Maro

Story by Noiratblack on SoFurry

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Maro

Denn da war der Tod,

er schritt über das Feld,

seine gefallenen Diener grüßend,

die sich erhoben, dem Mond entgegen.

Am Ende der Straße wartete der Dämon, er,

die Verdammnis der blutroten Sonnenuntergänge.

Er wartete auf den, der niemals kommen würde, der,

der das Jenseits sah, dem ferne Welten zum Greifen nah.

Der Dämon wartete, blutbefleckt seine Haut, rot die weißen Hörner,

Sein Speer ist Zahn, Sein Maul ist Gift, sein Körper eine machtvolle Klaue,

der Tod schreitet heran, doch der Dämon weigert sich, beugt sein Haupte nicht,

denn der Diener ist nun der Meister.

Der Dämon ist tot, aber,

er fällt nicht, ist ein Herr seiner.

Das dunkle Blut an der Klinge,

das Siegel gezeichnet im Sand,

und jeder der betritt diese Ringe

dieser fallen muss,

vor dem Mahnmal aus seiner Hand!

Fordert den Dämon nicht,

denn sein Körper steht,

seine Macht noch immer lebt,

pumpt nur sein Herze nicht.

Dieser Dämon ist Maro,

dem Tot sind geweiht jene,

die wagten ihn zu fordern.

Kapitel 1: Maro, der Dämon

Staubbedeckte Landschaften zeichneten das Reich. Der Krieg, der lange, zermürbende Stellungskrieg hatte so viele Opfer gefordert, doch das größte Opfer hatte die Natur dargebracht. Die Felder verödeten, riesige Wälder und Städte wurden niedergebrannt im Reigen des Krieges, der Vernunft und Verstand schon längst verschlungen hatte. Festungen zerbrachen angesichts der Mächte denen sie gegenüberstanden und Mauern barsten zu Staub, als die Magier sich erhoben, mit ihrer Macht das Reich zu gründen, dass sie so lange schon begehrten, ihnen aber immer von den Fürsten und Kriegsherren verwehrt blieb.

Das Zeitalter des Chaos werden es die Geschichtsbücher nennen.

Zu jener Zeit war es, als die Frau eines Ritters einen Sohn gebar. Mitten in der großen Belagerungsschlacht setzten die Wehen ein und just als der Vater auf den Mauern fiel, kam sein Sohn zur Welt. Seiner Mutter und dem Kind selbst geschah nichts, denn eine Regel galt in dieser Zeit des Chaos immer noch:

Keine Kinder. Keine Frauen. Keine Unbewaffnete.

Dennoch war ihr Groll groß. Ihr Mann war tot und sie, geschwächt von der Geburt und nicht in der Lage zu arbeiten oder sich irgendwie einen Unterhalt zu verdienen, musste die Festung verlassen und reiste als Bettlerin im Land umher.

Ihr Sohn wurde unter den ärmlichsten Bedingungen groß. Er trug nur Fetzen, bettelte und stahl wo er konnte. Seine Muskeln stählten sich genauso wie sein Wille und die Worte seiner Mutter, hasserfüllt über jene, die seinen Vater töteten, entzündeten seinen Zorn. Seine Augen waren scharf, seine Worte stark und nie fingen ihn die Wachen, wenn sie ihn überhaupt beim Stehlen erwischten. Alsbald beließ er es nicht beim Stehlen, sondern raubte und kämpfte, nur um zu erstarken, um seinen Körper zu einer Waffe zu machen.

Sein Name war Maro.

Es war sonnig und heiß, die Sonne war gnadenlos. Es war Maros achtzehnter Geburtstag. Und es war der erste Jahrestag des Todes seiner Mutter.

Seit einem Jahr streifte er einsam durch die Welt, stahl, was er wollte, raubte, was er wollte. Dennoch, obwohl er viele Fehler hatte, nie vergriff er sich an Armen, an Kindern oder Frauen. Er suchte die Herausforderung, nur reiche Gebäude, reiche Familien, Familien, die Waffen besaßen, wo der Kampf mit einem Jungspund der Familie oder den Wachen seinen lockenden Ruf erschallen ließ.

Maro war ein herausragender Kämpfer geworden. Er war bewandert im Kampf mit Dolch und Schwert, war ein Meister des waffenlosen Kampfes, aber, wie sein Vater, hatte er unglaubliches Talent im Kampf mit dem Speer. Er besaß eine Weile nur einen langen Stock, mit dem er den Kampf mit dem Bo übte, doch schnell konnte er sich von einer Wache einen echten Speer stehlen, den er fortan nutzte. Bald schon war es so, dass er ganz offen die Wachen herausforderte, ohne Rüstung, nur mit leichter Kleidung, aber mit seiner Waffe fühlte er sich unbesiegbar.

Er war es nicht.

Man überfiel ihn, statt fünf Wachen waren da fünfzig die aus den Gassen und den Häusern strömten. Lächelnd nahm Maro die Herausforderung an. Neunundvierzig von ihnen schickte er zu Boden, verletzte sie schwer, zwei von ihnen starben. Nur der letzte besiegte ihn.

Der Mann trug eine schwarze Rüstung und war ein Hühne. Er musste über zwei Meter messen. Maro stand hinter dieser Größe kaum zurück, doch sein Gegner hatte Erfahrung, war geschickt und stark. Schnell entwaffnete er Maro und trat ihn zu Boden. Er legte die Klinge seiner Waffe, eine riesigen Hellebarde, an seinen Hals. Maro starrte ihn an, weder Angst noch Hass im Blick, nur eine Herausforderung die sich über all die Jahre in seiner Gesichtszüge eingebrannt hatte.

„Tu es doch!"

Der Riese in der schwarzen Rüstung zögerte, zog seine Waffe etwas zurück.

„Du bist mutig, Kind."

„Mein Name ist Maro."

„Das ist mir egal, Kind. Ich bin der Herr dieser Stadt. Ich stelle dich vor eine einfache Wahl. Mir dienen und lernen dein Talent zu verwenden, oder hier sterben. Entscheide dich."

Maro antwortete. Der Riese lächelte. Er kannte das Leuchten in den Augen des Jungen. Dieses Leuchten zeigte ihm vieles, zeigte Zorn, Stolz und Kraft und Willen, einen Freigeist. Vor allen Dingen zeigte es ihm aber, dass Maro an seinem Leben hing. Dass er alles tun würde, um es zu verteidigen.

Der Riese nahm seine Waffe weg und half Maro auf. Er bemerkte den Stein, den er in seiner rechten hielt und nun wegwarf. Seinen rechten Arm hatte er durch die breite Klinge nicht sehen könne.

