung seitlich gegen ihren Kopf schlug und sie zu Boden warf.

Aus der Bewegung heraus rollte sie weiter, blind mit den Krallen zuschlagend. Mehrmals hörte sie den Speer neben ihrem Kopf sich in den Boden bohrend. Sie befreite ihre Magie in einer Druckwelle blanker Energie, die Maro zurückwarf. Kaum hatte er sein Gleichgewicht wieder, griff er an, kampfeslustigen Glanz in den Augen.

Zerodyme wich vor der schnellen Klinge zurück, beschwor das Wasser mit einem tiefen Summen, aber sie konnte sich kaum auf die Melodie konzentrieren. Zu schnell hagelten die Schläge auf ihre Mauer ein, die langsam aber sicher brach. Zerodyme befreite ihre Magie, ließ alles Wasser in der Umgebung schlagartig gefrieren, aber Maro schien es geahnt zu haben. Er sprang zurück, befreite seine eigene Aura. Flammen begannen um ihn herum zu tanzen. Er erhitzte die gesamte Luft, so dass alles wieder schmolz und die Wiese sich in ein Schlammfeld verwandelte.

Wann hat er Feuermagie gelernt?, fragte sich Zerodyme erschrocken. Sie baute sofort wieder eine Mauer auf, als Maro begann, fliegende Klingen auf sie loszulassen. Sie sprang fort, erhob sich in die Luft. Maro folgte ihr.

Wütend zischte sie, als er mithilfe seiner Windmagie Tempo aufnahm.

Lange hält er das nicht mehr durch., dachte sie, während die beiden Drachen in der Luft tollkühne Flugmanöver ausführten, sich in Steilflügen bekämpften, ständig versuchend, das Genick des Gegners zu packen zu bekommen.

Zerodyme konnte endlich seinen Arm fassen, hielt mit der anderen Hand Maros Speer von sich. Sie knurrte Maro siegreich an, befreite ihre Magie, um ihn zu fesseln und seiner Kräfte zu berauben. Doch ehe sie erneut ihre Stimme erheben konnte, spuckte er sie an. Ein Fluch lag ihr auf den Lippen, als ihr plötzlich einfiel, dass dies kein normaler Speichel war. Augenblicklich konnte sie das Brennen spüren.

Schreiend stieß sie ihn von sich, raste zu einer nahen Wolke und verdichtete dort das Wasser. Sie tauchte in die Wasserblase ein, sich wie von Sinnen das Gesicht reibend. Der Schmerz blendete sie, machte sie rasend vor Wut. Rasch nutzte sie ihre Magie und heilte die Säurewunden in ihrem Gesicht.

Zerodyme sah nach draußen. Maro flatterte in einigem Abstand zur Wolke, zu ihr sehend. Er kam nicht näher, denn wo viel Wasser war, hatte Zerodyme einen klaren Vorteil. Sie steckte ihren Kopf aus dem Wasser, fixierte ihren Feind. Sie ließ die Wasserblase auf ihn zuschweben, aber Maro wich zurück.

„Du bist nicht Maro.", sagte sie zu sich selbst. „Du bist feige. Zu feige, dich mir in meinem Element zu stellen."

Maro wich rasch weiter zurück, als sie sich ihm näherte. Sie nutzte ihre Stimme, beschwor nun auch das Wasser aus weiter Ferne. Maro sah sich um, sah die Wolken auf ihn zukommen, die ihn langsam umschlossen und die Sicht raubten. Zerodyme hingegen konnte durch den dichten Nebel sehen. Maro flatterte auf der Stelle, hielt seine Waffe abwehrbereit in der Hand, hatte die Augen geschlossen. Er baute eine Schutzmauer auf. Seine Magie konzentrierte sich jetzt auf sein Gehör.

Nun kriege ich dich., dachte Zerodyme hinterlistig. Lautlos schwebte sie in ihrer Wasserblase weiter. Da Maro seine gesamte Kraft auf seinen Körper, eine Mauer und sein Gehör konzentrierte, konnte er nicht die Umgebung abtasten, um sie zu erspüren. Ebenso lautlos begann ein Netz aus Wasser ihn einzuschließen.

Maros Magie verließ sein Gehör, breitete sich prüfend aus. Zerodyme wich sofort zurück, war aber zu langsam. Maros Magie streifte sie und sofort schlug er eine fliegende Klinge in ihre Richtung. Sie wich wieder aus, plötzlich war er vor ihr, war im Schatten der mit Blitzen verzerrten Klinge geflogen. Er packte sie am Hals, zerrte sie aus der Wasserblase, drückte sie unter sich. Zerodyme fiel, Maro hielt ihre Vorderpranken, die Knie in ihren Bauch gestützt und ließ sich mit ihr fallen. Sie versuchte, ihn unter sich zu drücken, doch in seinen Armen lag eine wahnsinnige Kraft, die ihr keine Möglichkeit ließ. Zerodyme wurde panisch. Sie wusste, sie würde einen Sturz aus der Höhe nicht überleben. Verzweifelt versuchte sie ihre Hände aus seinem harten Griff zu befreien, schlug ihn mit ihren Flügeln, aber er packte nur umso fester zu. Sie vergaß alle Vorsicht und biss zu, packte seinen Hals. Er schrie auf, ließ sie los und versuchte mit seinen Händen ihr Maul zu öffnen. Sie schlug ihn in die Seite, warf ihn mit einem Ruck fort. Der Boden war nur noch Meter unter ihr. Instinktiv baute sie eine Mauer auf, die den Aufprall abfing.

Ihre Mauer brach wie Glas, die Wucht trieb Zerodyme die Luft aus den Lungen und sie spürte am ganzen Körper Schmerzen. Aber sie hatte es überlebt. Sie sah neben sich. Maro hatte sich auf dieselbe Weise abgefangen, doch er hatte mit dem Sturz gerechnet. Seine magische Mauer stand noch.

Wo ist sein Speer?, fragte sich Zerodyme, als sie sah, dass er seine Waffe nicht mehr in seinen Händen lag. Ihr Körper agierte, bevor sie überhaupt dachte. Ihre Aura breitete sich aus, doch er lag nicht auf den Boden. Im selben Moment sah sie nach oben. Er schoss direkt auf sie zu.

Zerodyme rollte sich weg, der Speer schlug eine Sekunde später dort ein, wo ihr rechter Flügel gewesen war. Geistesgegenwärtig packte sie den Speer, zog ihn aus der Erde und warf ihn von sich, weit weg von Maro. Sie sprang auf, das Adrenalin betäubte ihren schmerzenden Körper.

Maro schien trotz des Verlustes seiner wertvollen Waffe nicht beunruhigt. Stattdessen hatte er seine Arme in einer abwehrenden Haltung, die Krallen und Fangzähne glänzten gefährlich in der Sonne. Zerodyme wusste durch den Seelenbund, durch die Erinnerungen Maros, dass er auch ein Meister des waffenlosen Kampfes war, aber dennoch hatte sich die Situation zu ihrem Gunsten gewendet.

Zerodyme ging langsam auf ihn zu, stets bereit, weg zu springen oder Magie einzusetzen. Maro seinerseits bewegte sich nicht, schien zu überlegen.

Er ist nicht er selbst. Nie hätte er seinen Speer aus der Hand gegeben, nie hätte er in einer solchen Situation zur Defensive gewechselt. Dafür war er zu stolz...aber er ist es...er muss tatsächlich den Verstand verloren haben.

Zerodyme kannte Wahnsinnige. Ihre Kraft war meist weitaus stärker, als sonst, vielleicht weil sie keine Vorsicht und keine Skrupel mehr kannten. Aus irgendeinem Grund schien ihr Maro dennoch nicht wahnsinnig. Seine Augen hatten nicht diesen irren Glanz, sein Körper gehorchte ihm vollkommen und er war in der Lage, komplexe Taktiken zu erstellen und einzusetzen.

Wahnsinnig oder nicht ist unwichtig...er ist ein Gestenmagier, aber durch den Seelenbund hat er bestimmt schon einiges von meiner Magie erlernt...ich muss ihn also vollkommen bewegungsunfähig machen. Er darf sich weder regen, noch seine Stimme benutzen können.

Maro änderte seine Pose. Seine Magie konzentrierte sich auf seine Hände. Sie verlängerte seine Krallen, schuf einen Panzer, der sich langsam um seinen ganzen Körper legte. Dieser Panzer, das spürte Zerodyme deutlich, würde den meisten physischen wie auch magischen Attacken ohne Probleme widerstehen.

Maro begann seitlich zu gehen. Er versuchte in einem Halbkreis um Zerodyme herum zu kommen. Zerodyme ging mit ihm, blieb immer zwischen ihm und seinen Speer. Sie begann, ihre Magie zu fokussieren und das Wasser aus den Wolken und der Luft herabzuziehen. Sie wusste aber, um ihre Kraft voll zu entfalten, musste sie wieder ihre Stimme erheben, und das würde Maro ausnutzen. Hinterlistig begann sie einige ätherische Verwirbelungen in die Wolken zu setzen. Maro sah nach oben, einen Moment abgelenkt.

Im selben Moment geschahen viele Dinge.

Sie erhob ihre Stimme, befahl dem Wasser, wie ein Blizzard auf Maro nieder zu gehen. Ebenso entfesselte sie die Winde mit einem Schweifhieb. Maro, ohne hinzusehen, packte diese Winde, schleuderte sie vielfach verstärkt zurück, sprang mit einem gewaltigen Satz auf sie zu. Bellkurs Aura tauchte in weiter Ferne auf, näherte sich schnell. Zerodyme musste die Winde abwehren, ihre Magie flackerte für einen Moment und der Blizzard geriet außer Kontrolle. Maro sprang über sie hinweg, während sie den Winden standhielt. Brüllend griff sie nach ihm. Sie packte seinen Schweif, riss ihn zu Boden. Maro wand sich unter ihr, mehr denn je wie eine Schlange wirkend, und schlug mit seinen magischen Klauen gnadenlos zu. Zerodyme versuchte ihn weiter zu halten, ihn mit Eis und Schnee festzufrieren, doch eine plötzliche Hitze, die überall aus Maros Körper zu kommen schien, schmolz es weg, ließ Zerodyme vor Schmerz aufschreien. Sie ließ los. Maro überwand die letzten Meter zu seinem Speer in einem weiteren Sprung. Zerodyme versuchte ihn mit einer Energiewelle zu überwältigen, doch kaum hatte Maro seinen Speer, stemmte er seine Beine in den Boden, hielt der Welle durch bloße Kraft stand, sprang zurück und führte einen Rückhandschlag.

„ZERODYME!!!", schallte Bellkurs Stimme durch die Luft, vor Angst vielfach verstärkt. Zerodyme regte sich nicht mehr, stand erstarrt da, den Kopf vor Überraschung leicht zurückgeneigt. Sie kannte Maros Rückhandschlag. Ein simpler, waagerechter Hieb, der immer darauf abzielte, die Kehle des Gegners zu öffnen und sie kannte auch die Pose, in der er verharrte, nach dem Schlag, und sie kannte die Totzeit, diese Stille, diese Sekunde, die es dauerte, bis das Opfer bemerkte, dass es keine Luft mehr holen konnte, dass es tot war. Sie glaubte schon diese Pose zu sehen, zu sehen, wie ihr eigenes Blut den Boden tränkte, wie die Finsternis sie holte und er sich siegreich über sie beugte. Sie sah es durch ihr inneres Auge, durch ihre Vorstellung, als wäre es real, doch langsam, sehr langsam, ließ sie der Schock los und erlaubte ihr, die Wirklichkeit zu erkennen.

Die Klinge berührte Zerodymes Hals. Einige abgeschnittene Teile von ihren Halsfedern fielen langsam wirbelnd in dem ersterbenden Blizzard zu Boden und landeten auf den weißen Hagelkörnern. Ein dünner Blutstropfen rann an der Klinge entlang langsam zum Griff und löste sich von der Waffe. Dieser Tropfen fiel einsam.

Exakt an der Stelle, in der die Klinge ihre Haut berührte, hatte Maro gestoppt. Sein Kopf war ihr zugewandt, seine wütenden Augen fixierten seinen Arm, der sich weigerte, weiterzumachen. Er knurrte, holte erneut aus, Zerodyme rührte sich nicht, immer noch geschockt, und wieder schlug Maro zu. Dieses Mal war es sein linker Arm, der den Speer aufhielt, in letzter Sekunde nach ihm griff und den tödlichen Hieb abbrach. Maros Kopf sackte nach vorn, sein Gesicht schmerzverzerrt, fluchte er.

Ein Energieball raste zwischen sie beide, entließ eine heftige Druckwelle, die beide weit voneinander schleuderte. Zerodyme fing sich in der Luft, landete schlitternd im Matsch, Bellkur landete Sekunden später neben ihr, beide sahen zu Maro.

Er war hart auf dem Boden aufgeschlagen, rollte sich, vor Schmerzen zusammengekrümmt, über den Boden. Er schrie, stöhnte, hielt sich sein Gesicht, doch er schien unverletzt. Seine Magie tobte um ihn herum.

„Was...was ist mit dir? Bist du in Ordnung...Zero...hat...hat er...?"

„Er hat es versucht.", antwortete Zerodyme auf Bellkurs gestammelte Frage. „Er hat es ernsthaft versucht."

„Maro!", rief ihn Bellkur wütend. Maro wand sich immer noch unter Schmerzen, doch sie schienen langsam nachzulassen. Bellkur wollte auf ihn zugehen, aber Zerodyme hielt ihn zurück, den Kopf schüttelnd.

„Irgendetwas ist mit ihm..."

„Selbstverständlich! Er hat versucht..."

„Eben!", unterbrach ihn Zerodyme. „Er muss den Verstand verloren haben...er hätte es tun können...aber er tat es nicht."

Maro kämpfte sich auf, wandte sich ihnen zu. Sofort nahm er eine Kampfpose ein, der Schmerz, was auch immer ihn ausgelöst hatte, war fort. Zerodyme und Bellkur spürten, wie er seine Magie sammelte. Bellkur sammelte die seinige, doch Zerodyme erstarrte. Sie spürte, dass Maros Kraft stieg. Auch der Avial spürte dies und hielt ein, verwirrt. Einen Moment später sahen sie, warum. Das Gras um Maro herum starb ab. Er entzog den Pflanzen ihre Lebenskraft. Das war dunkle Magie.

„Bellkur, sosehr es mir missfällt, wir müssen uns zurückziehen.", sagte Zerodyme.

„Was?", fragte der Avial.

„Er beherrscht jetzt Feuermagie...und nun diese seltsame Magie...er ist begabt, aber niemand ist so begabt. Irgendetwas geht hier nicht mit rechten Dingen zu."

Ohne auf Bellkurs Reaktion zu warten öffnete sie die Flügel und flog. Bellkur folgte ihr nach kurzem zögern. Maro sah den beiden hinterher, die Augen zornig, seine Aura wütete und tötete einen Teil der Wiese ab. Langsam machte er sich an die Verfolgung.

Kapitel 3: Zerodyme, Bellkur und eine dunkle Seele

„Wieso, Zerodyme? Wieso sind wir geflohen? Wir hätten ihn besiegen können."

„Ich bin am Ende meiner Kräfte Bellkur...und auch wenn seine Magie deiner nicht ebenbürtig ist, so hätte er vielleicht sogar gegen dich gewonnen. Vielleicht."

„Zero..."

„Er ist stark geworden...und schnell...sehr schnell..."

„Wieso nur..."

„Nicht...jetzt...Bellkur.", bat Zerodyme in ihrem befehlenden Tonfall.

Ihr Flug brachte sie fort von ihrem Wald, weit über die Festung Excelsius, aus der einst ihr Wald angegriffen worden war. Sie hatte sie nie besucht oder sich dafür interessiert, wie die ganzen Armeen versorgt wurden, obwohl sogar ihr die Geschichten über die beispiellose Bauweise zu Ohren gekommen waren, doch nun war es auch zu spät. Die Festung lag in Trümmern. Menschen suchten unter den Trümmern Dinge, die sie verwerten konnten, die noch irgendeinen Wert hatten.

Die Drachen flogen weit, weit weg. Tief in der Nacht des übernächsten Tages erreichten sie die Ebenen, die kurz vor dem östlichen Meer, nahe der zerstörten Stadt Hioldon, lagen. Dort rasteten sie, denn nachdem sie zwei Tage nahezu ohne Unterbrechung geflogen waren, verlangten ihre Körper nach einer Pause.

Sie ruhten auf einem großen Fels, der weit über das Plateau herausragte, es überblickte. Die Tiere hatten Reißaus genommen, Menschen waren kaum welche in dieser Gegend. Wer oder was auch immer sich ihnen hier näherte, sie würden es rechtzeitig bemerken.

„Was tun wir nun?", fragte Bellkur Zerodyme. Sie schloss die Augen, rieb sich angestrengt das Gesicht. Vor ihrem inneren Auge rasten immer noch die Schläge, die Hiebe, die auf ihren Schild eingehagelt waren. Sie sah den Schlag, der nicht zu Ende geführt worden war, die Magie, die meisterhaft kontrolliert worden war.

„Ich habe inzwischen einiges über die Magie begriffen, Bellkur. Zum einen, beherrsche ich eine andere Magieart als ihr beide. Ihr beide, Maro nennt es Äther, du nennst es Anergie...es ist dennoch fast dasselbe."

„Was..."

„Schweig. Lass mich ausreden. Ich muss selbst erst meine Gedanken fassen. Das...das merkwürdige an unserer dreier Magie ist, du lerntest deine Magie in deiner Welt, ich in meiner, Maro in seiner. Und dennoch, obwohl Gaia die Welten erschuf...", Bellkur setzte an zu widersprechen, aber Zerodyme gab ihm einen warnenden Blick. Bellkur notierte sich in seinem Geist, dieses Thema besser nicht mit ihr zu diskutieren. „Obwohl sie sie erschuf und auch ich eine Magierin bin, sagen mir meine Sinne sogar jetzt, da ich nichts spüre, außer deine magische Aura, dass die Anergie nicht existiert. Und dennoch kannst du deine Magie so frei einsetzen, wie auch in deiner Welt. Ebenso Maro. Also bleibt der logische Schluss, dass die Magie in allen Dimensionen gleich ist, wir sie nur anders verstehen und lernen. Ja...ich spüre diesen Äther, die Magie, von der ich ein wenig von dem Namenlosen gelernt habe, wie sie alles durchzieht wie ein Nebel und wie sich dieser Nebel um Magier und Magie an sich beugt und bricht. Aber diese Anergie, diese geistige Lebensenergie von der du stets sprichst...sie spüre ich merkwürdigerweise nicht."

„Und was hat das nun bitte mit Maro zu tun?", fragte nun Bellkur. Sein Ton war aufgebracht.

„Er hat die ätherische Magie gelernt. Er beherrschte sie schon immer, da sie aus seiner Dimension stammt. Durch den Seelenbund hat er etwas von meiner Magie verwendet, der allgemein als Elementarmagie bezeichneten Kräfte. Das Feuer...es war offensichtlich keine ätherische Magie, sondern elementare. Und was noch? Was war dieser Zauber, der die Pflanzen tötete?"

„Der Schattenzauber, der das Gras tötete, war eine Form des Raubes der Anergie."

„Von deinem Gesichtsausdruck schließe ich, es war eine weit fortgeschrittene Form dieser Magie."

„Ja. Äußerst weit sogar. Selbst für mich ist das schwer."

„Das macht die Sache nur noch seltsamer." Zerodyme holte tief Luft, stand auf und ging auf dem Felsen einige Schritte. Bellkur beobachtete sie abwartend, während seine Sinne den Horizont im Blick behielten.

„Maro ist talentiert.", sagte Zerodyme und wandte sich zu Bellkur um. „Er ist vermutlich sogar einer der talentiertesten Magier, die ich je gesehen habe. Aber er ist nur begabt in der Windmagie. Andere Formen konnte er in einem geringen Maß erlernen und dies langsam, doch...er ist begabt, aber niemand ist so begabt, dass er Wind-, Feuer-, und Schattenmagie innerhalb von drei Monaten zu einer solchen Perfektion bringt, ebenso ist es unmöglich, zwei Magieformen aus anderen Dimensionen, seinem Verständnis von Magie völlig fremd, so schnell zu erlernen. Gegen wen...oder was ich auch immer gekämpft habe, es sieht aus wie Maro, es agiert wie Maro, es benutzt dieselben hinterlistigen Kampftaktiken, aber es ist nicht Maro."

„Er ist es.", widersprach Bellkur. „Ich habe seinen Anergiestrom deutlich gesehen. Während man die Sinne mit einer Illusion vielleicht täuschen kann, kann man meine Augen nicht täuschen. Und speziell seine Anergie würde ich unter hunderten wieder erkennen."

Zerodyme versank in Gedanken, doch Bellkur hatte eine Idee, was es mit seinem plötzlichen Irrsinn auf sich hatte. Er hatte die Dunkelheit in Maros Seele förmlich gesehen, damals, als sie die Drachentöter gefoltert hatten. Und dieser ziellose Zorn, diese Wut, nachdem Maro gescheitert war, Zerodymes Wald zu beschützen.

„Es mag vielleicht Dunkelschein sein.", sagte Bellkur. Zerodyme sah auf, ein fragendes Gesicht machend. Bellkur begann zu erklären: „Der Dunkelschein ist etwas, was laut der Lehre der Anergie in jedem von uns schlummert, eine Art dunkle Seite unserer Seele. In den meisten Lebewesen macht sie sich kaum bemerkbar, aber die Dunkelheit kann sich in eine Seele fressen und wachsen, bis sie ausbricht. Ich selbst habe es auch einst erlebt."

„Könnte man das auch Wahnsinn nennen?"

„Nein. Es ist tiefer, böser. Wahnsinn ist beständig und in bestimmten Maße abzusehen, wenn er erst einmal vorhanden ist. Aber Dunkelschein ist wie Gebiet, in dem es Wirbelstürme gibt. Man kann die Konsequenzen nicht vorausberechnen."

„Und wie wirkt sich das aus?"

„Man wird zur Bestie. Man will nur noch töten. Und man tötet auf grausamste Weise. Irgendwann, nach einer Weile, hat sich diese Finsternis ausgetobt und verschwindet wieder, aber sie bleibt in einer Art Stasis und wartet."

„Bekommt man durch einen solchen Dunkelschein die Gabe unbekannte Magieformen zu lernen und wird man dadurch in dem Maße mächtiger, wie Maro?"

„Nein.", sagte Bellkur ruhig. „Zudem ist es auch nur zeitlich begrenzt. Aber dennoch, wenn dieser Dunkelschein zu stark ausbricht, ich selbst habe das noch nie gesehen und weiß deshalb nichts darüber, dann wird das ein dauerhafter Zustand und möglicherweise kann das dann mit neuen Fähigkeiten einhergehen. Weißt du, was Maro alles getan hat, in den drei Monaten?"

„Nein. Was?"

Und Bellkur erzählte ihr, was er von dem jungen Mönch erfahren hatte, wie Maro sein Zuhause einfach verwaisen ließ und auch, dass in einem Gasthaus, neben dem er während seines mehrtägigen Fluges zu Zerodymes Wald gerastet hatte, einige neue Geschichten gehört hatte. Maro hatte bereits einen anderen Drachen erschlagen, sein Name war Traxas.

„Traxas...", flüsterte Zerodyme erschrocken.

„Du kanntest ihn?", fragte Bellkur vorsichtig.

„Ja. Stur...ein sturer Drache...aber jemand, den ich mochte..."

Bellkur konnte sehen, wie sie nur mühsam die Kontrolle über sich behielt. Sie wollte sich nicht schwach zeigen, wie immer war sie unnahbar und stark. Die einzige von ihrem Trio, die nie die Fassung verlor. Bellkur beneidete sie darum.

„Was auch immer es ist. Es ist kein Wahnsinn. Es ist kein...Dunkelschein.", sagte Zerodyme nach einer Weile zu sich selbst in diesem erklärenden Tonfall, den Maro so hasste, wie sich Bellkur soeben erinnerte. „Er denkt klar...aber...er redet nicht. Er hat geflucht...kurz nachdem...aber sonst nicht...sonst hat er nur Gesten verwendet..."

Zerodyme dachte weiter nach. Irgendetwas fehlte, aber sie kam noch nicht darauf.

Er greift an. Er zeigt keine Gnade. Er redet nicht, sondern verwendet nur Gesten...seine Mauer vor dem Seelenbund ist makellos...sie ist...makellos...ich finde selbst jetzt keinen Kratzer...das kann er nicht...also...

„Er wird vielleicht von jemandem kontrolliert.", sagte Zerodyme. Bellkur sah auf, nickte langsam.

„Das wäre...durchaus möglich, aber wie kann dieser jemand Maro so perfekt kontrollieren. Er muss einen starken Willen überwinden und es müsste jemand sein, der seine Fähigkeiten bereits genau kennt. Ich kenne Gedankenmagie recht gut, Zerodyme. Bei einer Unterwerfung seines Geistes wäre die einzige Möglichkeit, ihn zu einer Puppe zu machen, die keinen eigenen Willen mehr hat. Also ist der, gegen du kämpfest, dieser Kontrolleur. Aber wer kennt Maros Kampfstile besser als wir?"

„Mir kommt da jemand in den Sinn.", antwortete Zerodyme. Doch war das möglich? Was hatte es für einen Zweck? Wo steckte der Plan dahinter?

„Still!", befahl Bellkur plötzlich und hob eine Klaue. Er schloss die Augen. Ja, er spürte ihn.

„Maro kommt. Und er ist schnell. Was tun wir?"

Zerodyme zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. Sie dachte an Traxas, sie dachte an die vielen Magier, die Maro getötet hatte und wie er sie angegriffen hatte, ihr die Beine brutal in den Bauch gerammt hatte, mit dem Ziel sie auf den Boden zerschellen zu lassen. Dieser Blick...dieser starke Blick, den sie so gut kannte und der dennoch so fremd war.

„Bellkur, es gefällt mir nicht, aber du musst ihn aufhalten. Ich werde versuchen, diese Mauer vor seinem Geist zu zerbrechen. Mithilfe des Seelenbundes müsste es mir möglich sein, ihn von der Kontrolle oder anderen Zaubern, die auf ihn wirken, zu befreien. Dafür brauche ich Ruhe und Zeit. Also hältst du..."

„Aufhalten?", unterbrach Bellkur gekränkt. „Du klingst, als würdest du zweifeln, dass ich es schaffe!"

„Wenn du nicht mehr kannst, oder er dich zu überwältigen droht, fliege zu dem See, von dem ich dir berichtete, der See, an dem es keine Magie gibt. Ich werde dort eine Falle aufstellen."

„Du...Zerodyme...du glaubst wirklich ich könnte gegen ihn verlieren?"

„Und kämpfe nur um zu töten, wenn du musst. Ansonsten, gewinne Zeit und mach nichts Riskantes...pass auf dich auf." Sie öffnete die Flügel und flog davon, Richtung Norden. Bellkur sah ihr hinterher, wütend darüber, dass sie ihn so zu unterschätzte. Er war stark und ein weit besserer Magier als Zerodyme. Wenn sie sich gegen Maro verteidigt hatte, dann würde er mit Sicherheit in der Lage sein, ihn zu überwältigen.

Einige Minuten später landete Maro auf dem breiten Felsen, Bellkur gegenüber. Er sah dem fernen Schatten Zerodymes hinterher.

„Ich bin dein Gegner. Nimm mich gefälligst zur Kenntnis, wer auch immer du bist, der meinen Freund kontrolliert!", sagte er, als Maro immer noch der Coatyl hinterher blickte und keine Anstalten machte, ihn zur Kenntnis zu nehmen. Maro sah langsam zu ihm, hob seinen Speer gerade vor sich, die Spitze auf Bellkur deutend. Er legte die Flügel flach an, um sich nicht selbst verletzen zu können.

„Maro. Wenn du mich durch diesen Zauber hören kannst...ich will dir nicht wehtun, also kämpfe dagegen an!"

„Dennoch, Avial...es wäre klug, sich zu wehren...wenn ein Kampf unvermeidlich ist...sollte man kämpfen."

Bellkur erstarrte. Maro hatte mit ihm gesprochen. Doch es war eine andere Stimme gewesen, eine dunkle, böse Stimme. Er konnte keine Dunkelheit in seiner Seele spüren, Zerodyme behielt Recht, es war kein Dunkelschein, denn Bellkur kannte diese Stimme. Er würde sie niemals vergessen.

„Seid ihr es...Namenloser?"

Maro lächelte zu Bestätigung. Bellkur wusste nun, er durfte nicht kämpfen, um Maro hinzuhalten. Er kämpfte gegen jemanden, der unfassbar viel stärker war als er.

Kapitel 4: Bellkur versus Maro

Maro befreite seine Magie langsam, sammelte den Wind um sich herum. Die Wärme der Sonne schien sich auf seiner Haut abzulegen.

Bellkur sah nur kurz zu. Schnell riss er die Anergie aus der Umgebung, tötete seinerseits die Pflanzen ab, bevor Maro es konnte, und schleuderte mit einer Klaue einen Blitz auf den Drachen. Maro entfesselte seine Magie, erschuf genug Diffusion im Äther, damit der Blitz sich verlor. Mitten aus der Bewegung heraus ließ er einen Feuerball los, der in einem weiten Bogen auf Bellkur zuflog. Der Avial packte den Feuerball, unterwarf ihn seiner Magie. Doch ehe er den Zauber zurückschleudern konnte, spürte er eine Ansammlung von Energie. Er sprang zurück, kurz bevor der Feuerball in einer Stichflamme aufging. In derselben Bewegung öffnete Bellkur seine Flügel, sammelte Anergie in ihnen, worauf sie langsam zu leuchten begannen. Maro wartete nicht lange. Mit einem Ausfallschritt stellte er seinen Körper seitlich, sammelte den Äther an seinen Füßen. Mit einer plötzlichen Bewegung ließ er sie los, sprang auf den Avial zu, sich im Kreis drehend.

Bellkur hörte die rasende Magie, er wich instinktiv aus, dennoch bildeten sich an seiner Flanke drei dünne Schnitte, dort wo Maros kreisender Speer ihn leicht gestreift hatte. Bellkur sah hinter sich, konnte nur den schwarzen Schatten sehen, fast unsichtbar bei dem Tempo. Kaum stoppte Maro in seiner Bewegung, sich auf den Boden abstützend und seine Magie zu einer weiteren Attacke aufladend, entlud Bellkur die Anergie in die Erde. Um ihn herum explodierte das Erdreich, Steinpfähle schlugen heraus. Maro wich zurück, sprang hoch in die Luft. Bellkur sprang hinterher, atmete tief ein. Er konnte die Anergie um Maro toben sehen.

Der Avial spie Feuer auf seinen Freund, ließ der Anergie freien Lauf, sodass das Feuer mächtig und fest wurde. Maro flog höher, hielt den Speer hinter sich, wich den Flammen aus, doch sie verfolgten ihn und je weiter sie kamen, umso verzehrender und größer wurden sie. Bellkur hielt seine weitere Anergie zurück. Er kannte ein Siegel, welches Maro zwar nicht seiner Magie, aber seiner Bewegungsfreiheit vollends berauben würde. Die Linien zeichneten sich auf seiner Hand ab, langsam und leicht glimmend.

Maro stellte sich plötzlich gegen die Flammen, stoppte seinen Flug. Der Äther sammelte sich an seinem Maul, er brüllte. Bellkurs Anergie zerfloss, die Flammen wurden weg geschlagen, ein unausstehliches Fiepen legte sich in die Ohren des Avials, so laut war dieses Geräusch gewesen. Bellkur konzentrierte sich, sah, wie Maro sich ihm siegesgewiss langsam zuwandte.

Stolz ist ein schlechter Berater, Namenloser., dachte Bellkur und ließ sein Siegel auf Maro los.

Maro war schnell. Sehr schnell. Das wusste Bellkur, aber das Siegel raste so schnell durch die Luft, Maro hätte es nicht einmal bemerken dürfen, ehe es sich um seinen Körper schloss. Bellkur kannte das Tempo und die Reflexe Maros. Er hatte dies einberechnet.

Und dennoch traf er nicht.

Maro war einfach verschwunden und einige Meter weiter vorn aufgetaucht. Beziehungsweise, wie Bellkur sofort erkannte, denn er hörte diesen Knall, spürte die rasende Anergie, _hat sich Maro bewegt, im selben Moment, in dem sich seine Anergie bewegt hatte. _

Rasch baute Bellkur eine Mauer auf, als sich die Anergie um Maro nicht beruhigte und tatsächlich. Innerhalb eines Moments war der Drache neben ihm, hieb hart mit dem Speer zu. Die Klinge schnitt sich tief in den magischen Schild, doch durchbrach ihn nicht. Funken und Entladungen bildeten sich an ihr, als auch Maro begann, seine Magie in den Speer zu leiten, um Bellkurs Schild zu durchbrechen. Die Blitze zuckten zwischen der Waffe und Bellkurs Haut hin und her. Dem Avial entglitt durch diese Störungen langsam die Kontrolle über die Mauer. Maros Speer bohrte sich weiter.