Unglaublich, dachte er, nicht etwa er war in Gefahr, sondern ich. Er kannte die Geschichten seiner Wachen über die Kraft des Burschen. Hätte der Stein richtig getroffen, wäre er für Sekunden vor Schmerz geblendet gewesen, genug Zeit sich aus dem Staub zu machen oder, und das hielt er für weitaus wahrscheinlicher, er hätte eine Waffe in seiner Nähe genommen und ihn abgestochen. Dieser Bursche war gefährlich.

Jener Kriegsherr und neuer Meister Maros hatte einen Namen, doch ist er für die Geschichte bestimmt, nicht für die Sagen, der wir uns widmen. Obwohl er mächtig war, sollte ihm das Schicksal einen baldigen Tod bescheiden. Bis zu jenem schicksalhaften Tag übte er mit Maro auf dem Hof der nahen Festung unter den wachsamen Augen vieler missgünstiger Soldaten. Was wollte er hier, dieser Abschaum aus der Gosse? Er gehörte nicht zu ihnen, dass spürte Maro sofort. Er nahm nie ein Gespräch mit jenen der Kampfkunst Unkundigen auf. Er hatte nicht den geringsten Antrieb dazu. So sagte man sich, dieser Dieb, dieser Mörder und Räuber, sei zu alledem noch hochnäsig. Als einige Wachen ihren Unmut mit einer Herausforderung zu einem Duell kundtaten, tötete Maro alle drei ohne weitere Umschweife. Sie hatten seine Mutter eine Hure genannt. Das war für ihn Grund genug.

Zwei weitere Jahre nach diesem Duell wurde die Stadt von einem feindlichen Kriegsfürsten belagert. In jener Schlacht, kurz nachdem das Haupttor gefallen war und die Soldaten sich auf dem Hof bekämpften, machte Maro sich seinen Namen.

Mit weißer Kleidung lief er in das Zentrum der Schlacht und mordete und wütete als wäre er Tausende. Sein Meister durfte sich das Schauspiel nicht ansehen, denn ein Pfeil hatte ihn wenige Minuten zuvor am Hals getroffen und ließ ihn langsam verbluten. Doch wäre er da gewesen, er hätte einem beispiellosen Schauspiel des Metzelns zusehen können. Maro schlug Gliedmaßen ab, tötete und verstümmelte ohne eine Gefühlsregung. Nach der Schlacht, als die Feinde längst die Flucht ergriffen hatten, entstieg er einem Leichenberg, sein Körper so blutrot wie der Boden des gesamten Feldes. Die Soldaten, die lange schon einen Groll gegen ihn hegten, die sogar vorgehabt hatten in dieser Schlacht Maro zu töten und zu behaupten, der Feind wäre es gewesen, jene gedungenen Mörder schrieen auf und rannten so weit sie ihre Beine trugen.

Maro lächelte, seine Augen glühten, er war unverwundet. Er war ein Krieger wie er in den Legenden steht. Er war Maro, der, den man den roten Dämon nennt.

Maro, der rote Dämon, reiste mit roter Kleidung, nur eine leichte Hose, ein ebenso luftiges Hemd, durch die Welt. Bei einem Bauern stahl er einen geflochtenen Hut gegen die Sonne. Seinen Speer, den Himmelssplitter, ein Geschenk seines alten Meisters, hatte er immer bei sich. Er verdingte sich als Söldner, doch nicht oft. Der Krieg, das sinnlose und zufällige Sterben durch Pfeilhagel und Felsbrocken, passte ihm nicht. So reiste er als Dieb, als Fremder in einem großen, vom Chaos zerstörten Land umher. Mehrmals traf er auf Magier. Jene, welche alle dem Orden angehörten, suchten seine Aufmerksamkeit, wollten ihn als Soldaten. Jener Orden war mächtig, vereinten sich doch die mächtigsten Zauberer unter ihm. Sein Land war groß, dass kaum ein Mensch in einem Leben von einem Ende zum anderen wandern konnte. Es war so reich, dass es in fernen Gestaden hieß, der Palast sei aus Gold erbaut worden. Dennoch, trotz dieser Reize, lehnte Maro ab und stahl sich davon, damit sie ihn nicht weiter verfolgen konnten. Die Zauberer versuchten es, Maro sah oft ihre Spuren und nicht selten tötete er Spurenleser aus dem Hinterhalt. Manches mal stellten sie ihm Fallen und in einige lief er auch herein, doch sein Himmelssplitter war ihm eine treue Waffe. Nie konnten sie ihn einholen. Bald, nachdem die Verluste bei der Jagd nach ihm zu sehr gestiegen waren, hörte er sie nach ihm rufen, auf ein klärendes Gespräch hoffend. Nie gewährte er es ihnen, denn es verlangte ihm nicht nach einem neuen Meister. Es verlangte ihn nicht, wieder ein Schüler zu sein und in den Krieg ziehen zu müssen, um für Ideale zu morden, die er nicht kannte und auch nicht teilte. Duelle ausfechten, gegen zehn Gegner zugleich bestehen, dies trieb ihm die Kampfeslust in die Augen, aber die Pfeilhagel, die schrecklichen Zaubersprüche, all dies schreckte ihn ab.

Etwas anders trieb ihn zum Ende der bekannten Welt und darüber hinaus. Etwas anderes entfachte sein Feuer.

Der Dämon wollte einen Drachen sehen.

Es dauerte lange, doch irgendwann verließ er jene Länder die durch das Chaos zerrissen wurden. Hier erstreckten sich Wälder, lange Flüsse und große Berge. Maro wusste, er war bereits weiter gewandert als manch ein Feldherr in den vielen Kriegen zurückgelegt hatte. Das Land war leer geworden, Dörfer selten, Straßen verschwunden und nur Tiere waren die Begleiter des Dämons. Hier, in diesen einsamen Landschaften, fand Maros Geist endlich Ruhe und Frieden. Endlich wurde er von niemandem mehr gestört.

Kapitel 2: Zero, die Lady

Zu jener Zeit geschah etwas, dass in den Büchern als die Konjunktion, der Bruch, die Sphäre eingehen sollte. Diese und andere Namen fand der Orden in Maros Welt für die größte magische Katastrophe aller Zeiten. Maro wusste nicht, was geschah, doch plötzlich waren am Himmel nicht mehr Wolken, sondern Strudel und unbekannte Sternenbilder zu sehen. Nicht mehr Tiere sondern die scheußlichsten Monster rannten im Wald umher. Merkwürdige, doch zweifellos zivilisierte Wesen begegneten ihm, einige davon hoch gewachsen, mit langen Ohren und perfekten Gesichtern, sich Elfen nennend und andere, klein, bärtig und mit unerschöpflicher Kraft gesegnet, Zwerge genannt. Ihre Sprachen waren anderes und doch so ähnlich. Maro hatte kaum Schwierigkeiten diese Unbekannten in seiner Welt zu verstehen, doch eines war in ihren Geschichten und Berichten gleich. Sie alle hatten plötzlich Lichtblitze am Himmel gesehen, manche von ihnen waren hindurch gezogen worden, viele sind dabei gestorben oder durch die Wellen der Magie verändert worden. Einer der Elfen erzählte ihm von einer alten Frau, deren Mund verschwunden war. Einfach, ohne Spur aufgelöst...sie war bald darauf verhungert.

Doch so interessant die neuen, unzählbaren Wesen waren, so vielseitig waren die neuen Konflikte, die neuen Kriege. Das Chaos hatte Maro mit fliegenden Füßen eingeholt.

Noch immer suchte Maro nach einem Drachen, obwohl schon mehrere Jahre seit Beginn seiner Reise vergangen waren und es keine Spur gab. Der Orden hatte viele von ihnen getötet, es hieß, sie seien alle tot, einfach ausgestorben, aber Maro glaubte nicht daran.

Seine Reise wurde, durch viele Kämpfe, kleine Kriege und Raubzüge, immer wieder behindert.

Und nun war der Orden wieder da. Der Orden, der diese ganze Katastrophe vor mehreren Monaten ausgelöst und abertausende aus ihrer Welt gerissen hatte, war auf dem Vormarsch, um sein sowieso schon gigantisches Reich weiter zu vergrößern. Sie suchten Talente, Magier, große Kämpfer...Maro.

Sie suchten den roten Dämon, hingen sogar Zettel auf und ließen seinen Namen von Herolden verkünden. Maros Taten waren legendär geworden, man sagte ihm nach, zehntausende aufgehalten zu haben, wie ein Blitz durch die Reihen der Feine zu schneiden...viele Dinge, die Maro nie getan hätte. Denn es hieß auch, und er war erzürnt, geschockt über jene Gerüchte, er habe einen Drachen erschlagen.

Eines Tages, es war früh am Morgen und Maro war in der Nähe einer der zahlreichen Siedlungen, die die Neuankömmlinge gegründet hatten, als Hufgetrappel hinter ihm ertönte. Schnell wich er in den Wald am Straßenrand aus und verbarg sich im Unterholz, seinen Speer fest in der Hand.

Die Pferde preschten vorbei, es saßen Ritter auf ihnen, jeder den Umhang mit dem Zeichen des Ordens tragend. Maro wartete eine Weile und schlich dann langsam weiter, die Straße meidend. Noch nie hatte er hier eine berittene Einheit des Ordens gesehen. War wieder Krieg? Er hatte nichts gehört und weder Explosionen noch Feuer erhellten nächtens den Himmel. Vorsorglich fasste er seinen Speer fester, schloss die Augen und fokussierte seine Gedanken.

Ruhe, Konzentration, Willen.

Sein Meister war ein guter Meister gewesen, denn seine Gedanken waren klar wie ein Bach und zielgerichtet wie seine Waffe

Leise ging er weiter, mied automatisch die Blätter, trat oft auf Moose, sah nicht mal auf den Boden, denn seine gesamte Umgebung prägte sich ihm ein.

Dadurch, und durch seine scharfen Sinne, hörte er das Rascheln, das weiche Streicheln über die Pflanzen.

Er sprang zurück, sein Speer wirbelte herum und er nahm eine Kampfpose ein, die Waffe hinter dem Rücken, einen Arm herausfordernd vorgestreckt. Langsam kam sein Gegner um den Baum.

Zuerst sah Maro nur dessen Waffe, ein Stab mit einer Halbmondklinge, nicht unähnlich der Waffe seines alten Meisters. Dann folgte ein schwarzer Arm, ein jugendlich wirkendes Gesicht mit einem blauen und einem roten Auge.

Sie, ja, Maro glaubte es selbst kaum, sie hatte Onyxfarbene Haut, ihr langes Haar war weiß, ihre Ohren lang und spitz und zwei kleine Hörner stießen aus dem Haarschopf hervor und zogen sich nach hinten. Sie hielt ihre Waffe mit einer gefährlichen Leichtigkeit. Ihre Kleidung war freizügig, ein langer Schweif brach aus der Hose hervor. Sie war barfuss.

Im Gegensatz zu Maro war sie ganz entspannt. Ein Lächeln bildete sich auf ihrem unschuldig wirkenden Gesicht. Ihre Augen strahlten und dennoch spürte Maro eine gewisse Kälte.

„Du warst es...Mensch." Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ich dachte hier wäre ein Magier."

„Du...", Maros Stimme, selten genutzt und dadurch dunkel geworden, leise und dennoch klar zu verstehen, „...du bist keine Elfe...die..."

„Schlauer Junge.", antwortete die Unbekannte. Ihre Stimme war dunkel, aber angenehm dunkel.

„Ein Schweif...", Maro schüttelte abgelenkt den Kopf. Stechen breitete sich von seinen Schläfen überall auf seinen Kopf aus. Merkwürdiges Kribbeln ließ seine Muskeln zucken. „Was bist du? Wer?"

Sie zwinkerte verwirrt, schien nun auch abgelenkt zu sein. Maros Blick verschwamm, seine Knie begannen nachzugeben. Er fluchte, stützte sich auf seinen Speer. Seine Kraft schwand.

„WAS ZUR HLLE?!"

Ihm wurde langsam schwarz vor Augen. Er spürte ihre Hände plötzlich, wie sie ihn hielten, stark und dennoch sanft.

„Was ist das?", fragte er mit ersterbender Stimme. Die Hände zogen ihn weg, zogen ihn mit der Kraft mehrerer Männer weg. Dunkel konnte Maro merkwürdige, kreisförmige Lichter sehen, die seinen Körper einschlossen. Am Boden war ein großer Kreis. Er leuchtete im durchdringenden rot.

Kaum dass sein Körper diesen Kreis verließ, spürte Maro seine Kräfte zurückkehren. Seine Beine stützten sich selbst, sein Blick wurde klar und er konnte die merkwürdige Zeichnung genau erkennen. Er kam wieder auf die Füße, die Hände ließen ihn los. Die Frau war neben ihm und ihre tiefen Augen, wissend und weich wirkend, schauten kalt zu diesen Lichtern. Maro sah jetzt erst, dass sie recht klein war. Er überragte sie mit mehr als einem Kopf.

„Eine Falle.", sagte Maro. Er hatte von ihnen gehört. Es waren Siegel, unsichtbar und nicht zu spüren. Der Orden hatte diese Magie entwickelt, um freie Magier zu fangen, denn es reagierte nur auf Magie. An dieser Stelle brachen Maros Gedanken ab.

„Wieso hat es..."

„Was?"

„Ich..." Maro atmete durch, die Müdigkeit seiner Glieder vertreibend. Dennoch blieben seine Gedanken verworren, unscharf.

„Rede.", forderte sie auf.