Bellkur sammelte seine Gedanken und rammte sie mit aller Kraft Maro entgegen. Der Drache blockte sie ab, grinsend. Bellkur vergaß alle Vorsicht, angesichts der Waffe, die seinen Schild nahezu durchbrochen hatte, und schlug mit einem seitlichen Hieb zu. Maro wich zurück, wurde von Bellkurs langen Schweif hart in den Rücken getroffen und zu Boden geworfen. Er rollte sich ab, sprang mit magischer Kraft vor der Klaue weg, die sich direkt hinter ihm in den Boden bohrte. Bellkur schickte ihm mit einer Handbewegung einen Windstoß hinterher, den Maro sofort fing und zurückwarf. Bellkur packte den Zauber, lud ihn elektrisch auf und schleuderte ihn erneut auf Maro. Wieder wich der Drache mit einer scheinbaren Teleportation aus.

Endlich durchschaute Bellkur den Zauber. Maro teleportierte sich nicht. Er bewegte sich von einem Moment zum anderen unfassbar schnell. Seine Magie drang in den Körper ein, beschleunigte ihn auf eine Art und Weise, die Bellkur selbst noch nicht so recht verstand und wurde wieder frei. Der Wind, der daraufhin frei wurde, erzeugte diesen eigentümlichen Knall.

Aber das kann er nicht. Dieser Zauber...es ist eindeutig Anergie...Windmagie die aus Anergie gespeist wird...das ist vollkommen unmöglich, dass er das selbst gelernt hat...aber dann..._Bellkur begriff. Maros eigene Kräfte waren erschöpft, vermutlich schon lange. Alles wogegen er kämpfte, waren die Fähigkeiten des Namenlosen. _Doch selbst wenn...wo hat der Namenlose Anergie kennen gelernt? Er war nicht in meiner Welt...oder doch?

„Ja...ja, Avial...mächtiger Bellkur." Der Angesprochene hörte diese Stimme aus Maros Mund, zischend, hell und falsch. „Wie nur? Sollte ich deine Welt besuchen? Wohl kaum. Es ist nicht nötig, die Quelle zu finden, wenn man nur Wasser aus dem Fluss trinken will...ach Bellkur, mächtiger Bellkur...es ist zwecklos. Gib auf. Erkenne deine Niederlage an."

„Ihr habt...das ist unmöglich!"

„Anergische Magie lernen, nur weil ich einen solchen Magier traf? Lächerlich! Dies ist nur ein Splitter meiner Möglichkeiten, nur ein Hauch meiner Macht!"

„Ihr redet zuviel.", antwortete Bellkur und sprang weiter zurück, Anergie in seinem ganzen Körper sammelnd.

„Sagte der, der wie Erde ist.", gab Maro zurück. Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, schloss sich seine Magie um ihn. Einen Augenblick später war er neben Bellkur und holte mit dem Speer aus.

Der Avial hatte keine Zeit zu reagieren. Kaum sammelte sich seine Anergie, schon traf der Speer auf die sich noch aufbauende Mauer. Wieder fraß sich die Klinge langsam hindurch, doch dieses Mal ummantelte starkes Feuer den Speer. Die Waffe schmolz nun langsam durch den Schild. Bellkur schlug ihm Feuer entgegen, drückte ihn mit Magie langsam zurück.

Dieser Patt hielt nur kurz.

Schatten begannen um Maros Körper zu tanzen, griffen nach Bellkur. Der Avial hatte keine Wahl, als nachzugeben und die entstehenden Energiewellen zu nutzen, um Distanz zwischen sich und Maro zu bringen.

Die Schatten bewegten sich auf Bellkur zu, griffen nach den Wellen der Anergie, die immer noch von ihm ausgingen und radierten sie aus.

Er will sich meiner Magie bemächtigen!, erkannte Bellkur erschrocken. Die Schatten abzuhalten fiel ihm nicht schwer, da auch er etwas finstere Magie beherrschte. Doch nun musste er sich nicht nur auf den Kampf konzentrieren, sondern auch auf die winzigen Schatten, die wie Mücken ständig um seine Aura flogen, nach einem Schwachpunkt suchend.

Maro näherte sich ihm mit dem Speer in einer Angriffshaltung, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt. Der Namenlose hatte wohl keine Eile, also nutzte Bellkur die kurze Pause, um im Geiste seine Möglichkeiten zu überschlagen.

Er beherrscht den Wind auch in der Anergie, die Finsternismagie ist definitiv stärker geworden...soweit ich erkennen kann, ist seine Kontrolle makellos. Ich kann kein Zeichen von Erschöpfung finden...meine Macht neigt sich aber dem Ende. Ich habe viel Kraft durch meine Schilde verbraucht...verdammt...

Er sah keine andere Möglichkeit. Bellkur musste fliehen. Angriffe mit Klauen und Schweif kamen nicht in Frage. Zu schnell konnte Maro seine Waffe in die richtige Position bringen und ihm schwere Wunden zufügen. Distanzkämpfe brachten ihm auch nichts, denn das Tempo des Drachen war zu schnell für das Auge. _Ein Ablenkungsmanöver...aber ob das reicht...ich glaube nicht, dass ich ihn noch lange aufhalten kann. Und es scheint, was auch immer Zerodyme macht, keinen Erfolg zu haben. Die Mauer vor seinem Geist muss zu stark für sie sein. _

„Nein, nicht fliehen.", sagte Maro, plötzlich stehen bleibend. „Das erlaube ich nicht."

Mit einem weiten plötzlichen Satz sprang er auf den Avial zu. Bellkur, von dieser geradlinigen Attacke überrascht, sprang zurück, atmete tief ein und ließ seinen Feueratem auf Maro los. Der Drache baute blitzschnell eine Mauer auf und widerstand der mächtigen Attacke, die sogar den Boden zu seinen Füßen zum Glühen brachte.

Maro...es tut mir leid. Bellkur, nun zum dritten Mal seine Flügel mit Anergie aufladend, hörte nicht auf, sandte seine Magie in das Feuer. Maro musste seinen Schild verstärken und sich gegen die Flammen stemmen. Mitten in das Feuer ließ Bellkur seine Lichtklingen los, die auch Trepo einst eingeebnet hatten. Sie brachen den Boden auf, explodierten unterirdisch, durchsiebten das Feuer.

Schwer atmend sah Bellkur in den sich nur langsam legenden Staub. Er konnte Maros Anergie nicht mehr spüren.

Habe...habe ich ihn getötet?

„Nein." Hinter ihm eine Stimme. Bellkur wandte sich um, sah Maro auf seiner Kopfhöhe hinter ihm auf sich zuspringend, mit seinem Speer direkt auf Bellkur Stirn zielend. Er konnte ein Loch im Boden sehen. Instinktiv hielt Bellkur seinen Arm verteidigend hoch. Er hatte kaum noch Kraft übrig. Maro würde den Schild ohne Probleme überwinden.

Und in diesem Moment geschah etwas, das Bellkur bereits für unmöglich gehalten hatte. Maro, seinen Speer dankbar auf Bellkurs Arm gerichtet, um ihn aufzuschlitzen, änderte den Griff um seine Waffe, als würde ihm sein linker Arm nicht mehr gehorchen und verfehlte Bellkur. Die magische Mauer um Maro verschwand plötzlich. Der Avial konnte für einen Moment die Kraft in Maros Augen schwinden sehen. Für einen Moment trat ein verzweifelter Ausdruck in seine Augen. Ein winziger Augenblick.

Bellkur zögerte nicht. Er hieb gnadenlos zu, traf Maro hart und schleuderte ihn weit weg. Er hörte, wie die harten Bauchschuppen des Drachen unter der Wucht brachen, er konnte die Knochen knacken hören. Brüllend vor Schmerz wand sich Maro auf dem Boden. Bellkur wollte ihm nachsetzen, doch in blinder Wut begann der Namenlose Maros Körper mit Anergie zu überfluten. Blindwütig raste Feuer umher, Windklingen entstanden aus dem Nichts, Erdpfähle schossen aus dem Boden. Bellkur erhob sich in die Luft, so schnell wie möglich zu Zerodyme fliegend. Der magische Sturm tobte immer wütender, doch Bellkur entfernte sich rasch. Er wurde von den gebrüllten Verwünschungen des Namenlosen verfolgt, ebenso von Energiewellen, Steinen und Feuer, denen er auf die Distanz leicht ausweichen konnte.

Er sah zurück.

Maro war bereits weit außer Sicht. Der Namenlose musste nun erst einmal die Wunden an dessen Körper heilen. Das würde ihn jedoch, dessen war sich Bellkur sicher, nicht lange aufhalten.

Schnell zu Zerodyme. Schnell.

Kapitel 5: Zerodyme, deren Gedanken wandeln

Zerodyme sah sich am Strand um. Der See lag, wie schon die vorigen Male, absolut still da, obwohl der Wind stark über die Dünen pfiff. Sand legte sich ins Wasser und versank, ohne eine Erschütterung der absolut glatten Wasserfläche. Selbst als Zerodyme mit einer Pfote ins Wasser tippte, kräuselten sich nicht mal kleine Wellen.

Hmm...die Falle aufzubauen ging leichter als erwartet., dachte Zerodyme und machte es sich auf dem Sand bequem. Die giftigen Dämpfe waren längst verflogen, die Quellen versiegt. Die Luft war frisch und trocken und der Tag würde noch lange dauern.

Sie hatte sich eine versteckte Felsspalte gesucht, damit sie geschützt war, sollte jemand sie während ihrer Trance finden. Sie rechnete nicht damit, war doch dieses Land nun eine sprichwörtliche Wüste, doch sie war lieber auf der sicheren Seite. Zerodyme schloss die Augen, rückte sich in eine bequeme Position und öffnete ihren Geist langsam für den Seelenbund.

Die Mauer baute sich fast physisch vor ihr auf. Sie war so massiv, so stark. Zerodyme wusste augenblicklich, dass sie sie nie mit bloßer Kraft würde durchdringen können. Sie spürte den Geist des Namenlosen auf sich blicken, ruhig und abwartend.

Ich habe es gewusst. Er, unser alter Meister...wer sonst hätte so vollständig hinter Maros Kampfstile blicken und sie imitieren können. Dennoch...einen Moment lang hat sich Maro gegen ihn aufgelehnt...diesen kurzen Moment...irgendwo ist also eine Schwachstelle...wo nur?

Der Namenlose war sich seiner Macht nur zu bewusst und da war der Punkt, an der Zero anzusetzen gedachte. Der Namenlose würde keiner Herausforderung aus dem Weg gehen, er würde sie immer frontal beantworten.

Sie blieb noch einer Weile vor dieser Wand stehen, suchte nach irgendeiner Präsenz Maros, doch da war nichts. Alles wurde von dem Geist des Namenlosen überlagert. Sie vermutete, nachdem sich der Drache einen Moment gegen ihn behauptet hatte, hatte der Namenlose ihn weit weg eingesperrt, so dass er nicht mehr an die Oberfläche dringen konnte.

Versuch dein Glück.

Sie fühlte die Herausforderung körperlich. Der Namenlose forderte sie auf, sich mit ihm zu messen. Sie konnte seinen spöttischen Blick auf sich fühlen, hörte sein Lachen im Geiste. Er nahm sie nicht ernst.

Eine Tür tat sich vor ihr auf, schien wie aus dem Boden gewachsen. Auf dem Holz stand in Zerodymes Sprache in abgehackten Buchstaben: Die Seele ist unsterblich, ewiglich, unmöglich zu vernichten, doch ebenso vermag nichts sie aus dem dunkelsten Loch zu befreien, in dem sie verderben und verfaulen wird.

Zerodyme zögerte. Hielt ihre Hand vorsichtig über den Türknauf.

Warnst du mich davor einzutreten, Namenloser? Oder redest du von Maro und darüber, dass meine Mühen umsonst sein werden? Wir werden sehen.

Sie öffnete die Tür.

Die Tür schloss sich lautlos. Jegliches Geräusch verschwand. Dunkel war es in dem Raum. Zerodyme versuchte etwas Magie zu sammeln, um ihn zu erhellen, aber ihre Stimme wirkte nicht. Sie brachte keinen Ton heraus. Sie konzentrierte sich stärker, versuchte nun auch den Äther zu verwenden, aber wieder geschah nichts.

Ich Närrin!, schalt sie sich, Ich bin in einer Seele. Hier gibt es keine Magie.

Vorsichtig ging sie weiter, hielt ein Vorderbein immer ausgestreckt wie eine Blinde. Die Dunkelheit hier war so absolut, sie konnte nicht einmal so weit sehen, wie ihre Hand reichte.

Dies ist der Raum der Seele. Irgendwo hier muss Maro sein. Ich nehme an, der Namenlose hat einige Hindernisse bereit. Sie erinnerte sich langsam wieder an das, was sie einst über solche Räume gelernt hatte. In einer Seele war alles möglich. Selbst Menschen die in jeder Hinsicht untalentiert waren, konnten problemlos in ihrer eigenen Seele mächtige Zauberer sein. Und wenn man die Seele eines anderen übernahm, seinen Geist kontrollierte, dann war man in der Lage diesen Raum umzugestalten, ihn den eigenen Regeln zu unterwerfen. Eines, daran erinnerte sich Zerodyme auch, war allerdings unmöglich. Man konnte unter gar keinen Umständen sterben.

Zerodymes Hand berührte eine Wand. Sie war kalt und feucht. Eine dicke Flüssigkeit lief an ihr herab. Sie roch plötzlich l. Der Geruch war intensiv.

Ob ich hier Feuer speien kann?, fragte sie sich. Sie ließ es auf einen Versuch ankommen. Sie atmete tief ein, ließ ihre innere Hitze los. Für sie war es ganz ungewohnt, dieses Brennen in der Kehle, der Druck im Hals. Sie spie eine kleine Flamme gegen die Wand. Das l entzündete sofort. Die Flamme wanderte die Wand hoch, zu einer Rinne, aus der das l aus einem unerfindlichen Grund hinaus geschwappt war. Sie zog sich über Zerodyme an der Wand entlang, verzweigte sich vielfach. Die Flammen erhellten Gänge, gingen an den Rändern von Treppen entlang, rahmten Wände ein und beleuchteten Mauern, an denen merkwürdige Fresken waren. Immer weiter verzweigte sich das Feuer. Ein Netz baute sich vor Zerodyme auf. Ein unglaubliches Muster.

Hinter ihr, im leeren Raum, stand die Tür. Um sie herum standen, quadratisch angeordnet, vier Treppen. Diese führten zu einem gut sichtbaren zweiten Stockwerk. Dort zweigten weitere Treppen ab. Einige gingen in die Höhe, manche abwärts, wo sie sich aus Zerodymes Blickfeld entzogen. Die höher reichenden Treppen schienen keiner Logik zu folgen, nicht einmal den Naturgesetzen, denn ansonsten hätte die Konstruktion, ohne jegliche Säulen oder andere tragende Elemente auskommend, auf der Stelle zusammenbrechen müssen.

Da waren Mauern, die einfach am Rand eines Aufganges standen, irgendwann wieder aufhörten. Türen waren dort, scheinbar sinnlos im Raum stehend.

Das Feuer breitete sich immer noch aus. Es rauchte merkwürdigerweise nicht und Zerodyme konnte sehen, wie sich dieses absurde Labyrinth immer weiter in den dunklen Raum erstreckte.

Das ist unmöglich., dachte sie. Ihr kam die Idee, ihre Flügel auszubreiten und durch den Raum zu fliegen, um so von oben sehen zu können, ob es überhaupt ein Ziel, ein Zentrum des Ganzen gab, aber die Treppen und Wände standen zu dicht, ein Flug wäre völlig unmöglich.

Deine Aufgabe, ehemalige Schülerin. Finde die richtige Tür. Doch sei gewarnt, ich kann deine Seele trotz allem hier nicht töten. Ich kann sie aber schocken, sie einsperren, in die tiefsten Tiefen stürzen lassen, auf das du diese Ort nie wieder verlassen wirst.

Zerodyme lagen viele Antworten im Geiste bereit, denn sie war sich selten um darum verlegen, wenn sie jemand so herausforderte, doch ihre Zunge wollte nicht gehorchen. Sie erinnerte sich an das Labyrinth unter dem Schloss von Sir Vanitasus. Auch damals hatte sie gefürchtet, nie wieder herauszufinden.

Diese Größe, ein solcher Raum...nein...das ist unmöglich Maros umgestalteter Seelenraum. Er ist zu jung um dies beherbergen zu können. Das bedeutet...ich bin in der Seele des Namenlosen gelandet...oh nein...er könnte...