„Ich spüre...dass du keine Elfe bist. Ich spüre Feuer, Hitze...Kälte."

„Ein Schwächeanfall." Sie schüttelte enttäuscht den Kopf. Maro konnte jeder einzelnen Strähne ihres Haares zusehen.

„Wieso reagierte...", er brach ab, sich entsinnend dass er noch nicht wusste, wer diese Fremde war. Er machte einen Schritt zurück. Unter ihm leuchtete der Boden erneut.

Maro fluchte, stützte sich mit seinem Speer ab und machte einen großen Satz. Er landete auf dem breiten Ast eines nahen Baumes, zum Boden sehend. Ein weiterer Kreis, direkt neben dem ersten, eine Doppelfalle. Die Frau war weg.

„Nicht schlecht. Wirklich."

Er sah hoch. Sie saß auf einem Ast über ihm, keck nach unten schauend. Maro versuchte seine Überraschung zu verbergen, aber sie sah problemlos durch seine Maske hindurch.

„Merkwürdig, dass ein Mädchen so was kann, nicht wahr?", fragte sie ironisch, den Mund spöttisch, herablassend verzogen. Das allerdings mochte auch daher kommen, dass sie in einem Winkel auf dem Ast saß, dass sie unweigerlich herunterfallen musste, es dennoch nicht tat. Ihr Schweif hielt sie und er war stark.

„Mich überrascht nur, dass diese verdammten Kreise auf mich reagieren.", antwortete Maro und sah zum Boden, wo die Fallen langsam erloschen und wieder unsichtbar wurden. Die Frau rieb sich, in Gedanken, das Kinn, ebenfalls zum Boden sehend. Aus einem unerfindlichen Grund, einem, den das Schicksal wohl immer für sich behalten wird, spürten beide keine Feindschaft vom anderen ausgehend. Maro, obwohl immer misstrauisch, obwohl ständig bereit für einen Kampf, wusste instinktiv, dass von der Frau keine Bedrohung ausging und sie, obwohl Maro abgerissen wirkte, glühende, kämpferische Augen hatte, seine Visage einfach zu einem hinterlistigen Räuber gehören musste, spürte keine Aggression.

In einer Zeit des Chaos, des Krieges, in einer Zeit in der Beil und Schwert mehr waren als das teuerste Versprechen, hatten sich zwei gefunden, die sich weder mochten, noch verwandt waren oder sich kannten. Ihre Herzen verstanden einander.

„Maro, den roten Dämon nennt man mich."

„Ist dies tatsächlich dein Name? Maro? Dämon?"

„Ja...und nein...meine Mutter gab mir diesen Namen...Maro...der Dämon wurde ich."

„Ich spüre einen tiefen Wunsch in dir. Maro...willst du das wirklich? Von Dämon zu..."

„Ja...verzeih die Unterbrechung, fremde Lady...ja, ich will es."

„Weshalb? Was könntest du suchen? Was könnte dein Geist hier in der Ferne wollen, wenn doch deine Heimat so weit entfernt und dein Herz so schwer ist? Alle suchen dich. All diese Zauberer und Ritter suchen Maro."

„Ich bin Egomane. Ich will...was anderes, oder jemand anderes, zählt nicht für mich. Nur meine Ziele zählen, denn all die Jahre war nur ich es, der mir befahl. Niemand war da. Niemand ist da. Niemand wird je da sein, um mir zu befehlen. Ich bin Maro, der rote Dämon. Was ich will, fragst du, fremde Lady? Ich will einfach alles!"

„Mein Name ist Zerodyme van Drayke."

„Ah...eine Adlige...ich fühle mich geehrt." Spott zersetzte die Stimme, eingeübte Reflexe zogen sie in die Höhe und zeigten nichts als Verachtung für alles was höhergestellt war.

„Komm, Maro. Mein Meister wird dich sehen wollen."

„Sehr gern...Lady Zerodyme van Drayke." Spott war fort. Höflichkeit erstarkte plötzlich und Aufrichtigkeit pflanzte sich an, als der Dämon erkannte, dass der Name nicht gefallen war, um zu beeindrucken, sondern um näher zu kommen...

Kapitel 3: Der Namenlose, der Herrscher, der Drache dessen Namen die Zeit vergaß

Die Welt war groß geworden. Die letzten Wochen, der Sturm, die Sphärenspaltung, der Kollaps und was für Namen noch dafür gefunden wurden, dies alles, und der Krieg, änderten die Welt im innersten. Ihre Grundfesten wurden erschüttert, Täler wichen Ebenen, Meere vertrockneten zu Wüsten, Wälder wichen fantastischen Wassermassen, die neue Meere bildeten. Monster ersetzten Tiere, Monsterjäger die normalen Jäger, Magier die Soldaten.

Die selbsternannten Propheten verkündeten das Ende, dabei war es ein Anfang.

Zu jener Zeit machte ein Name erneut die Runde.

Maro. Maro, der rote Dämon.

Doch wurde der bald Dämon nicht mehr Dämon gerufen. Denn er war nun schwarz wie die Nacht, sein Speer von hellem weiß, seine Hörner und Zähne strahlten, sein Kampf war unübertrefflich, seine Waffe wie der Wind und scharf, dass sie ohne Widerstand das Fleisch vom Knochen trennte und Rüstungen wie Kleidung zerriss. Seine Zähne waren grausam, rissen und metzelten, seine Klauen voller Kraft, denn war der Mensch Maro verstorben. Er war ein Drache.

Maro, der weiße Nachtzahn sollte er genannt werden.

Wenige Wochen zuvor, in den Bergen, die der Zeit trotzten, nur kein Mensch darüber berichten konnte. Drachen waren nicht wählerisch mit Essen, doch das war nicht der Grund. Menschen lebten bis vor kurzem nicht hier, zu abgelegen waren diese Länder.

In diesen Bergen waren zwei Wanderer, eine junge, bildhübsche Frau, schwarze Haut, weiße Haare, langer Schweif, definitiv kein Mensch, denn ihr rotes und ihr blaues Auge strahlten übermenschliche Kraft aus, und ein Mann, sie weit überragend, ein Hühne, wildes, von langen Reisen gegerbtes Gesicht, rote Kleidung, trotz seiner menschlichen Erscheinung etwas tierisches ausstrahlend. Beide waren bewaffnet, sie mit einem langen Halbmondspeer aus schlichtem Holz, er mit einem normalen, wesentlich längeren Speer aus hellem Stahl in dessen Schaft Runen eines fernen, westlichen Landes geritzt sind. Himmelssplitter.

Diese beiden ungleichen Reisenden betraten bald große, weite Täler die so unwegsam, so schwer zu finden und zu erreichen waren, dass hier sogar ganz andere Pflanzen wuchsen und andere, schon längst ausgestorbene Tiere lebten.

Beide gingen am Rande dieses Tales entlang und betraten bald eine Höhle. Groß war sie und erstreckte sich bis weit unter die Erde.

„Wieso ist hier niemand?", fragte Maro leise, versuchend seine Stimme nicht durch die Hölle schallen zu lassen. Dennoch antwortete das Echo mehrere Male.

„Die ist das Gebiet der Drachen. Wieso sollten..."

„Das meine ich nicht.", unterbrach Maro, durch ihren Ton, der eben zur von ihm gehassten Belehrung umschwenken wollte, bereits aufgebracht. „Durch diesen Sturm, durch den all die Fremden hier gelandet sind, müssten doch auch welche hier sein."

„Müssten, ja. Drachen aber wollen leben...und fressen. Und Menschen oder Zwerge und was weiß ich sind nun mal potenziell essbar." Sie zuckte teilnahmslos mit den Schultern.

Maro dachte eine Weile nach, ständig auf den unebenen, glatten Boden schauend. Obwohl sie so tief waren, gab es in der Höhle immer noch etwas Licht von einigen phosphoreszierenden Flecken an der Wand und an der Decke. Es schienen Pflanzen zu sein, Maro war sich dessen aber nicht sicher.

„Lady Zero.", sagte Maro. Sie hatte ihm angeboten, das du zu verwenden, doch er, und er konnte sich selbst nicht erklären warum, betitelte weiterhin. „Sag, hast du...?" Er schwieg bedeutungsvoll. Sie sah abschätzend über die Schulter, blieb stehen, wobei sie in einer automatischen Bewegung ihre Waffe in einem Halbkreis hinter sich schwenkte, eine instinktive Kampfpose, die jeder Kämpfer nach einer Weile erlernt.

„Nein.", sagte sie kurz.

„...und...hat er..."

„Lassen wir das Thema, Maro. Es ist nicht Zeit oder Ort, um darüber zu sprechen. Wenn er dir Wohl gesonnen ist, wirst du nichts zu befürchten haben."

Nicht sonderlich beruhigt nickte Maro und folgte ihr weiter, seinen eigenen Gedanken nachhängend.

Einen Tag zuvor, die Nacht war dunkel, das Lagerfeuer hell. Sie saß im Schneidersitz nah bei den Flammen, denn wie die Nacht kam, so wurde es kalt. Maro, scheinbar abgehärteter als sie, saß etwas weiter weg, spielte auf seiner langen Flöte, die er sich vor langer Zeit, am Beginn seiner Reisen, geschnitzt hatte. Ihr klang war hell, melancholisch und fern. Schwach und doch durchdringend hallte das Spiel durch den Wald, säuselte im Wind und verscheuchte die Tiere, die Geister zu meinen hörten.

Nach einiger Zeit stützte sie ihren Kopf ab, hörte der Improvisation Maros zu, die Augen in weiter Ferne. Geistesabwesend klopfte ihr Schweif im Takt der Noten auf den Boden. Jedes mal wenn sie das tat, schienen Maro kleine Funken, winzige Irrlichter den vielen weißen Haaren am Ende des Schweifes zu folgen. Als gäbe es nichts anderes, starrte Maro auf diese Lichter.

„Lady Zerodyme?" Maros Ton war höflich. „Seid ihr ein Drache?"

„Ist das wichtig?", antwortete sie mit einer Gegenfrage, verärgert, dass er sein Spiel einfach abgebrochen hatte.

„Ein Gespräch am Lagerfeuer ist wichtig, gleich welches Thema. Die Geister der Reisenden ruhen danach besser...und ich bin neugierig."

„Manch einer hat durch Neugier den Tod gefunden."

„Ich werde nicht zu jenen Narren gehören."

„Ach ja? Sehr selbstbewusst."

„Und stark."

Sie lachte, hob ironisch eine Augenbraue. Eine Geste, die auf Maro einstudiert wirkte. Eine peinliche Pause erhob sich zwischen den beiden, ein Moment der Stille, den scheinbar kein Wesen auf der Welt sinnvoll zu unterbrechen vermag. Maro hob seine Flöten an die Lippen, spielte ein neues Lied. Dieses auch war traurig, ruhig und nachdenklich. Es beruhigte die Gemüter. Außerdem konnte er wieder den kleinen, weißen Lichtern zusehen, wie sie in der Nacht tanzten. Als er fertig war und sich zum Schlafen hinlegte, sagte Zerodyme leise etwas. Der Wind hatte die Worte schnell verschlungen, sie hatten kaum Maros Ohr erreicht, dennoch hatte er sie verstanden.

„Du darfst mich Zero nennen."

Ein langes Heulen in der Höhle holte Maro aus seinen Erinnerungen zurück. Nachhallendes Grollen folgte. Maro packte seinen Speer fester, doch er sah nichts in der Dunkelheit außerhalb des schwachen Lichts.

„Beruhige dich, Maro.", sagte Zero in einem Tonfall, der Maro die unvermeidliche Belehrung ankündigte. „Dies ist eine Drachenhöhle. Glaubst du denn, wir könnten uns lautlos bewegen?" Maro rollte mit den Augen, sagte aber geflissentlich, „Nein.", weil er inzwischen wusste, dass man am besten auskam, wenn er einfach nur zustimmte.

„Ihr wart lange weg."

Tief war die Stimme, die sie aus der Dunkelheit heraus ansprach. Und laut. Während Maros Schritte vorsichtiger wurden, ging Zerodyme einfach weiter. Langsam sah Maro den, der gesprochen hatte. Ein Drache.

Zuerst sah er die Klauen, jede Pranke so groß wie ein Wagen, dann seine glänzenden Augen, groß wie Schilde. Hinter dem Licht waren schemenhaft Flügel zu sehen, weit, ledern und wunderschön. Seine Zähne waren größer als ein Mann, sein Körper schlank und muskulös.

„Zerodyme, wie schön dich wieder zu sehen.", grüßte er, Wärme von dem inneren Feuer des Drachen schlug Maro ins Gesicht. „Und auch du, Dämon. Sei mir willkommen. Bitte, tritt näher, sei mein Gast und fürchte mich nicht."

Gehorsam ging Maro weiter, blieb direkt vor ihm stehen. Weder neigte er sein Haupt, noch machte er irgendeine andere Geste des Respekts. Nicht mal sein alter Meister hatte je von ihm eine Verbeugung gesehen, einem Drachen gegenüber würde er auch nicht damit anfangen.

„Ah..." Die grollende Stimme schallte lange nach. „Ein stolzes Herz...ja? Zerodyme, du hast den Richtigen gefunden." Die Schuppen des Drachen kratzten über den Boden, als er sich Maro näherte und begann, ihn von allen Seiten zu betrachten.