Sie sah sich um, zu der Tür durch die sie hereinkam. Sie ging zu ihr und stieß sie auf. Die Wand starrte sie durch den leeren Rahmen an. Sie hatte es befürchtet.

Der Ausgang ist selbstverständlich auch woanders versteckt, werte Zerodyme, wütende Flamme. Doch ich gebe mein Wort, findest du Maro, so wirst du den Ausgang auch finden können.

Die merkwürdige Präsenz verschwand. Der Namenlose beachtete sie nicht weiter, wandte sich anderen Dingen zu. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher, so sicher, dass er nicht einmal befürchtete, Zerodyme könnte an diesem Labyrinth, dass ein Teil seiner Seele sein musste, Schaden anrichten.

Nein. Egal was ich hier mache, er würde es vermutlich nicht einmal bemerken. Sie sah nach oben, zur Seite. Das Licht verlor sich langsam im dunkel, doch der Raum ging vermutlich noch weiter. Viel weiter. Was tue ich nur?, fragte sich Zerodyme, der Verzweiflung nahe. Die Situation war aussichtslos. Wo auch immer sie hinsah waren Treppen. Überall waren Wände mit Türen. Sie bemerkte jetzt ihren Fehler. Jetzt...ich begreife es...an jenem Ort...diese Mauer...diese undurchdringliche Mauer des Namenlosen. Das war keine. Es waren die Wände zu Maros Seele. Er hat den Raum so verkleinert, dass er wie eine Mauer wirkte, selbst für mich. Das bedeutet...diese Mauer war stark, aber dünn...Maro ist also nicht in seinem Seelenraum. Er ist hier. Und der Ausgang auch.

Das war eine hinterlistige Falle gewesen, aber eine effektive, das gab sie zu.

Wie dem auch sei. Auch sein Geist hat Grenzen. Es muss eine Tür geben.

Wieder übersprang sie den Abgrund mit katzenhafter Eleganz. Sie hatte keine Geduld, ständig Treppen zu gehen, die für Menschen und nicht für Drachen gemacht schienen. Erneut stieß sie eine Tür auf, ungeduldig blickte sie in den Raum dahinter. Er war leer. Ein simpler leerer Raum. Der Staub auf den Boden sammelte sich, erhob sich zu einer Geistergestalt, die still auf die offene Tür zuflog. Ehe sie den halben Raum durchquert hatte, schlug Zerodyme die Tür zu.

Schon vieles hatte sie in diesen Räumen gesehen. In einem hatte sie massakrierte Körper gesehen, auf so grausame Weise zerfleddert, dass sie nicht sagen konnte, was für Wesen es einmal gewesen waren. Aus einer Tür waren ihr graue, verfaulende Hände aus dem Raum entgegengekommen und erschrocken hatte sie die Tür zugemacht, ehe eine von ihnen nach draußen gelangen konnte. Im nächsten Raum war ein weinendes Mädchen gewesen, das herzzerreißend geschluchzt hatte, doch kaum hatte Zerodyme neugierig einen vorsichtigen Schritt in den Raum gemacht, sprang sie hysterisch schreiend auf und rannte auf sie zu, die Arme, die zu Klingen deformiert waren, ausgestreckt und ihre leeren Augen weit aufgerissen. Wieder hatte Zerodyme die Tür zugeschlagen. Das Wesen, was auch immer es gewesen war, schlug einige Male gegen die Tür, hörte aber rasch wieder auf. Zerodyme konnte sie bald darauf wieder weinen hören.

Das alles...er versucht mich zu entmutigen...und zu erschrecken...aber es sind keine wirklichen Fallen. Darunter war nichts was mich wirklich aufhält. Was will er erreichen?

Sie durchdachte die Situation. Die Akademie, die Maro attackierte, die Elfen...Traxas...die Angriffe haben kein System...scheinbar...vielleicht war unter den Elfen ein mächtiger Zauberer. Das würde Sinn machen. Dann wären es stets sehr starke Gegner gewesen. Eine Schule voller Meistermagier. Ein hypothetischer Magier unter der Gruppe Elfen. Traxas, in der Magie schwächer als ich, aber körperlich definitiv eine Herausforderung für Maro. Der Namenlose versucht mit Maro möglichst viele mächtige Wesen auszuschalten, inklusive mich und Bellkur. Der Kampf des Avials dürfte inzwischen...ja, vermutlich zieht sich Bellkur zurück. Die Zeit vergeht hier zwar langsamer, doch ich sollte mich dennoch beeilen.

Sie begriff dennoch nicht, warum der Namenlose ihr nur Schreckgespenster entgegen warf, anstatt ihr wirklich Schaden zuzufügen. Spielt er auf Zeit? Vielleicht. Doch wieso?

Sie fand keine Antwort und ließ die Fragen für den Moment ruhen. Sie ging weiter, suchte sich einen Weg durch das Labyrinth.

Nach und nach verlor sie sich in dem Labyrinth. Sie wusste ungefähr, wo ihr Startpunkt gewesen war, doch nichts Genaueres mehr. Die Wände wurden kahl, die Bilder und Zeichen verschwanden. Noch immer war kein Ende in Sicht.

Was soll...?, fragte sich Zerodyme, als sie eine weitere Tür öffnete und wieder ein leerer Raum darin war. Es entstand kein Geist, keine Falle wurde ausgelöst. Sie sah einen schlichten leeren Raum. Das ist der dritte schon. Nichts mehr, was mich abschreckt.

Sie ging weiter, doch bevor sie zur nächsten Tür kam, blieb Zerodyme stehen. Ihre Gedanken fingen plötzlich an zu rasen. Die Gespenster werden immer harmloser, immer...ich musste beim Anblick des letzten beinahe lachen. Eine lächerliche Mischung aus Zombie und irgendeinem anderen Monster. Und die letzten beiden Räume hatten keines mehr. Doch vorher...dieses Ding, das weinende...Ding...das war erschreckend gewesen. Ich habe es. ICH HABE ES!!! Ich muss dorthin wo diese Wesen immer mehr und schrecklicher werden!

Sie drehte um, sprang die Treppen wieder hinab. Sie wusste, dass ihr erster Weg nach rechts geführt hatte, die Treppen hinauf, aber mit der Zeit waren die Kreaturen immer harmloser geworden. Das weinende Ding war hinter der ersten Tür gewesen. Sie ließ alles im Geiste an sich vorbeilaufen. Das weinende Ding, die körperlosen Hände, die Leichen, das Gespenst aus Staub. Es wurde immer harmloser. Die Zeichnungen an der Wand verschwanden. Der alte, gepflegte Stein wurde neuer, war aus irgendeinem Grund grau und nicht mehr von dem hellen Gelb, dass ihr überall entgegengestrahlt war.

Nach unten! Einfach nach unten!

Die Wände wandelten sich von gelb in orange zu blutigem rot. Die Zeichnungen waren wieder da, Runenzeichen unter ihnen. Irgendwann in ihrer Hatz bemerkte Zerodyme plötzlich, dass etwas patschte. Sie hielt an und sah zum Boden. Das rot auf dem Boden war flüssig. Es war Blut. Sie sah um sich. Der Boden, überall um sie herum war Blut, selbst an den Wänden lief es langsam herunter.

Was ist das?, fragte sie sich, als sie weiter nach unten, zwischen den Treppen und Wänden hindurch sah. Sie konnte in der Ferne merkwürdige Schatten ausmachen. Sie mieden das Licht, das hier an Kraft zu verlieren schien.

Blut und Schatten? Ihr enttäuscht mich, Namenloser.

Sie wollte weitergehen. Doch just in dem Moment begann der Boden unter ihr zu erbeben. Die Wände wackelten staub rieselte von den höheren Regionen herab. Der Stein flackerte. Ein Bild erschien darauf, kurz und kaum sichtbar. Es war Bellkur, der vor dem Betrachter zu fliehen schien. Der Himmel war blau. Zerodyme beugte sich zum Boden herab und wischte das Blut fort, um einen besseren Blick zu kriegen. Wieder eine Erschütterung, wieder wurde das eintönige gelb, dass die Steine eigentlich hatten, von einem Bild abgewechselt. Bellkur, der in sich umgewandt hatte und einen Zauber in seiner rechten Klaue auflud. Rasch folgte das nächste Bild. Nun war sah sie Bellkur, der sich mit einem magischen Schild vor einem Speer schützte, mit dem der Betrachter angriff. Sie konnte zum ersten Mal den Boden unter Bellkur sehen. Sie sah den See. Sie sah die Felsspalte, in der sie sich versteckte.

Oh nein...

Sie handelte ohne nachzudenken. Sie riss sich eine Feder aus und legte sie auf den Boden, als Anker, sobald sie zurückkehrte. Sie konzentrierte sich und versuchte ihre Magie herbei zu beschwören. Nichts geschah. Ihr Körper spannte sich an. Eine weitere Erschütterung. Dieses Mal sah sie, wie Maro von oben herab Windklingen auf Bellkur niederließ. Sie waren direkt über dem Felsspalt. Der Namenlose konnte ihr schwarzes Federkleid in dem gelben Sand nicht übersehen. Mitten in diese Erschütterung spürte sie ihre Magie fließen. Die Mauer ließ einen kurzen Moment nach. Sie entfesselte ihre Magie, ließ sie ziellos frei werden.

Noch ehe sie die Augen öffnete, um den See zu sehen, noch ehe sie überhaupt den Sand spürte, sprang sie aus dem Liegen zurück und öffnete ihre Flügel. Einen Moment später bohrte sich Maros Speer ihr direkt vor die Füße.

Kapitel 6: Zerodyme und Bellkur versus Maro

Es verging keine Sekunde, eher Maro dem Speer hinterherkam. Er packte seine Waffe und schlug sie gegen die Coatyl. Zerodyme wich weiter zurück, machte einen Sprung von ihm weg, doch der Drache setzte ihr erbarmungslos nach. Sie rief Bellkur zu Hilfe und der Avial schleuderte Maro einen Energieball vor die Füße. Der Drache, dieses Mal vorbereitet, stemmte sich gegen die Druckwelle, doch der Staub blendete ihn. Zerodyme spürte, wie er den Äther mit seiner Magie überflutete, um sie zu spüren. Sie sprang von ihm weg, rannte zum Wasser. Bellkur folgte ihr in der Luft. "Zum See!", brüllte sie hinauf. Bellkur nickte und flog vor. Zerodyme spürte einen Schauer. Ihrem Instinkt folgend ließ sie sich mitten im Lauf fallen. Maros Speerspitze raste waagerecht über sie hinweg. Zerodyme stützte sich im selben Moment auf ihre Vorderbeine und trat nach hinten aus. Sie traf Maros Brust, sie hörte, wie es die Luft aus seinen Lungen drückte. Sie sprintete vor, während der Drache, nach Atem ringend, einen weiteren ungezielten Schlag in ihre Richtung führte und sie weit verfehlte.

Zerodyme sprang auf das Wasser. Sie nutzte die Windmagie, die sie beherrschte, um Kleine Luftkissen zu erschaffen, die sie auf dem magieimmunen See trugen. Bellkur landete auf dem Wasser, indem er Anergie in immensen Mengen auf seine Füße konzentrierte und einen Gegenpol bildete, auf dem Wasser schwebte.

Maro tauchte aus der Staubwolke auf, fixierte sie mit einem Blick, der dem des echten Maros nicht unähnlicher sein konnte. Sein Gesicht war bösartig verzerrt, ein monströser Ausdruck lag in seinen Augen. Wellen blanken Hasses schlugen ihnen entgegen und trafen ihre Geister hart. Die Luft um Maro herum verschwamm, die Dünen in seinem Rücken verwischten und verzerrten sich vor Zerodymes Augen.

„Wenn er den Äther in ihm noch weiter konzentriert...wird er den Körper Maros von innen verbrennen.", flüsterte Zerodyme. Bellkur schluckte. Er mochte sich nicht vorstellen, wie das aussehen würde.

„Bellkur. Ich muss wieder in seinen Geist vordringen. Ich werde mich nicht auf den Kampf konzentrieren können. Halte ihn auf."

„Ja.", sagte der Avial nur und trat schützend vor sie. Maro betrat den See. Auch er stieg auf Luftkissen und ging langsam auf die Drachen zu. Der Äther sammelte sich zu seiner Rechten. Bellkur wie auch Zerodyme traten simultan zurück. Maro hieb mit seiner freien rechten Klaue in die Luft. Dünne, schwarze Risse folgten seinen Krallen, ganz so, als würde er die Luft selbst zerschneiden. Zerodyme und Bellkur erkannten, dass er es tatsächlich tat.

Präziser, er zerschneidet die Dimensionen. Er hat soeben ein kleines Dimensionstor geschaffen., erkannte Zerodyme, die diesen Magiefluss schon mehrere Male beobachtet hatte. Der Spalt erweiterte sich vor ihren Augen und nach wenigen Sekunden packte Maro in die Schwärze und zog einen Speer hervor.

„Was ist denn das?", fragte Bellkur, als er den hellblauen Schaft sah und die strahlend weiße Klinge des Speeres, der genauso lang war wie Maros anderer Speer.

„Das ist nicht gut." Zerodymes Stimme war zu einem Flüstern gesunken. Sie hatte mit Hinterhalten, mächtiger Magie und dergleichen gerechnet, aber nicht damit, dass der Namenlose Maros Fähigkeiten so gut kopiert oder sogar vielleicht erweitert hatte. Sie erinnerte sich sehr gut an die Klingenform, die sein alter Speer, der Himmelssplitter, einst hatte und seinem neuen, dem Himmelstod, sehr ähnlich war und an das stabile Rotholz, aus dem der fast zwei Meter lange Schaft gewesen war. Umso mehr beunruhigte sie das helle Blau des nun weit längeren Stabes und seine weiße Spitze, deren Metall ein merkwürdiges Muster zierte.

„Auf dieser Waffe liegt Magie.", flüsterte Bellkur, bevor Zerodyme etwas sagen konnte. „Ich werde mein Bestes tun...aber beeil dich."

„Das werde ich. Viel Glück."

Sie konzentrierte sich. Ein Teil ihres Geistes entschwand und suchte den Anker in der Seele des Namenlosen auf. Ein kleiner Teil blieb zurück und hielt die Luftkissen aufrecht. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie beides. Sie sah vor sich Maro, der beide Waffen in den Händen hielt, sah die Verzerrungen um ihn herum. Sie sah das Labyrinth, das Feuer und das Blut, das die Wände herab lief. Die Bilder schienen ineinander zu verschwimmen, mal war das eine stärker, mal das andere. Zerodyme spürte sofort eine enorme Belastung auf ihrem Geist und auch, dass ihre Magie durch den Zauber gefährlich vibrierte.

Keine Zeit verlieren. Schnell weiter. Es war schwierig, im Labyrinth umherzulaufen, ohne dasselbe auf dem See zu machen, doch sie schaffte es. Sie rannte die Treppen weiter hinab, zu den wartenden Schatten. Sie sah, wie Maro gleichzeitig seine Waffen in einem komplizierten, für sie völlig unverständlichen Muster schwang. Er sprang vor, sie konnte nichts spüren, und plötzlich war er vor ihr, mit einem Speer ausholend. Sie hatte noch nicht einmal reagiert, da schlug Bellkur Maro schon zur Seite. Der Drache hatte damit gerechnet, fing sich durch seine Flügel und ging sofort wieder zum Angriff über. Wieder visierte er Zerodyme an. Der Gang vor ihr verschwamm, als sie sich stärker auf den Moment konzentrierte und ihre Beinmuskeln anspannte.

Ver...ich kann so nicht kämpfen! „BELLKUR!!!", brüllte sie.

„JAJA!!!", brüllte der zurück und sammelte um sich herum alles, was er an Anergie noch aufbringen konnte.

Der Avial atmete tief ein und ließ sein Feuer auf Maro los. Der Drache blockierte die Attacke frontal. Der Gang vor Zerodymes Augen wurde wieder klarer. Sie lief weiter, sah gleichzeitig das Feuer. Aus einer Tür drangen Schreie, laut und verzweifelt. Sie riss sie auf, sah in den Raum. Sofort stürzten sich ihr Horden von unförmigen Kreaturen entgegen. Sie schaffte es nicht mehr, die Tür zu schließen, denn viele klauenartige Gliedmaßen hielten sie bereits auf. Die Wesen stürmten heraus und der fliehenden Coatyl hinterher.

Bellkurs Atem war erschöpft. Er sammelte seine Anergie um seinen Körper herum und breitete sie aus. Wie bei dem letzten Angriff, so wusste er, würde er Maro in dem Moment spüren, in dem er auftauchte. Ich brauche nur meine Sinne. Meine Augen lassen sich zu leicht narren...aber meine magischen Sinne wird niemand täuschen können.

Er sah, dass Maro langsam am äußersten Rand des Gebietes, dass Bellkurs Aura umfasste, entlang ging. Sein Blick fixierte stets Zerodyme, die mit teilnahmslosem Blick hinter Bellkur stand und langsam immer von Maro wegging. Ihr Gesicht zuckte, sie fletschte die Zähne, irgendetwas passierte.

„He.", rief ihn der Namenlose. Maro hielt beide Speere in einer unbekannten Pose hinter sich.

„Ist das alles? Sie in meinem Geist und du verteidigst sie? Hm?"

„Schaffe erst das, dann spotte meiner."

„Hochmütig sind wir wohl beide, großer Bellkur. Doch es gibt immer noch den Unterschied, das ich es mir leisten kann." Er warf beide Speere hoch in die Luft, schlug seine offenen Handflächen aufeinander wie zum Gebet. Langsam öffnete er sie, den Äther sammelnd. Bellkur spürte die plötzliche Kraft, packte Zerodyme und sprang zur Seite. Ein starker Energiestrahl verfehlte beide nur knapp.

Zerodymes Augen wurden wacher, sie sah den nahen Strahl, sah erschrocken zu Maro. Schnell versetzte sie sich wieder in die Seele des Namenlosen. Bellkur setzte sie wieder ab. Ihre Augen wirkten wieder abwesend, aber aufmerksam. Maro fing seine Speere und ging zum Angriff über.

Zerodyme rannte den Gang weiter, die Treppen hinab. Die Monster folgten ihr auf den Fersen, spitze Schreie ausstoßend. Die Dunkelheit wurde langsam fassbar. Sie hörte weinen, verzweifeltes Geschluchze. Bevor sie sich an die Szene in dem Raum vor kurzer Zeit erinnern konnte, sah sie plötzlich vor sich, mitten auf dem schmalen Weg, das Mädchen mit den Klingenhänden. Sie weinte, ihre Augen leuchteten rot. Zerodyme sprang weg, zu einer links gelegenen Treppe. Im Sprung packte sie irgendetwas am Hinterbein. Sie wurde zurückgezogen, schlug im Fall hart gegen eine Wand und sah nach oben. Eines der Monster hatte Spinnweben aus seinem Maul geschossen und ihr Bein damit eingewickelt. Zerodyme versuchte sich zu befreien, aber die Weben waren klebrig. Die Monster zogen sie langsam hoch, erwarteten sie kreischend. Zerodyme stützte ihr Bein an der Unterseite des Weges ab, stieß sich mit aller Kraft ab. Die Monster konnten sie nicht mehr halten, glitten auf dem Blut auf dem Boden aus. Der eine, der sie gefangen hatte, stürzte in die Tiefe und sie mit ihm.

Bellkur fing den Speerhieb ab, doch seine Mauer vibrierte beim Aufprall von Maros neuer Waffe. Merkwürdige Lichtreflexe wanderten den Schaft entlang. Bellkur wich weiter zurück, stieß Maro mit einer Welle von Anergie von sich, bevor sich die Energien entladen konnten, die der Avial so deutlich spürte. Verzerrt, ohne Charakter, ohne eine genaue Stärke, aber dennoch da. Maro fing sich in der Luft, lachend.

„Was ist, großer Bellkur? Furcht vor dem Unbekannten?"

Bellkur fürchtete tatsächlich den Zauber auf dem Speer. Er konnte spüren, dass er im Schaft eingebettet war und sich selbstständig befreite. Es muss einen Auslöser dafür geben., überlegte der Avial. Vermutlich Widerstand, oder defensive Magie. Die Klinge ist ein Katalysator. Die Magie des Stabes ist recht schwach. Also werden diese Linien auf der Klinge eine Art Verstärker für den Zauber darstellen...er wird mit Anergie gespeist...durch den Anwender. Dadurch wird dieser Zauber niemals schwächer.

Obwohl er dies alles auf den ersten Blick sah, war ihm trotzdem nicht klar, welcher Zauber auf der Waffe lag. Die Magie war charakterlos und diffus. Welche Magie mag das sein?

„So viele Fragen, mächtiger Bellkur. So wenige Antworten. Ahhh...wie schön ist die Erleuchtung, nicht? Dann sieh her und lass mich antworten!"

Maro hielt einen Speer hoch, seinen Himmelstod, ganz in weiß, mit dem Titel Dämon auf der Klinge eingraviert.

„Dies ist der Himmelstod. Unzerbrechlich, ewig beständig, scharf wie keine Waffe vor ihm und so leicht wie der Wind. Wahrhaftig, Maro hat aus meinem Horn eine Waffe gemacht, die ein jeder fürchten sollte, denn nichts wird sie je zerstören."

Er hielt die neue Waffe hoch. Ein leuchtend blauer Schaft, der das Sonnenlicht reflektierte wie ein Edelstein und eine silberne Klinge, auf der sich deutlich viele dunkle Linien abzeichneten.

„Und da Maro eine Schwäche für dramatische Namen hat, habe ich beschlossen dieses Prachtstück den Machtbrecher zu taufen, denn selbst die mächtigsten müssen sich diesem Zauber beugen." Er deutete in die Ferne auf einen Felsen. Er wurde durch unsichtbare Hand angehoben und flog direkt auf Maro zu. Der Drache entfesselte die Magie des Machtbrechers. Lichter tanzten im Schaft, entluden sich in der Spitze und wie Bellkur es vermutete, stieg die Kraft in der Klinge plötzlich an. Maro schwang die Waffe gegen den heran fliegenden Felsen und diese Macht verschwand plötzlich. Bellkur wartete einen Moment, stellte sich eine fliegende Klinge vor, die unsichtbar auf den Felsen zuraste. Und tatsächlich, an dem Punkt, an dem sie sich treffen mussten, geschah etwas. Der Felsen zerfiel. Erst in kleiner Teile, dann in Kiesel. Als er bei Maro ankam, waren es Böen aus Staub, die gegen die Schuppen des Drachen schlugen.

„Gut aufgepasst, Narr?", fragte der Namenlose zu Bellkur sehend, der sich kampfbereit duckte, die Augen weit aufgerissen. Aufmerksam huschte seine Magie umher. „Denn das nächste Ziel bist du. Mache dich darauf gefasst innerhalb einer Sekunde um Jahrtausende zu altern!"

„Ich ein Narr? Dann seid ihr ein heiße Luft speiender Idiot! Nicht gemerkt?", antwortete der Avial scharf.

„Hmm?", machte Maro mit mildem Desinteresse.

„Wie lange hat dies alles gedauert, Namenloser? Eine Minute? Wie viel Zeit ist das in der Seele von jemandem?"

„HA! Damit willst du mich ängstigen? Dir sei versichert, Bellkur, es ist nicht genug!"

Zerodyme öffnete ihre Flügel, fing ihren Sturz ab. In der Nähe schlug das Monster hart auf. Es wand sich vor Schmerz. Zerodyme erlöste es von seinen Leiden und biss anschließend die Fäden durch.

Sie sah sich um. Etwas war anders. Es gab keine Treppen mehr nach unten. Sie war ganz unten angekommen. Augenblicklich krochen aus den dunklen Ecken, die das Feuer nicht erleuchtete, Schatten auf sie zu. Menschen, Elfen, Zwerge, Untote aller Art. Sie stöhnten und der beißende Fäulnisgeruch trieb Zerodyme die Tränen in die Augen. Sie sah, wie Maro Bellkur seine Waffe zeigte. Bellkur hält ihn hin. Gut. Sie ignorierte die langsamen Toten, die sie nicht weiter schreckten und sah genauer um sich. An vielen Stellen kamen Treppen herab und auch hier standen Wände und Türen planlos herum. Sie hatte das Gefühl, dass dennoch keine der Türen die Lösung sein würde. Ihr Gefühl trog sie selten.

Sie lief los, weiter in den Raum hinein und fand bald einen Punkt, an dem keine Treppen mehr waren, sondern sich einige riesige Kuppel über ihr wölbte. Sie fand im Zentrum ein tiefes Loch in das das Licht nicht hinein schien.

Der Boden erbebte.

Sie brauchte sich nicht deutlicher auf dem Moment zu konzentrieren, denn sie sah durch die Steine, dass Maro Bellkur angriff und seine Attacken wurden begleitet von unwahrscheinlichen Energiewellen.

Bellkur wich immer weiter zurück. Zerodyme versteckte sich weiterhin hinter seinem Körper, wach und vorsichtig. Maro attackierte mit heftigen Schlägen, hinter jedem Angriff steckte magische Kraft. Windklingen, die Hitze des Feuers, die gefährlichen Blitze, das Eis, das alles gefrieren lässt, die flüsternden Schatten. Alles was der Namenlose beherrschte ließ er mit den Schlägen auf Bellkur los. Äther. Elemente. Anergie. Bereits nach wenigen Sekunden wusste Bellkur, dass er auf keinen Fall viele weitere Schläge abfangen durfte. Er konnte seine Mauer nicht schnell genug umstellen.

Zerodyme kam ihm unverhofft zu Hilfe. Ihre Magie packte Maros Speer. Der Namenlose zögerte einen Moment. Er hatte nicht damit gerechnet.

„Bellkur. Tu ihm weh! Schmerz lässt ihn vielleicht aufwachen!", rief Zerodyme, als sie Maro mir Klauen und Zähnen zusetzte und den Namenlosen für einen kurzen Moment in die Defensive zwang. Er hat nicht mehr mit einem Angriff von uns gerechnet. Ich glaube zwar nicht daran, aber vielleicht reicht der Schmerz den Zauber zu brechen.

Maro holte aus, sein Arm wurde von Zerodymes Schweif umwickelt, mit dem sie ihn zu Boden riss. Simultan mit dieser Bewegung packte Bellkur sein Spreizgelenk an den Flügeln. Er flüsterte etwas und drückte dann mit aller Kraft zu. Die Knochen splitterten dutzendfach. Sie hörten, wie Maros wütendes Knurren plötzlich abbrach. Zerodyme sah, wie sich seine Augen weiteten. Er brüllte ohrenbetäubend, versuchte zwecklos, von beiden Drachen unten gehalten, sich zu befreien.

Jetzt.

Zerodyme erhob die Stimme und befreite ihre Wassermagie. Im See regte sich etwas. Unter ihnen schoss eine Fontäne Wasser hinauf, von hellerem Blau als das Wasser des Sees. Bellkur ließ instinktiv los, als wässrige Arme nach Maro griffen und ihn bewegungslos machten. Der Drache brüllte immer noch seinen Schmerz hinaus. Zerodyme schloss sein Maul mit einer Wasserleine, die sofort festfror. Er versuchte immer noch sich zu befreien, doch Zerodymes Magie war zu stark.

„Wie?", fragte Bellkur perplex.

„Anderes Wasser. Es löst sich nicht in diesem See.", antwortete Zerodyme kurz angebunden. Sie konzentrierte sich wieder und versetzte sich tiefer in den Geist des Namenlosen. Der Boden wackelte gefährlich unter ihr. Das Feuer in den Rinnen brannte stark, viele Meter hoch, so dass die riesige Halle von Feuerwänden eingehüllt wurde. Sie sah in das Loch, während Maros Magie in seinem Körper tobte und sie sah, wie er versuchte sich gegen die starke Wassermagie zu wehren. Sie spürte, dass Bellkur ihr seine Kraft lieh, um die Fesseln noch weiter zu verstärken.

Der Schmerz muss alle seine Sinne betäuben...er muss unglaublich sein und dennoch lässt der Namenlose ihn nicht los...wie ich vermutete. Schmerz ist nicht genug.

Sie sah in das Loch, doch sie konnte nichts sehen in der Tiefe. Sie hatte keine Wahl und sprang hinunter.

Schneller als sie es erwartete landete sie auf hartem Holzboden. Sie sah um sich, konzentrierte mehr ihrer Magie auf die Wasserfesseln, als Maro sich stärker wehrte. Sie musste sich beeilen. Sie spürte wie ihre Magie langsam schwächer wurde.

Sie versuchte etwas Magie in diesen Raum zu leiten und mit einiger Mühe gelang es ihr. Ein unstetes Licht ging von ihren Federn aus, hellblau und sehr schwach. Aber es war Licht. Und es war genug um Maro zu finden.

Er war nur Schritte entfernt, hatte sie aber nicht wahrgenommen. Er war ein Mensch. Seine Augen starrten erschrocken zum Boden, weit aufgerissen, das Gesicht fassungslos. Irgendetwas hielt ihn, das wusste Zerodyme und sie machte sich auf jeden erdenklichen Schrecken bereit. Doch sie sah nichts.

Maro., rief sie ihn in Gedanken, nachdem sie bemerkt hatte, dass sie immer noch unfähig war zu sprechen. Sie spürte, wie sich sein Körper mit mehr Kraft aufbäumte. Der Namenlose versuchte sich zu befreien. Sie leitete mehr Kraft in die Wasserfesseln.

Maro! Sieh mich an!, rief sie ihn, packte ihn grob an der Schulter. Er leistete keinen Widerstand. Er registrierte nicht einmal, dass sich eine ihrer Krallen versehentlich in seine Schulter gebohrt hatte.

Zerodyme schüttelte den Kopf. Das durfte nicht wahr sein. Ihre Kraft schwand, sie würde den Namenlosen nur noch kurz festhalten können und was auch immer mit Maro geschehen war, es entzog sich ihrer Kontrolle. Sie setzte sich hinter ihm, hielt seitlich seine Schultern und legte ihre Stirn an seinen Hinterkopf. Sie musste sich stark konzentrieren. Bellkur übernahm die Wasserfesseln und zog sie fester, als er merkte, dass ihr die Magie entglitt. Sie merkte es bereits nicht mehr.

Sie sah was Maro sah und sich gleichzeitig auf magische Weise ihrem Blick entzog. In der Dunkelheit des Raumes waren Bilder.

Da war eine Frau, durch Krankheit und Seuche entstellt, die in den Armen Maros starb. Ihr Körper war abgezehrt. Sie war in Lumpen eingewickelt. Er hielt sie an seine Brust und schloss ihre Augen, während irgendjemand hinter ihm ihn an den von Sand bedeckten Kopf spuckte. „Mama.", wimmerte Maro und drückte ihren leblosen Körper fest an sich. „Mama...Mama..."

Da war ein Hüne, ein großer Mann in einer schweren Schwarzen Rüstung, dessen Blut langsam aus einer Wunde an seinem Hals lief. Er sah mit leerem Blick zum Himmel. Maro rannte Treppen hinauf, seine weiße Kleidung blutgetränkt, kam zu ihm, kniete sich nieder, ihn verzweifelt schüttelnd. „Nein...nein...Meister...MEISTER!!!", brüllte er laut. Der Helm fiel dem Hühnen vom Kopf. Ein langer Rabenschwarzer Haarzopf fiel daraus hervor. Tränen stiegen Maro in die Augen. Er sackte in sich zusammen.

Zerodyme konnte seine Gefühle spüren, so tief drang sie in seine Seele ein. Seine Mutter war verstorben, die einzige die ihn je geliebt hatte. Und seine Vaterfigur, sein Meister, der einzige, der in ihm keinen Bettler und künftigen Sklaven, sondern einen hochtalentierten Jungen erkannt hatte, der ihn wie einen echten Soldaten von Rang und Namen behandelt hatte, war tot. Die Trauer in Maros Herzen war unermesslich. Sie riss eine Narbe in Maros Seele, die nie wieder verheilen sollte.

Zerodymes Blick glitt von Maro ab, als dieser seinen Kopf auf die Schultern seines Meisters legte und weinte. Ihr stockte der Atem, als sie die Waffe sah des Hünen sah. Eine Hellebarde. Sie war wesentlich zu lang für den Mann, aber sie spürte Maros Erinnerungen. Dies war die Waffe seines Meisters gewesen. Eine Hellebarde mit hellblauen Schaft, wie aus Kristall.

Die Himmelslanze. Die Waffe die Maro trägt...ist die Waffe seines Meisters. Die Klingen wurden vertauscht...aber sie ist es...

Sie wusste um die Verbindung die magische Artefakte mit Besitzern eingehen konnten, die ihnen mental nahe gekommen waren und ihre Geister ihnen geöffnet hatten. Diese Waffe war Maro mehrere Jahre lang ein Begleiter gewesen.

Und das...eine mentale Bindung...kann auch als Anker für einen Zauber dienen!