„Der Richtige?", fragte Maro, sah erst zu Zerodyme, die sich abseits auf einen Felsen gesetzt hatte, ihn mit ihren Augen, die in der Dunkelheit wie ein roter und ein blauer Stern wirkten, betrachtete und dann zu dem Drachen, dessen Kopf rechts von ihm schwebte, während dicht hinter Maro die Schuppen über Steine kratzten und Funken fliegen ließen.

„Ja, der Richtige.", antwortete der Drache. „Oh, wie wunderbar ist dieses Feuer unter den Funken! Es war einzigartig, dieses Gefühl, als zwischen all diesen Funken in der Welt ein Leuchtfeuer geboren wurde und es sich hierher bewegte. Oh, ich musste dieses Feuer sehen und siehe da, hier bist du, Feuriger. Ein Mensch mit einem solchen Herzen, dass du mich nicht fürchtest. Wunderbar!"

Blitzschnell wand er sich komplett um Maro, legte seinen langen Körper ab und betrachtete ihn von oben. Maro, aus irgendeinem Grund nicht beunruhigt, schloss die Augen, legte eine Hand auf die Schuppen des Drachen und ließ sie langsam darüber gleiten. Sie waren rau, dennoch glatt, sie waren warm und jene Wärme floss schnell in Maros Körper und vertrieb die Kälte der Höhle. Er konnte das pulsierende, heiße Blut fühlen.

Langsam öffnete er die Augen und unermessliche Sehnsucht erfüllte seinen Geist. Der Drache lächelte. Blitzschnell rauschte sein Körper in die Tiefen der Höhle, so dass Zerodyme Maro in seiner erstarrten Haltung, den rechten Arm halb vorgestreckt, den Speer gesenkt, die Augen verträumt, der Mund halb offen, sehen konnte. Sie wandte das Gesicht ab, unterdrückte ein Lachen.

„Nun, Dämon, Maro...sprich es aus." Maro ging zur Dunkelheit, vergaß Zerodyme auf dem Fels. Er öffnete die Arme weit.

„Drache!", rief er in die Höhle hinein, die seine Worte mehrere Male wiederholte. „Ich werde alles tun, ich werde alles schwören, nur gebt mir, was mein Herz verlangt! Drache!"

„Ja...oh ja, das Herz eines Drachen hast du bereits, Maro, doch verlangt es nach einem Körper...Maro...", seine Stimme wurde zischend, kaum verständlich. „Gelobst du, meine Lande zu verteidigen, gelobst du, dein Leben zu geben, wenn ich danach verlange, gelobst du, zu töten, wenn ich befehle?"

„Ja! Ich gelobe es!"

Eine merkwürdige Kraft erfüllte den Raum. Der Boden bebte unmerklich. Maro spürte eine Kraft, kaum zu deuten, kaum zu fühlen und dennoch präsent.

„Gib mir deine Waffe. Du wirst sie nicht länger benötigen." Ohne zu zögern warf Maro den Speer in die Dunkelheit, den Schaft voran. Wenige Sekunden später hörte er ein kurzes Poltern. Etwas stieß an seine Beine. Er bückte sich, betastete das Etwas. Es war ein Horn oder ein Zahn. Es musste fast drei Meter lang sein.

„Daraus sollst du deine neue Waffe fertigen, mein Diener. Doch nun, zu deinem Körper."

Er war ganz nah vor ihm. Maro spürte seinen heißen Atem. Seine Klauen griffen nach seinem Kopf, drückten ihn nach oben, so dass Maro den Mund öffnen musste. Er hörte ein kurzes Reißen, ein Zischen und plötzlich tropfte eine Flüssigkeit, kochend heiß, auf sein Gesicht. Er schluckte das Blut, obwohl es ihm den Hals verbrannte. Langsam, als nichts mehr auf ihn tropfte, senkte er den Kopf und starrte blind in die Dunkelheit.

„Nun, Maro, ruhe. Schlaf und werde erstarkt wiedergeboren."

Hitze breitete sich in Maros Körper aus, durchfuhr schnell seine Arme und Beine, griff nach seinem Herzen und ließ es rasen. Als diese Hitze seine Schläfen erreichte, wurde er schnell benommen, die Beine sackten weg, der Körper wurde schlaff und Maro versank in Ohnmacht.

Kapitel 4: Maros Waffe, der Himmelstod

Eine Verwandlung ist ein merkwürdiges Ding. Es ist wider die Natur. Es ist ein Eingriff in die Natur. Dennoch geschieht es oft, natürlich, normal. Die Raupe zum Schmetterling, die Quappe zum Frosch, das unschuldige Kind zum blutlüsternen Despoten. All dies geschieht, es geschieht immer und überall. So geschah es auch, dass Maros Haut abfiel, wie trockenes Pergament von seinem Körper riss, doch darunter kein Blut oder Fleisch zum Vorschein kam, sondern schwarze, glänzende, noch schleimige Schuppen. Sein Gesicht verzog sich zu einer entstellten Grimasse, zu dem wahrhaftigen Antlitz eines Dämons...bis sich auch hier die Haut löste und eine lange Schnauze und Hörner offenbarten. Der Rücken verbog sich, ein Schweif brach aus ihm heraus, genauso wie ihm Flügel wuchsen. Seine Füße verzogen sich, Klauen zerrissen die Zehen. Sein Hals wurde länger und biegsam. Maro wuchs weiter, wurde fast zwei Köpfe größer. Langsam bildete sich auf den schwarzen Schuppen eine stahlgraue Zeichnung, vom dunkel ins edle Silber übergehend, auf seinem ganzen Körper wellenförmig verteilt. Seine Hörner waren strahlend weiß. An seinem Hals begann eine lange ebenso weiße Mähne sich an seiner Wirbelsäule entlang zu bilden. Die Haare waren lang, dünn und fleischig, als wären sie noch etwas anderes. Im Schlaf öffnete er mehrmals die Augen. Sie strahlten wie die Zerodymes, doch in einem hellen Grau, ins Weiß übergehend.

Während der Nacht, die die Verwandlung dauerte, war Zerodyme bei ihm, wachte auf Anweisung über ihn. Wäre Maro wach gewesen, er hätte gesehen wie sich ihre Augen veränderten. Er hätte gesehen wie ihr linkes blaues Auge heller wurde bis es die Farbe eines dahinschnellenden Baches annahm und ihr rechtes rotes Auge sich zum Sonnenuntergang verfärbte. Sie wurden warm, in Gedanken versunken.

Neugier erweckte sein merkwürdiges Haar und beugte sich über ihn, griff vorsichtig danach, strich darüber. Es war weich, leicht klebrig.

„Neugier bringt den Tod. Weißt du das nicht?" Sie zuckte zurück. Maro war aufgewacht und betrachtete sie lächelnd aus schmalen Augen, wobei er seine beeindruckenden Zahnreihen zeigte.

„Für dich vielleicht. Ich kann mich wehren, während du schon von einem einfachen Siegel außer Gefecht gesetzt wurdest."

„Gute Antwort.", sagte er. Seine Stimme war noch leise, schwach.

„Schlaf noch, deinen Körper hat die Verwandlung stark zugesetzt."

„Gerne...müde..." Er nuschelte, seine Augen fielen wieder zu. Sie stand auf, wollte die schmale Ecke, in die der Drache Maro gelegt hatte verlassen. Bevor sie außer Sichtweite gehen konnte, sagte Maro etwas. Sie lief rot an, starrte wütend und wollte ihn anschreien, doch sie sah, dass er bereits eingeschlafen war.

„Was hast du?", fragte der Drache, als sie wütend an ihm vorbei aus der Höhle hinausging, um ihrer Wut Luft zu verschaffen. Er hörte sie murmeln, wurde aber nicht daraus schlau, also redete er mit sich selbst.

„Merkwürdig...was sie aufgebracht hat...wieso sollte eine schöne Aussicht eine Frechheit sein?"

Einige weitere Stunden zogen dahin und schnell vergingen sie für Maro, der friedlich in seiner Ecke der Höhle schlief, sich im Traum manchmal hin und her warf oder sein Maul weit öffnete, was bei seiner Größe nun äußerst beeindruckend aussah.

Es ist merkwürdig, und deshalb würdig genug es zu erwähnen, das just in jenen Stunden, in denen die Wandlung Maros geschah, dem Obersten des Ordens, dem Großmächtigen, wie er nur genannt wurde, der Tod erschien, ihn vor einer großen Bedrohung warnend. Er warnte ihn.

HALTE EIN IN DEINER GIER! HALTE EIN IN DEM KRIEG, DENN NUR BLUT WIRD DIR BESCHIEDEN SEIN UND NUR DER SAND WIRD VON DEINEM ENDE SINGEN! HALTE EIN ODER ICH WERDE DICH HOLEN KOMMEN!

Schweißgebadet wachte der Großmächtige aus seinem Schlaf auf, japsend und nach Luft ringend. Er war da gewesen, jener Unbesiegbare. Deutlich hatte er den großen Krieger in seiner Vision gesehen, wie er tötete, mordete, riss und verstümmelte. Doch liegt es in der menschlichen Natur, zu vergessen und liegt es auch in ihr, nach großen Anstrengungen müde zu werden und bald einzuschlafen.

So schlief der Großmächtige ein und vergaß, was geschehen würde. Und so nahmen die Dinge ihren vorherbestimmten Lauf.

„Tritt heran, Maro der du nun kein Dämon mehr bist."

Maro gehorchte, trat näher. Dieses Mal fürchtete er den Schatten nicht, in dem der Drache sich versteckte. Seine neuen Augen verrieten ihm so viel mehr über die Dunkelheit, nutzten das Licht der Pflanzen so viel effektiver. Dadurch sah er ihn, sah die ganze Höhle, als wäre es taghell.

„Sag, mein Diener, welche Waffe gedenkst du daraus zu machen?" Der Drache deutete auf das Horn, Maro war sich dessen nun sicher, denn sein Maul offenbarte keine Lücken. Maro nahm es, nur um festzustellen, dass es für seine Größe, die ihn immer noch ein wenig überragte, sehr leicht war.

„Ein Speer. Es soll einer sein, wie ihn die Welt noch nie sah.", antwortete Maro und fuhr mit seinen Krallen langsam und liebevoll über die glatte, weiße Oberfläche.

„Dann mach dich an die Arbeit. Du magst nun bereits bewaffnet sein mit deinem Körper, doch wäre ich wirklich gespannt zu sehen, was aus deinem Leuchtfeuer noch wird."

„Ja, Meister."

Maro schulterte das lange Horn, überlegend, wo der Drache es herausgerissen haben mag. Er hatte beim besten Willen keine fehlende Stelle sehen können. War es möglich, dass es so schnell nachwuchs? Es war ihm gleich. Er ging aus der Höhle ins strahlende Sonnenlicht. Der Himmel war von hellem blau, der Wind sanft und dennoch stark. Maro bemerkte nun zum ersten Mal, dass seine Kleidung komplett gerissen war, durch seine Flügel und seinen langen Schweif, und er nun nackt draußen stand. Einen normalen ehemaligen Menschen wäre wohl mulmig geworden, vielleicht hätte er sich, peinlich berührt, zurückgezogen, doch nicht Maro. Er war so lange gereist, die Meinung anderer interessierte ihn grundlegend nicht. Also setzte er sich am Rand der Höhle und betrachtete das lange Horn, das bald seine Waffe sein sollte. Er versuchte mit seiner Kralle einen kleinen Spalt hineinzuritzen. Erst als er viel Druck ausübte, sich anstrengte, löste sich ein hauchdünner kleiner Faden vom Horn und fiel herab. Maro kratzte sich nachdenklich am Kopf. Das sah nach viel Arbeit aus.

„Andererseits...", sagte er zu sich selbst und fuhr mit seiner Klaue über den Stein, welchen er ohne Mühe schnitt, „...weshalb bei solchen Dingen noch einen Speer?" Er verwarf den Gedanken sofort. Seine Waffe war alles was er hatte und er war ein Meister im Umgang mit ihr. Rasch machte er sich an die Arbeit.

Einige Stunden zogen im gleichmäßigen Trott des Schabens, Schneidens und Reibens dahin. Der Wind begleitete die trostlose Melodie, die der Schönheit einer vollkommenen Waffe vorausgehen musste. Nachdem seine Arme sich begannen zu beschweren und ein Krampf ihn zum ersten Mal innehalten ließ, streckte und dehnte sich Maro lange.

Eine Tasche landete schwer neben ihm. Es war seine, die, die er in der Höhle zurückgelassen hatte. Maro sah hoch. Erst wollte er nicht glauben, was er da auf den Steinen über dem riesigen Höhleneingang liegen sah, dann glaubte er, es nicht zu kennen, dann erkannte er sie.

„Lady Zero.", sagte er überrascht. Ihre Augen waren dieselben, weich, klar und voller Kraft, doch war sie nun ein Drache. Aus der jungen Frau, die zwar stark gewirkt hatte, aber relativ klein gewesen war, war nun ein schöner Drache geworden. Die Schnauze war recht kurz, ihre beweglichen Ohren konnte man unter den längeren Hörnern nun besser sehen. Ihre Flügel waren nicht ledern, sondern voller Federn, wie auch der Rest ihres Körpers vollständig mit weichen, teils bis ins helle Grau gehende, teils schwarzen Federn bedeckt war. Ihr Körper war schlank und Maros scharfe Augen offenbarten viele starke Muskeln.