„Bellkur, nimm ihm die Waffen weg!", wies sie den Avial an. Bellkur griff in die Wasserleinen und entriss Maro beide Speere. Er warf sie weit von sich. Sie fielen ins seichte Wasser und gingen unter.

Der Zauber blieb dennoch. Maro blieb immer noch das Häufchen Elend, das in dem dunklen Raum vor Zerodyme saß. Sie sah tiefer in seinen Geist, nach dem Anker suchend, der Maro hielt.

Sie sah Bellkur auf einer Wiese, auf der das Gras abstarb, noch während sie zusah. Dunkle Schatten tanzten um ihn herum. Der Avial zog sein Armband ab und zerriss sich ohne zu zögern den Arm mit seinen Krallen. Maro sah nur zu. Er sah zu, wie sein Freund starb.

Das ist nicht passiert., dachte Zerodyme verwirrt. Wieso...

Maro kämpfte gegen Zerodyme, sprang zu seinem Speer, führte den Rückhandschlag. Zerodymes Hals öffnete sich, gurgelnd versuchte sie einzuatmen, hielt sich den Hals panisch. Maro schlug mit dem Schaft ihren Kopf zurück, ließ die Speerspitze in ihr überrascht geöffnetes Maul fahren.

Zerodyme sah weg, hörte aber dennoch, wie sie getötet wurde.

Illusionen. Das sind nichts als Trugbilder. Maro muss das doch sehen! Sie wusste um Maros starken Willen. Dies waren schreckliche Bilder und sie spürte selbst den Schock, als sie sich hatte sterben sehen. Aber sie schätzte Maro stärker ein. Da musste etwas anderes sein.

Hörst du...

Eine geisterhafte Stimme drang aus dem Gedächtnis hervor. Zerodyme konzentrierte sich darauf, während der Namenlose immer heftiger versuchte, sich aus dem Wassergefängnis zu befreien. Er rammte seine Gedanken gegen sie, doch Bellkurs und Zerodymes vereinte Magie konnten ihm standhalten. Noch.

Ich bin nahe. Er weiß es. Ich habe es fast geschafft.

Sie horchte auf diese Stimme und suchte sie. Schnell war die Erinnerung gefunden, auch wenn eine Mauer das Bild verschwimmen ließ und die Stimmen lauter und leiser wurden. Sie sah eindeutig Maros Meister, in voller Rüstung und bewaffnet. Maro besaß bereits seinen Himmelssplitter und machten einen Übungskampf mit ihm. Er schlug sich herausragend. Seine Attacken waren schnell und präzise, sein Meister konnte es mit dem Tempo nicht aufnehmen, aber er hatte eine bessere Technik und wesentlich mehr Erfahrung. Mitten in das Kreischende Metall begann der Hüne zu sprechen. Seine Stimme war donnernd und schien gewohnt, Befehle zu erteilen.

Hörst du? Zwei Weisheiten muss, gleich ob Krieger oder Gelehrter, ein jeder zur Kenntnis nehmen und beherzigen, denn sie gehören weder zum Pfad des Kriegers, noch zu einem anderen. Vielmehr sind sie die Grundlage nahezu aller Weisheiten derer wir uns rühmen. Erstens: Wer die Erkenntnis mehret, der mehret das Leid. Und je größer die Erkenntnis und je klarer die Welt als das offenbart, was sie wirklich ist, umso tiefer die Seele in Dunkelheit fällt, trachtend erneut in die wunderbaren Himmel des Unwissens und der Torheit aufgenommen zu werden.

Meister, ich...verstehe nicht...

Schweig! Die zweite Weisheit. Ein Mächtiger fürchtet nichts bis auf ein Ding! Er fürchtet seine Macht wieder zu verlieren. Und da zeigt sich die wahre Kraft der Seele, denn ist er stark genug sich wieder aus der Machtlosigkeit zu erheben, so wird er Kräfte erlangen, jenseits seines eigenen Verständnisses. Doch ist die Seele zu schwach, so wird ihn der Schock über die Erkenntnis seiner Winzigkeit wertloser machen als das niederste Wesen auf Erden.

Ich verstehe...nicht ganz...

Das ist nicht notwendig, Maro. Beherzige meine Worte. Die Erkenntnis wird sich irgendwann einstellen.

Maro wich zurück und verneigte sich tief vor seinem Meister.

Das werde ich, Meister.

Sein Meister betrachtete ihn eine Weile und schulterte dann seine Hellebarde. Er ging weg, hinaus aus der Erinnerung.

Morgen, Maro, werden wir ernsthaft üben. Es wird mir zu anstrengend, mich deinem Niveau anzupassen. Also bereite schon mal einen Topf Wundsalbe.

Der Ton war spöttisch, aber Maro schien überglücklich. Zerodyme spürte die Wärme, die in dieser Erinnerung lag. Jemand hatte ihn als vollwertig akzeptiert, als ebenbürtig. Das hatte er sich stets gewünscht.

Die Mauer wurde plötzlich fest und schlug Zerodyme weg. Sie sah etwas anderes. Sie sah den Drachen Maro. Ein merkwürdiges Licht flog um ihn herum und plötzlich, durch einen blendenden Lichtblitz, war er wieder ein Mensch.

Ich glaubte an meine Macht.

Er war nackt, seine Arme wirkten plötzlich merkwürdig dünn. Seine Haare waren strähnig und es fehlte ihnen jede faszinierende Kraft, die seine sich selbst bewegende Drachenmähne hatte.

Ich hielt mich für stark.

Seine Füße waren weich, er konnte überdeutlich seine Finger an den Armen spüren, als er sich fröstelnd hielt.

Mir ist kalt.

Für seine menschlichen Augen war die Dunkelheit undurchdringlich, gefährlich und tödlich.

Ich bin hilflos.

Ein Gewicht drückte ihn nieder, eine unsichtbare Kraft. Als Drache hätte er ihr mühelos widerstanden, doch als Mensch brach er unter dem Druck zusammen.

Ich bin schwach.

Vor ihm war eine Klippe. Ein Stein löste sich von ihrem Rand und fiel weit in die Tiefe. Maro ging auf die Knie, sah mit leerem Blick in den Abgrund.

Ich bin...nichts...

Er bäumte sich auf. Schrie mit überschlagender Stimme sein Entsetzen hinaus, wieder ein Mensch zu sein.

Zerodyme spürte die Magie hinter dieser Illusion. Sie war der Anker und hielt Maro in diesem Gefängnis. Sie ging zu ihm, legte ihm eine Pfote auf die Schulter. Er brach sein Schreien ab, sah sie mit vor Schreck geweiteten Augen an, nur um sich eine Sekunde später abzuwenden.

Ich will nicht schwach sein. Ich will nicht, dass sie mich so sieht. Nicht sie., hörte sie in seinen Gedanken. Er schämte sich. Ich bin ein Mensch. Ich bin schwach.

Nein, Maro, nein., beschwichtigte sie ihn und unterbrach sein Selbstgespräch. Du bist nicht schwach. Du bist kein Mensch.

Grausam. Sie ist grausam zu mir. Ich habe nichts getan. Was habe ich getan?

Sie verstand. Die Illusion des Namenlosen hatte Maro eingeredet, dass er ein Mensch war und er glaubte es. Wenn er sich machtlos glaubt, wird er sich nicht wehren, selbst wenn er es könnte.

Der Namenlose bäumte sich mit aller Kraft auf, versuchte seine Magie zu kanalisieren, aber Maro war ein Gestenmagier. Er konnte es nicht. Dennoch war seine Kraft so stark, dass Bellkur und Zerodyme die Hitze in Maros Körper spüren konnten.

Verdammt...er wird ihn tatsächlich verbrennen!, schoss es Bellkur durch den Kopf. In seiner Wut hatte der Namenlose alle Zurückhaltung verloren. „Zerodyme! Beeil dich!"

Sie wusste nicht weiter. Ihre Magie schwand. Sie konnten den Namenlosen nur noch kurz halten. Aber sie hatte das Gefühl, nichts sagen zu können, was Maro klar machen könnte, dass dies nur Illusionen waren. In seinem Zustand würden Worte ihm kaum erreichen.

Sie handelte instinktiv. Sie umschloss Maro weich mit ihren Armen, legte einen Flügel hinter seinen Rücken wie ein weiches Bett. Sie schob ihn in eine liegende Position, versuchte ihn mit Gedanken Wärme und Geborgenheit zu schicken.

Woher kenne ich es? So wurde ich gehalten? Wieso? Wann?

Zerodyme wollte antworten, doch plötzlich spürte sie eine Magieansammlung. Der Namenlose fixierte in der Ferne die Speere. Das Silber in Maros Augen verschwand und wurde langsam von einem durchdringenden Orange ersetzt.

Was passiert...?, fragte sich Zerodyme und Bellkur in Gedanken, als bereits Maros Himmelstod aus dem Wasser geschossen kam.

Zerodyme griff nach der Waffe, aber sie raste zu schnell und traf Bellkur in die Flanke. Der Avial brüllte auf. Seine Magie brach und Zerodyme konnte den Namenlosen nicht mehr halten. Er befreite sich aus dem Wassergefängnis und stürzte sich auf sie mit irre glänzenden Augen. Schatten tanzten um den Speer herum, als Bellkur ihn herausriss und auf Maro warf. Der Drache wich in einer beiläufigen Bewegung aus. Rasend vor Wut stürzte sich Bellkur auf ihn, versuchte ihn mit seinen Krallen zu packen zu bekommen. Maro ließ sich nicht auf den Kampf ein, wich zurück und stürzte sich erneut auf Zerodyme. Sie sprang weit weg. Plötzlich war er wieder vor ihr, packte ihren Arm, der verteidigend vor ihr war uns biss hinein. Zerodyme erhob sofort ihre Magie und drückte das Gift aus ihren Adern in Maros Maul. Die Augen weiteten sich erschrocken, er ließ ab, spuckend und würgend. Zerodyme rammte ihm ein Bein in den Magen und schleuderte ihn ins Wasser.

Maro. Bitte! Wach auf!

Wieso hält sie mich. So weich. Bekannt. Wieso?

Maro...wir können nicht mehr. Sie landete wieder auf dem Wasser. Der Namenlose sprang auf das Wasser und rannte auf sie zu. Seine Speere flogen auf ihn zu. Er packte sie und schwang sie gegen Zerodyme. Die Coatyl und der Avial wichen zurück, aber Bellkur war verletzt. Aus seiner Wunde floss viel Blut und auch wenn Zerodymes Arm nur vier dünne Löcher von Maros Fangzähnen aufwies, so waren diese dennoch tief.

Maro., sagte sie in seinem Geist, legte ihre Stirn an seine, während seine Fragen immer noch umher flogen. Es ist zuviel. Wir können nicht mehr. Wir werden sterben! Wach auf!

Wieso? Was will sie? Was geschieht?

Er erinnerte sich an diese Pose, Zerodyme über ihn, ihr linker Flügel stützte seinen Rücken. Da waren Tränen gewesen, der Boden nass von Blut. Um sie herum der Tod. Die Berge hatten ihnen zugesehen.

Damals starb ich.

Zerodyme stockte, sah ihn an. Maros Augen wirkten nicht mehr leer. Er sah sie an.

Ich starb. Es waren zu viele. Soldaten...immer mehr Soldaten und es nahm kein Ende. Sie kamen und kamen. Ich konnte nicht gewinnen. Aber was war...ich kann mich nicht mehr erinnern...

Erinnere dich! Was warst du damals?

Er erinnerte sich an das Kreischen von Metall, an Menschen, die betäubt in sich zusammensackten, wenn er ihnen einen Schlag verpasste, an Soldaten, denen er den Kopf abgerissen hatte. Er hatte geschlagen, mit seinen Krallen Fleisch von Knochen getrennt, mit seinem Kiefer Knochen zermalmt.

Ich war ein Drache. Ich...war...und jetzt bin ich...

DU BIST EIN DRACHE!!!, brüllte ihn Zerodyme an. Der Namenlose war vor ihr, sie sprangen zurück, ausnutzend, dass er mit seinem gebrochenen Flügel nicht fliegen konnte, doch sie spürten, wie er den Wind konzentrierte. NICHTS KANN DIR DEINEN KRPER NEHMEN!!! NIEMAND!!! WACH AUF!!! Mit jedem Wort schlug sie ihn hart ins Gesicht. Er sah sie jedes Mal erschrocken an.

Ich spüre keinen Schmerz. Wieso nicht...Schuppen...Schuppen...ich bin...

Von einem Moment zum anderen zerbrach die Illusion. Wie Scherben brach seine Haut und offenbarte seinen wahren Körper. Er sah um sich die Dunkelheit, sah das kleine Loch weiter oben. Zorn kochte in ihm hoch. Zerodyme spürte wie sein Wille erstarkte. Derselbe Wille, der schon den Namenlosen im Vollbesitz seiner Kräfte überwunden hatte.

Seine Gedanken trafen die Decke. Fast beiläufig riss er den Boden auf. Trümmer stürzten herab. Namenloser...ich will frei sein! Sein Gedanke wurde stark genug, die Treppen und Mauern der Seele einzureißen. Zerodyme spürte, wie der Zauber mit Gewalt brach. Der Namenlose, erschöpft von langer Hatz und vielen Kämpfen, hatte keine Kraft mehr Maro aufzuhalten. Er konnte das Labyrinth, die Zauber, die seelische Folter nicht mehr halten. Alles um sie herum zerbrach. Zerodymes Doppelbild vor Augen verschwamm und löste sich auf, als sie vollständig aus der Seele des Namenlosen gerissen wurde.

Maros Augen wurden wieder silbern. Alle Kraft verließ ihn. Seine Magie verschwand. Mitten im Lauf gaben seine Beine nach und er stürzte. Die Luftkissen lösten sich auf. Er versank im Wasser.

„Maro!", rief Zerodyme und sprang ihm hinterher. Sie tauchte und packte ihn, bevor er zu tief versank. Sie schwamm mit dem Drachen ans Ufer. Bellkur half ihr, seine Augen waren zu schmerzhaften Schlitzen verzogen, Maro auf den Sand zu legen. Er atmete langsam, sein Herz schlug ruhig. Zerodyme begann, sich um Bellkurs Wunde zu kümmern. Sie blutete heftig und ein dunkler Zauber hinderte sie daran, die Wunde sofort zu verschließen, aber sie konnte die Blutung schnell stoppen. Die beiden Drachen sahen immer wieder zu dem Dämon, der so friedlich schlief. Seine Waffen lagen neben ihm. Einer seiner Flügel war zertrümmert, aber Zerodyme sah, dass diese Verletzung vorerst nicht ihrer Aufmerksamkeit bedurfte.

„Es war knapp."; sagte Bellkur irgendwann in die Stille hinein.

Zerodyme schwieg. Sie hatte einen neuen Namen auf der Liste derer, denen sie ihre Taten nie vergeben würde, auch wenn sie den wirklichen Namen nicht kannte.

Als Bellkurs Wunde aufhörte zu bluten, sah sie nach Maro. Sie saß einen Moment vor ihm und schien seinen Körper abzusuchen.

„Wo ist sie?", fragte sie sich selbst. Sie ließ es auf einen Versuch ankommen und öffnete sein Maul. Sie sah hinein und zog mit einem schnellen Handgriff eine lange Phönixfeder heraus, die tief in seinem Hals gesteckt habe musste. Sie wurde durch eine magische Mauer vor Maros Säure geschützt, doch kaum zog Zerodyme sie heraus, löste sie sich auf.

„Was macht die denn...in ihm?"

„Ich wunderte mich schon eine Weile, Bellkur. Um elementare Wassermagie zu verwenden, so wie ich, muss man singen oder irgendetwas Melodisches machen. Und um Feuer zu verwenden, benötigt man eine Phönixfeder. Gutes Versteck...aber dennoch...es..." Bellkur bemerkte ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck und ließ sie mit ihren Gedanken allein.

Kapitel 7: Der Feind

Mehrere Tage später.

„Was...ist...diese Waffe?", fragte der Avial und hielt den blauen Speer gegen die Sonne, ab und an durch das dichte Blätterwerk schien. Er betrachtete ihn genau. Er konnte einen anergetischen Zauber spüren, der im Schaft eingebettet war. Ein Zeitsiegel, wie er jetzt erkannte. Allerdings ließ er in einem bestimmten Raum die Zeit schneller vergehen und nicht langsamer. Die Spitze mit den Linien entpuppte sich als eine Beschwörungsformel, denn in winzigen Buchstaben, so klein, dass sie aus der Nähe noch wie eine Linie wirkten, zog sich ein langer Satz um die Klinge. Bellkur las: Möge die Zeit vergehen, als wäre sie Tausend Jahr und möge das Fleisch zerfallen, als würde das Jahrhundert im Augenblick wohnen und möge der Stein die Ewigkeit im Moment erleben.

„Das ist eine extrem mächtige Formel.", bemerkte der Avial. Zerodyme erwiderte nichts. Ihre Hände lagen auf Maros Flügel. Sie ließ die Knochen langsam verheilen. Sein Spreizgelenk war vielfach gebrochen. Sie brauchte bereits eine halbe Stunde.

„Nein.", sagte sie plötzlich. „Es wird mir nicht klar."

„Was meinst du?", fragte Bellkur und legte Maros Speer auf den Steingarten zu seinem anderen.

„Als ich in der Seele des Namenlosen war...da geschah etwas sehr Merkwürdiges. Es geschah nichts."

„Könntest du dich etwas klarer ausdrücken, Zerodyme?"

„Ich war in der Seele des Namenlosen. Er hätte, noch bevor unser Kampf begann, da hatte er noch viel Kraft übrig, mir alles entgegen werfen können. Albträume einer ganz anderen Art, Massen von Soldaten, Teufel, Drachen, Dämonen. Ich bezweifle, dass es für ihn schwer gewesen wäre, ganze Naturkatastrophen in seiner Seele zu imitieren, um meine Seele mit Erdrutschen oder Felshageln für immer in der seinen zu vergraben. Warum hat er es nicht getan? Mehr noch, einmal verließ ich die Seele kurz und ließ nur eine Feder als Anker da, damit ich zurückkommen konnte. Und er baute keine Mauer auf, weder um mich am verlassen zu hindern, noch um meine Rückkehr aufzuhalten. Er änderte den Raum nicht, obwohl er dafür Zeit hatte. Mir scheint es jetzt, dass er mich, selbst als ich in den dunklen Raum zu Maro herabgestiegen war, gar nicht ernsthaft aufhalten wollte."

„Vielleicht hat er dich auch nur unterschätzt. Und außerdem war er ja drauf und dran uns zu töten. Du hättest seinen Angriffen vielleicht noch ausweichen können, aber ich mit dieser Wunde...", er deutete mit seiner Schnauze auf den Verband an seiner Flanke. Die Speerwunde verheilte schlecht, sie eiterte zwar nicht und war auch nicht entzündet, aber Zerodymes Heilmagie schien kaum Wirkung zu haben. Sie vermutete einen Finsterniszauber, der die Heilung verlangsamte und sie hinderte ihre Magie zu verwenden.

„Ja, da hast du Recht." Sie sah wieder zu Maro. Die Knochen in seinem Flügel waren wieder gerichtet. Sie dachte daran, mit welcher Kraft seine Gedanken gehabt hatten. Er hatte, bereits beim ersten Versuch, noch nicht im Vollbesitz seiner mentalen Kräfte, bereits die Decke zum Einstürzen gebracht. Beim zweiten Schlag hatte er den Raum mit solcher Brutalität zerrissen, dass sie beide wieder in ihre eigenen Seelen geschleudert wurden. Der Namenlose hatte für einen Moment die Kontrolle über seinen Geist verloren.

Als ich damals diese Illusion von Ästhus zerstört hab...da hatte er bereits schwere Kopfschmerzen und hat Blut erbrochen., dachte Zerodyme. Ich habe so viel Kraft angewendet, dass sogar der Körper reagiert hat. Aber Maro...diese Kraft...ich hab ein kleines bisschen Mitleid mit dem Namenlosen. Dem geht es bestimmt nicht gut.

„Worüber lachst du?"

„Nichts. Nur ein Gedanke.", antwortete Zerodyme mit einem schadenfrohen Ausdruck im Gesicht.

„Mir ist immer noch nicht klar, wie du das mit dem Wasser gemacht hast."

„Es war eigentlich ganz simpel. Ich habe einen kleinen Umweg zu einem Fluss gemacht und von dort einiges Wasser mit meiner Magie zum See transportiert. Der Namenlose kannte den See bereits und war sich sicher, dass dort kein Wasser war, was man für Magie verwenden konnte. Er versuchte nicht einmal seine Sinne in die Tiefe zu erstrecken, sonst hätte er es zweifellos gefunden."

„Die Falle war riskant."

„Notwendigerweise." Zerodyme ging zu ihm und betastete den Stoff. Bellkur zog zischend Luft zwischen den Zähnen ein. „Das dauert eine Weile.", sagte sie mit erschöpfter Stimme.

„Nachdem ich die dunkle Anergie spürte, habe ich mir das schon gedacht."

„Es hätte ein schlimmerer Treffer werden können. Kein Muskel ist durchtrennt, kein Organ verletzt. Durch die schmale Klinge wird bestenfalls eine dünne Narbe zurückbleiben."

„Ich Glücklicher.", antwortete Bellkur sarkastisch. Für Zerodyme war sein scharfer Ton ungewohnt. Sie nahm an, dass es an seiner Schlaflosigkeit lag. Er hatte kaum eine Nacht durchgeschlafen, denn in der Dunkelheit schien die Wunde anzufangen zu Schmerzen. Auch das brachte sie mit dem Finsterniszauber in Verbindung und hoffte, es würde nicht von Dauer sein.

„Bellkur. Hat Maro eigentlich, als er gegen dich kämpfte, einen Fehler gemacht?"

„Du meinst...", Bellkur erinnerte sich, „...ob er einen Schlag abbrach, der sonst tödlich gewesen wäre?"

„Also bei dir auch."

„Ja. Ein Schlag, der sonst meinen Unterarm der Länge nach geöffnet hätte. Bei dir war es dieser horizontale Schlag."

„Erinnere mich nicht daran, Bellkur. Ich...war überzeugt ich würde in diesem Augenblick sterben." Sie hatte schon schrecklichere Dinge gesehen, viele Dinge. Aber das Maro, ein Freund dem sie vertraute, sie umbrachte, das noch nicht. Die Bilder, mit denen der Namenlose Maro gefesselt hatte, gingen ihr nicht aus dem Kopf.

„Er hat ihn mit Illusionen gefangen gehalten.", erklärte sie Bellkur, als er fragte, was der Namenlose getan hatte, damit Maro, selbst als er schwächer wurde, ihn nicht mehr überwinden konnte. „Es gab keine echten Hürden. Zugegeben, das war sehr geschickt. Er hat Maro das gezeigt, was ihm am meisten Schmerzen bereitete und er hat ihn glauben lassen, er sei wieder ein Mensch. Maro hat sich ohne Probleme befreit. Der Geist des Namenlosen war zu geschwächt durch den Kampf. Auch vorher hätte er es gekonnt. Er hätte genug Kraft gehabt. Aber Maro glaubte nicht mehr, dass er irgendwelche Kräfte besaß. Als ich ihn fand war er nur ein Schatten seiner selbst."

„Er hat ihn glauben lassen, er sei schwach?"

„Ja. Schwach. Nutzlos. Klein. Unbedeutend. Zudem kam der Schock. Maro wollte nie etwas anderes als ein Drache sein und hat sich an einen steinharten, starken Körper gewöhnt und plötzlich ist er wieder ein Mensch, frierend und klein. In keiner Weise mehr mit einem Drachen vergleichbar."

Dieses Aas!, dachte Bellkur. Er empfand eine Welle der Sympathie für Maro.

„Meister?"

Sie sahen auf. Zwei Jugendliche näherten sich vorsichtig durch die Bäume. Ein Mädchen und ein Junge. Zerodyme winkte sie heran. Mit mehr Mut näherten sie sich und knieten vor Maro nieder, der friedlich auf der Wiese schlief.

„Er ist noch nicht aufgewacht und soweit ich sehen kann, wird er keine bleibenden Wunden davontragen.", kam Zerodyme ihnen ihrer Frage zuvor. „Eure Treue zu Maro ehrt euch und ich kann mir vorstellen, dass er stolz wäre, würde er wissen, dass seine beiden Meisterschüler sich so um ihn sorgen, aber ich kann nicht sagen wann er wieder aufwacht."

„Aber er muss doch essen. Es muss doch Tage her sein.", sagte der Junge.

„Meine Magie kann das eine ganze Weile kompensieren. Zudem ist er eine Art Mischung zwischen Drache und Schlange und ich weiß von ihm, dass er mehr als eine Woche ohne jegliche Nahrung auskommen kann."

Das Mädchen nickte dankbar und machte sich daran Maros Halle zu säubern. Der Boden war mit einer dicken Staubschicht bedeckt, die spartanische Einrichtung hatte es, obwohl sie nicht bewegt worden war, irgendwie geschafft den ganzen Raum unordentlich aussehen zu lassen. Ihr Bruder ging ihr nach und begann die Stellen, die sie gefegt hatte, mit einem Lappen spiegelblank zu putzen. Leise unterhielten sich die Drachen weiter.

„Eines stört mich an dem Ganzen. Der Namenlose hat einen Dämon gerufen. Er hat Maro unterworfen und Gemetzel anrichten lassen. Wenn er größtmögliche Zerstörung verbreiten will, warum macht er es nicht selbst?", fragte Zerodyme.

„Das frage ich mich auch. Diese ganze Sache scheint keinen Sinn zu haben. Selbst seiner Unterhaltung kann es nicht gedient haben, denn solche Dinge machen doch mehr Spaß, wenn man sie selbst macht."

„Ja. Wie dem auch sei, wir haben einen Gegner. Einen mächtigen Feind.", sie seufzte, „Ich mag gar nicht daran denken, wie lang diese Liste bereits geworden ist. Die Drachentöter, die wieder aktiv wurden. Die Armeen, die sich gegenseitig bekämpfen..."

„Wie es aber aussieht, ist Maros Theorie richtig. Hier geschieht dasselbe wie in seiner Welt einige Jahrhunderte zuvor. Nur muss ich zugeben, nachdem was er gesagt hat, scheint es hier wesentlich schneller zu gehen. Als würden aus den Jahrhunderten in seiner Welt hier Jahrzehnte."

„Das musst du mir sagen.", wehrte Zerodyme ab. „Ich reise nicht umher, so wie du."

„Das solltest du vielleicht.", bemerkte Bellkur schmunzelnd. „Ich habe immerhin ein knappes dutzend Drachen für unsere Sache gewinnen können. Sie wollen sich im Laufe der nächsten Woche auf der Ebene Trstre einfinden und auf uns warten."

„Ein dutzend? Hmm. Das ist mehr als ich erwartet habe. Ich wusste nicht, dass du so viele Bekannte hast." Zerodyme wollte noch weiterreden, aber in dem Moment unterbrach sie Maro, der laut aufstöhnte. Noch bevor die Drachen sich ihm zugewandt hatten, waren seine Schüler bei ihm, hockten auf Knien an seiner Seite, die Augen erwartungsvoll geöffnet.

Er bewegte seinen Kopf ein wenig, verzog seinen Mund schmerzverzerrt und glitt wieder in seine Träume zurück. Seine Schüler warteten noch eine Weile, aber er wachte nicht noch einmal auf.

„Das ist ein gutes Zeichen.", erklärte Zerodyme den beiden. „Es hätte sein können, dass er noch länger ohnmächtig bleibt. Wenn er jetzt bereits kurz aufwacht, bedeutet das, das sein Körper sich schnell erholt." Maros Schüler machten daraufhin die Halle weiter sauber. Und sie machten es schneller, als hätten sie Angst, ihr Meister würde sehen, wie unordentlich sein Zuhause geworden war.

„Eines bleibt dennoch.", sagte Zerodyme am Abend zu Bellkur, als sie in der Halle lagen. Maro neben ihnen schlief immer noch. „Wir haben einen Feind, den wir mit Kraft nicht besiegen können. Wir müssen etwas anderes finden. Einen Schwachpunkt."

„Wir konnten ihn besiegen...allerdings war er in Maros Körper."

„Und das hat ihn geschwächt. Er konnte nicht seine ganze Magie verwenden. In einem direkten Kräftemessen hätten würden wir kein Land sehen."

Bellkur dachte darüber nach und kam zu demselben Schluss. Der Namenlose war ein Gegner, den sie nicht besiegen konnten. Zumindest nicht zu zweit.

„Im Moment sind die Drachentöter ein dringlicheres Problem, denke ich.", sagte Bellkur, „Sie sind in allen Ländern aktiv geworden und unterstützen die jeweiligen Armeen manchmal direkt und manchmal indirekt. Sie meiden die Kämpfe der Fürsten untereinander und suchen, sozusagen im Schutz der Armeen, Drachen und töten sie. So viel weiß ich mit Sicherheit."

„Woher?", fragte Zerodyme.

„Händler. Reisende. Verschiedene Leute. Das merkwürdige ist...als Maro und ich die Drachentöter ausfragten...", Zerodyme schmunzelte ironisch bei dem Wort, „...haben sie dennoch nichts gesagt. Drachentöter handeln nie einfach so aus sich selbst heraus und ihre Bewaffnung...du hast es selbst schon mal gesehen. Sie ist außergewöhnlich."

„Seit Vanitasus war die letzte Gruppe Drachentöter, mit der ich es zu tun hatte, die gegen die Maro bei meinem Wald kämpfte. Sie waren wirklich gut bewaffnet."

„Ja. Diese Bewaffnung muss eine Quelle haben. Der Orden der Drachentöter hat nie und nimmer solche Mittel. Ich stellte auch fest, dass die Bewegungen der kleinen Gruppen einem Netz gleichen. Es war schwierig zu rekonstruieren, aber wenn ich mir die Berichte der Leute durch den Kopf gehen lasse...scheinen die Drachentöter die Fürstentümer systematisch vom Südlichsten zum Nördlichsten abzusuchen. Deinen Wald meiden sie offenbar."

„Die Bestie ist ihnen zu gefährlich, was?", scherzte Zerodyme leise lachend.

Bellkur lachte mit ihr.

Der Morgen brach an. Zerodyme wachte auf und sah auf Maros Lager. Es war leer.

Erschrocken sprang sie auf und weckte damit Bellkur. Auch er sah es sofort.

„Maro!", rief Zerodyme. Niemand antwortete. Sie ging aus der Halle. Neben dem Eingang saß der Drache im Schneidersitz, die Augen leer in die Ferne gerichtet.

Kapitel 8: Ferne Erinnerungen

Einige Tage später.

„Hmm...wieder sitze ich hier...und ich weiß nicht mehr, was ich dir sagen soll. Maro. Warum nur? Du hörst mich. Ich weiß es. Aber du lässt es nicht zu. Warum tust du das? Zerodyme hast du schon enttäuscht. Gleich nachdem sie meine Wunde fertig versorgt hatte, ist sie zu ihrem Wald geflogen. Sie hatte tiefen Respekt vor dir und sie vertraute dir. Und du sitzt hier seit Tagen und tust nichts...und zerstörst damit alles, was sie an dir schätzte. Bitte steh doch auf. Enttäusche mich nicht noch auch. Du selbst hast doch gesagt, dass es feige ist, Selbstmord zu begehen. Du selbst hast mich aufgehalten, das zu tun. Du bist mein Freund. Bitte. Ich bitte dich damit aufzuhören. Es hat keinen Sinn. Die Drachen sind bereits auf der Ebene von Trstre und warten. Es sind mit Sicherheit ein Dutzend von ihnen. Vielleicht haben sie meine Nachricht noch verbreitet...Verdammt...Maro...Ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir tat, als Zerodyme mir alles erzählt hat, was der Namenlose mit dir gemacht hatte, aber es ist vorbei. Du bist stärker geworden. Auch wenn er es war, der kämpfte, so hast du einiges von ihm gelernt. Was ist es also? Scham? Zorn? Trauer über die sinnlosen Toten? Nichts von alledem ist wichtig. Wir waren und werden dir nichts nachtragen. Es war nicht deine Schuld. Die Toten sind bedauerlich...aber ist es das wert, dass du dein Leben so wegwirfst, nachdem wir alles getan haben, um es zu retten? Wir wollten dich nicht töten, obwohl es viele Gründe gab. Allein schon der, das wir überleben wollten. Doch von Anfang an zweifelte Zerodyme daran, dass du es warst, der sie attackierte. Sie hielt dich die ganze Zeit für unschuldig. Und du bist es ja auch.

Maro. Du sagtest mir einst, wie wichtig dir Freunde sind. Du sagtest, du würdest mich beschützen und du hast es. Wärest du nicht gewesen, wäre ich durch den Speerschlag gestorben. Maro...bitte hör mir ganz genau zu. Ich gebe dir dasselbe Versprechen. Ich werde alles tun, alles, um dich zu beschützen. Aber ich kann dich nicht vor dir selbst schützen, wenn du das hier tust. Ich bitte dich, Maro, steh einfach auf. Bitte."

Keine Reaktion.

„Mein Freund. Weißt du, was diese beiden Worte für mich bedeuten? Kannst du dir vorstellen, wie gerührt ich war, als du das so...nebenbei, wie eine Selbstverständlichkeit, gesagt hast? Ich hatte eigentlich...nun...nach dem ganzen Kämpfen und diesen Gemetzel hatte ich mich entschlossen, euch beiden, dir und Zerodyme, nach deiner und meiner Genesung je eine meiner Federn zu schenken. Weißt du, die Avialfedern erlauben es, Anergie ohne jede Mühe zu sammeln. Sie wäre besonders für dich interessant, da du nun auch diesen außergewöhnlichen Speer hast. Ich wollte dies feierlich machen...aber nun muss es wohl so sein...Autsch..."

Er legte Maro eine breite Feder aus seinen Flügeln in den Schoß. Sie war von tiefem, glänzendem Schwarz und ging in der Spitze langsam zu einem dunklen rot über. Fasziniert sah Bellkur, wie Maro langsam den Blick senkte und die Feder anstarrte. Sein Gesicht war starr, es zeigte sich keine Regung. Aber Maro war aufgewacht. Bellkur ließ diesen Moment nicht verstreichen. Er umarmte den Drachen und zog ihn sanft an seine Brust, was Maro widerstandslos geschehen ließ. Er legte seine Stirn an die Maros. Seine Flügel umspannten sie beide, schlossen sie ein in einem dunklen Kegel, durch den das Sonnenlicht an so wenigen Stellen hindurch schien, dass es wie das Sternenzelt wirkte, das man plötzlich greifen konnte.

„Maro. Niemals werde ich dich aufgeben. Niemals werde ich an deiner Freundschaft zweifeln. Niemals wird meine Treue zu dir wanken. Du bist mächtig. Ich habe deinen Zorn, die Trauer gespürt, als Zerodymes Wald brannte. Doch das ist nicht deine Macht. Merkst du es denn nicht? Zerodyme. Ich. Rachkurius. Deine Schüler. Die Menschen hier. Sie alle. Sie fühlen sich zu dir hingezogen. Du hast die Macht, dass sich Menschen in deiner Nähe sicher fühlen, dass sie sich geborgen und geschützt fühlen, solange sie bei dir bleiben. Du hast eine Macht, die selten ist. Du ziehst Wesen aller Art an, die Hilfe bedürfen und gibst ihnen das Gefühl, gehört zu werden. Dein Geist ist mächtig genug, dem Namenlosen zu widerstehen und sein Gefängnis zu zerbrechen. Du hast Macht. Du hast Freunde. Du bist wertvoll. Du bist Maro, der weiße Nachtzahn, der Dämon, zu dem alle Söldner aufblicken, von dem auch die hartgesottensten Kämpfer nur im Flüsterton sprechen, vor dem sich viele Generäle fürchten. Und du bist mein Freund. Bitte tu es nicht. Das...das werde ich nicht überleben. Maro. Ich habe dir so sehr vertraut, dass ich meinen Hals auf deinen Schoß legte, als ich schlief, obwohl sich in solchen Momenten immer zweifelnde Gedanken anschlichen. Kann er mich töten? Mein Nacken ist ungeschützt. Er hat Gift in den Zähnen. Gefahr! Das alles und mehr geht durch meinen Kopf und ich kann es nicht ausblenden. Ich kann es nicht. Doch bei dir war es anders. Keiner dieser Gedanken war da. Ausgerechnet bei dem so gefürchteten Dämon fühlte ich mich absolut sicher, geborgen wie in den Armen meiner Mutter. Und selbst meine dunkelsten Erinnerungen schwanden durch deine Worte. Du hast Macht, Maro. Du hast eine Macht, um die dich Herrscher beneiden. Du bist weise. Warum willst du alles, was du bist, wegwerfen? Alles? Maro..."

„Hör auf..."

Bellkur hörte sofort auf und wartete. Maros Schultern bebten, er hatte gesprochen. Seine Stimme war lange nicht benutzt worden. Sie klang brüchig und alt.

„Ich verdiene es nicht. Ich verdiene es nicht zu leben, Bellkur. Ich verdiene es nicht. Was geschah, geschah, weil ich es wollte. Ich ließ es geschehen. Das Gemetzel an den Elfen, der Tod von Traxas, der Angriff auf die Akademie. Ich ließ es geschehen. Nichts band mich. Nichts. Ich war frei und wollte es. Selbst den Kampf gegen Zerodyme. Ich wollte ihn. Ich wollte sehen, wie groß meine Macht war. Und ich habe...ich habe ihren Tod als Konsequenz akzeptiert. Ich habe...es nicht verdient. Ich habe weder dich noch sie verdient."

„Aber du hast sie nicht getötet."

„Sie hat mir das Leben gerettet. Sie war mir eine Freundin, als da niemand sonst war in der Einsamkeit. Und ich...und ich habe...ihren Tod in Kauf genommen. Ich war so berauscht von Macht. Du sprichst von Vergebung, von Freundschaft. Kannst du es? Kannst du mir tatsächlich aus der Tiefe deines Herzens vergeben, dass ich dich töten wollte?"

Maros Stimme brach. Er sah zu Bellkur auf. Zum ersten Mal sah Bellkur Maro weinen. Die Tränen flossen in dünnen Rinnsalen seinen Kopf zum Hals entlang, tropften von den Hörnern an seinem Unterkiefer. „Ich...ich kann mir selbst nicht vergeben...ich wollte...tatsächlich war ich bereit...meine Familie, die Einzigen auf der Welt, die mir bleiben...ich war bereit euch zu töten! Aus purem Vergnügen! Wie kannst du mir das Vergeben? Wie kannst du nur so dumm sein...so stur sein...mir zu vergeben?" Er konnte nicht weiterreden. Er ließ sich kraftlos nach vorn auf Bellkurs Brust fallen und schluchzte wie ein Kind. Seine Arme griffen sich Halt suchend an seiner Haut fest. Maro weinte weiter. Bellkur senkte seinen Kopf und drückte Maro fest an sich. Er flüsterte ihm zu: „Es gibt nichts zu vergeben, Maro. Nichts."

Epilog: Nahe Visionen

Der Älteste spürte, dass etwas geschehen war. Er stand auf. In der gesamten Schulhalle, ein Gebäude am Rand der Siedlung, in dem alle Mitglieder des Ordens gemeinsam aßen, wurde es still.

„Nach draußen.", befahl er. Sie gehorchten ohne zu zögern. Es war, als hätten die Wände plötzlich angefangen zu flüstern, als würde der pfeifende Wind Geschichten erzählen. Vor dem Gebäude drängten sich die Menschen aneinander vorbei zum großen Platz am Tor. Es zog sie dorthin.

Der Avial am den Steinweg herab. Die Menschen atmeten erschrocken ein, als sie Maro hinter ihm sahen, in jeder Hand einen Speer. Sein Maul war blutig, der Älteste hatte den Avial von seiner Jagd zurückkommen sehen. Das Reh in seinen Krallen war wohl für Maro bestimmt gewesen.

„Meister Maro!", riefen zwei Jugendliche und drängten sich aus der Masse heraus. Froh liefen sie zu dem Drachen. Der Junge umarmte ihn am Bauch, höher kam er nicht. Das Mädchen konnte sich noch fangen und verbeugte sich tief, bevor sie ihren Bruder wegzog.

„Wir sind so froh, euch wieder wohlauf zu sehen." Der Ausdruck in Maros Augen wurde weich.

„Ich danke euch für eure Sorge, Theidas, Ardos. Vielen Dank euch beiden. Nun kommt mit hinaus und seht zu."

Er ging langsam nach draußen, auf die große Wiese vor den Toren der Siedlung. Die Menschen drängten nach. Bellkur flog mit einem Flügelschlag über die Mauern hinweg. Maros Schüler standen in der ersten Reihe, als einzige, furchtlos neben dem Avial.

Welche Macht hat der Namenlose mir wohl überlassen? Welche Kräfte habe ich von ihm erlernt?

Maro streckte seinen Kopf nach oben, seine Mähne spielte im Wind. Er hob seine Waffen, in der Linken hielt er den Machtbrecher in der Rückhand, in der Rechten seinen Himmelstod. Langsam machte er erste, bereits schwierige Kampfbewegungen, schlug sich gegen drei imaginäre Gegner. Dann machte er vier daraus. Dann fünf.

Er wurde mit jeder Minute schneller. Bellkur konnte spüren, wie sich der Wind in absurden Mengen um ihn herum sammelte.

Der Namenlose hat sich einen starken Feind geschaffen., dachte Bellkur und auf einmal begriff er, wie ernst Zerodyme es gemeint hatte, als sie sagte, Maro sei einer der talentiertesten Magier, die ihr je begegnet sind. Die Speere rasten in einem Tempo herum, dem Bellkur kaum noch folgen konnte. Er war völlig außerstande, zu erkennen, wie Maro umgriff, die Hand wechselte, die Drehungen vom vertikalen ins horizontale änderte.

Mitten in der Bewegung sammelte sich, wie aus dem Nichts, Anergie in Maro. Er sprang vor und war plötzlich auf der anderen Seite des Feldes. Starke Winde begleiteten den Zauber. Ohne zu zögern wiederholte er es und teleportierte sich wieder an seine Ausgangsposition. Erschrockene Rufe wurden laut.

Maro begann den Wind zu kontrollieren, schlug Windklingen gegen unsichtbare Gegner. Diese halbmondförmigen Klingen flogen weit und schnell. Maro visierte in der Ferne eine Gruppe Bäume an, die unschuldig auf der Wiese standen. Er lud seine Magie und statt einen langsam Schlag voller konzentrierter Kraft abzufeuern, schlug er wie nebensächlich in die Richtung. Bellkur wusste, dass diese Distanz fast doppelt so weit war, wie seine Windklingen sonst reichten.

Der erste Baum wurde durchtrennt, die anderen folgten. Ohne Mühe hatte er dutzende Bäume zerschnitten.

Aus der nächsten Bewegung heraus, Bellkur war es als, würde sich eine Erinnerung vor seinen Augen abspielen, hieb Maro mit aller Wucht mit beiden Waffen auf die Erde, entlud den Wind in sie.

Vor Zerodymes Wald waren die Winde zornig gewesen und gewalttätig, doch Bellkur spürte die konzentrierte Ruhe, die mit dem Zauber einherging. Der Krater, der aus dem Boden gesprengt wurde, umfasste mehrere dutzend Meter.

Der Sand rieselte trocken auf Maros Schuppen herab, Erdklumpen fielen herunter. Maro drehte sich zu der Siedlung um. In seinem Herzen herrschte eine gewisse, undefinierbare Ruhe, ein kaum zu greifendes Gefühl. Bellkur wirkte beeindruckt, seine Schüler schlicht sprachlos.

Maro ging zurück. Eine Gasse bildete sich vor ihm. Die Menschen neigten den Kopf aus Respekt. Maro sah zu ihnen, doch es bedeutete ihm nichts. Der Respekt von Menschen, mit denen er kaum gesprochen hatte, war für ihn nur eine Randerscheinung. Es schmerzte ihn vielmehr der Gedanke, wie sehr er Zerodyme enttäuscht hatte.

Bald schon...bald muss ich zu ihr...und sie um Vergebung bitten. Er bezweifelte, dass er Erfolg haben würde, denn die Coatyl hatte sehr feste Prinzipien und es war schwer, sich ihr Vertrauen zu verdienen, besonders, nachdem man es so enttäuscht hatte.

„Bellkur. Was hast du eigentlich gesagt, als du meinen Flügel gebrochen hast?", fragte Maro in die nachdenkliche Ruhe eines Go-Spiels hinein. „Du hast etwas geflüstert. Was?"

„Du erinnerst dich daran?", fragte der Avial, als er einen Stein setzte. Maro stützte sein Kinn nachdenklich ab.

„Ja...langsam kommen die Erinnerungen zurück an die Zeit, in der mich der Namenlose kontrollierte und...", Maro unterbrach sich, denn seine beiden Meisterschüler kamen in die Halle. Sie tauschten Höflichkeiten aus und Maro gebot ihnen, erst am nächsten Tag wieder mit dem Wunsch nach Kampfübungen zu ihm zu kommen. Sie waren beide enttäuscht, folgten aber seinen Anweisungen und gingen wieder. Bellkur war von ihrer Disziplin beeindruckt.

„Die beiden hängen sehr an dir."

„Ja...von den fast zwanzig Schülern, die ich hier habe, sind sie mir die liebsten. Ruhig, gehorsam, talentiert und sehr gewitzt. Ich bin sehr stolz auf sie."

„Das kannst du sein. Nachdem wir dich wieder hierher brachten, sind sie jeden Tag an deiner Seite gewesen und haben diese Halle sauber gemacht."

„Ich weiß. Ich habe die Schlieren gesehen und wie unordentlich die engen Ecken und Winkel gemacht worden waren.", lachte Maro. „Aber zurück zur Frage. Was hast du gesagt?" Er setzte einen Stein.

„Ich habe dich um Vergebung gebeten. Dein Flügel war viele Male gebrochen...im Prinzip war dein Gelenk nichts mehr als ein Scherbenhaufen."

„...danke..."

Bellkur schlief ruhig, doch Maro blieb wach. Er lag mit offenen Augen auf seinem Lager, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

Bilder strömten in seinen Kopf ein. Er erinnerte sich an den Kampf mit Zerodyme, gegen Bellkur, gegen Beide, gegen Traxas. All das kam wieder. Er erinnerte sich an den Angriff auf die Akademie. Er hatte so viele dort getötet. Hunderte.

Doch das war es nicht, was ihn wach bleiben ließ. Besonders aus all diesen toten Gesichtern stachen zwei hervor. Das einer Frau mittleren Alters, recht hübsch, eine starke Feuermagierin, und das Gesicht eines Mannes mit einer Narbe am Hals, der ein Meister des Schwertkampfes gewesen war. Sie beide rochen wie seine Meisterschüler.

Ich habe ihre...Eltern getötet...verdammt! Maro tat es leid, den Geschwistern ihre Eltern geraubt zu haben, auch wenn er keine besondere Trauer empfand. Er wusste, auch wenn diese Siedlung abgelegen war und anscheinend außer einem Mönch und dem Ältesten niemand etwas von Maros Schandtaten wusste, würden sie irgendwann dahinter kommen. Und sie würden Rache üben.

Theidas und Ardos, sie beide sind intelligent und stark und sehr scharfsinnig. Was soll ich tun, um mich selbst und sie zu schützen. Sie sind ehrenhaft genug, mich direkt herauszufordern, doch so stark sie sind, sie können es nicht einmal in einem Jahrzehnt mit mir aufnehmen. Sie beherrschen keine Magie. Theidas ist eine gute Speerkämpferin und Ardos ist schnell und flink. Was ihm an Kraft fehlt, macht er durch Einfallsreichtum wett. Dennoch...ich kenne sie. Sie werden versuchen sich zu rächen, aber sie sind zu schwach. Ich will sie nicht töten müssen. Er beschloss die Frage später zu klären. Ebenso beschloss er, es vor Bellkur zu verheimlichen. Er wollte nicht, dass sich sein Freund Sorgen machte. Es gab noch etwas anderes, was selbst Maro sehr verunsicherte.

Er hatte merkwürdige Bilder gesehen, die nicht aus seinen Erinnerungen stammten. Er war sich sicher, dass er nie durch eine Wüste gewandert war. Ebenso hatte er sich nie selbst in einer Höhle von oben herab betrachtet oder sich selbst ein Horn zugeworfen...

Oh nein...Verdammt...verdammter Mist! Maro griff sich an den Kopf, als eine Erinnerung in seinen Geist brach, in der er mordete. Mit riesigen Krallen tötete er viele Menschen mit einem Streich, sein Maul war groß genug, um viele von ihnen ohne Mühe in seinen Schlund zu befördern und die Säure seines Maules war stark genug, um sogar Steine zu zerfressen. Niemand konnte dieser Mordmaschine, Meister vieler Magieformen, von unglaublicher Stärke, irgendeinen Schaden zufügen. Ihre Macht war unfassbar.

Dieser Kontrollzauber. Es war starke Magie, über einen langen Zeitraum ausgeführt. Ich glaube es nicht...verdammt...ich bin...einen Seelenbund mit dem Namenlosen eingegangen. Das ist nicht gut...

Fortsetzung folgt

Eine Kurzgeschichte von Noiratblack

Zerodyme ist ein Charakter von Gaiasangel

Bellkur ist ein Charakter von Marluxia/Bellkur

Maro, der Namenlose und alle anderen Charaktere sind von mir.

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