Sie stand auf und sprang elegant hinab, landete vor Maro und starrte ihn nieder.

„Schöne Aussicht?", fragte sie zischend, zeigte ihre gespaltene Zunge. Wie auf Befehl begann Maro zu grinsen. Er liebte diesen Ausdruck in den Gesichtern anderer, liebte dieses Feuer, welches das Seine entfachte.

„Ein Kompliment.", sagte er kurz, ihr geradewegs in die Augen starrend, Herausforderung im Blick und immer noch grinsend, obwohl sie sehr ernst aussah.

„Akzeptiert.", antwortete sie, schob ihren Kopf weiter vor, so dass er sich auf seinen Schweif stützen musste, um nicht hintenüber zu fallen.

„Du bist ja ein sehr großer Krieger geworden, dass kann man nicht leugnen, mit deinem langen Hals und deiner stolzen Brust. Deine Komplimente sollten mir eine Ehre sein."

Wieder war da die spöttisch hochgezogene Augenbraue. Selbst wenn sie ein Drache war, konnte Maro diese Geste sehen.

„Spotte nur, Lady Zero." Furchtlos streckte er seine Hand aus und strich am Hals über ihre Federn. Sie waren noch weicher, als sie auf dem ersten Blick aussahen. „Doch Komplimente pflege ich stets aufrichtig zu geben. Es ist im Übrigen mal etwas anderes, zu dir hinauf zu sehen, womit der Spott zurückgegeben wurde."

„Wie gesagt, ich fühle mich unheimlich geehrt." Sie stieß ihn um, er rollte sich über seinen starken Schweif ab und landete wieder auf den Beinen, lächelnd. Sie bedachte ihn mit einem kalten, bemessenden Blick, öffnete ihre Schwingen weit und flog los. Maro sah ihr lange nach, ehe er sich wieder daran machte, seine Waffe zu fertigen.

So verbrachte er mehrere Tage. Nur sehr langsam konnte er das Horn abfeilen, es nur mit viel Mühe in Form bringen, doch das Ergebnis war von solcher Vollkommenheit, dass sogar Zerodyme, mit der er seither kein Wort gewechselt hatte, ihre Bewunderung nicht verbergen konnte. Der Speer war etwas länger als Maro selber, knapp zweieinhalb Meter. Er war absolut gerade. Die Klinge maß einen ganzen Fuß, zweischneidig und mit vielen Verzierungen versehen. Maro ging mit seinem Werk in einen nahen Wald, Zero, neugierig geworden und auch auf Auftrag des Drachen, folgte ihm.

Maro stand einsam auf einer Lichtung, hielt den Speer hoch erhoben zur Sonne. Eine ganze Weile stand er so da, die Augen geschlossen. Zero nahm an, dass es sich um eine Art Gebet, einen Brauch seines Landes handelte und hielt sich versteckt.

Plötzlich, wie eine Kanonenkugel auch so plötzlich in Bewegung kommt, begann Maro Drehungen, Sprünge, Schläge und Hiebe auszuführen. Mehrmals sah Zerodyme, wie Maro den Speer seitlich kreisen ließ und die Spitze seine Schuppen nur um Millimeter verfehlte. Während seiner Übung ließ Maro seine Flügel ständig angewinkelt und obwohl Zero zuerst annahm, er würde mit seiner Waffe seinen Schweif oder die Flügel verletzen, geschah nichts dergleichen. Er hatte seinen Kampfstil seinem neuen Körper vollkommen angepasst.

Es ging noch mehrere Minuten so weiter. Das Tempo seiner Angriffe steigerte sich langsam ins absurde, als wolle er testen, wie schnell er kämpfen konnte. Schließlich erreichte er eine Stufe der Brillanz, dass sogar Zerodyme, deren Augen durch das in ihr pulsierende Drachenblut extrem scharf waren, aufgab, den Bewegungen zu folgen. Der Speer war sogar für sie zu einem weißen, den schwarzen Drachen umgebenden Wirbel geworden.

Ich habe mich in ihm geirrt..., dachte sie, Der Drache hatte Recht. Nie hätte ich solche Begabung in ihm vermutet.

Maro hielt abrupt inne, hielt den Speer über gefalteten Händen in die Höhe. Ein weiteres Ritual folgte und Zerodyme lauschte interessiert, neugierig, denn inbrünstig war Maros Stimme.

„Meister, seht her! Ich gab eure Waffe, euer Geschenk an mich, weg! Ich bitte euch, vergebet mir! Ich tat es für diese hier, für dieses Horn eines Drachen! Und wahrlich, wie die Armeen meinen Himmelssplitter fürchteten, und selbst die größten Generäle vor eurer Himmelslanze flohen, so ist dies eine Waffe, bei deren Anblick Götter erzittern! Meister, seht die Waffe und gebt mir euren Segen, dass ich ihrer würdig bin! Eine Waffe ist dies, gemacht, die Erde zu erschüttern! Tauft sie, Meister!"

Maro schlossen seine Augen, er holte aus und warf den Speer weit in die Luft. Zerodyme sah dem Speer hinterher, der fantastische Höhen erreichte. Als der Wurf den Zenit erreichte und der Speer begann, senkrecht zum Erdboden hinab zu schrauben, öffnete Maro die Augen und sah ihm entgegen. Im buchstäblich allerletzten Moment trat er einen Schritt zurück. Einen Augenblick später, und seine eigene Waffe hätte ihn durchbohrt.

„Ich habe es gehört Meister und respektiere eurem Wunsch." Maro zog den Speer aus dem Erdboden und hielt ihn in die Höhe. „Habt ihr ihn gesehen, ihr Götter? Dies ist nun meine Waffe, gesegnet vom Wort meines Meisters. Dies ist der Himmelstod!"

In einer langsamen, kreisenden Bewegung ließ er die Waffe sinken.

„Du kannst rauskommen, wenn du willst, Lady Zero."

Sie unterließ es, zu erfragen, woher er das gewusst hatte. Sie war gut versteckt gewesen, ihre Magie hatte sie tief in sich gesperrt, damit Maro sie nicht spürte. Da Maro ein Drache war, waren auch seine Sinne für Magie fein geworden. Offenbar feiner, als sie angenommen hatte. Maro legte seinen Speer zur Seite, griff zu einer Flöte welche außerhalb von Zerodymes Blick auf der Wiese gelegen hatte. Es war eine andere, sie war etwas größer, länger. Zerodyme fragte sich sofort, wann er sie gefertigt hatte.

„Ihr mögt mir zürnen und euch weigern mit mir zu sprechen, doch sage ich euch, ich hatte nicht vor euch so zu kränken. Vergebt einem jungen Heißblut."

Sie antwortete mit beredtem Schweigen, ging zu einem Baumstumpf in der Nähe und setzte sich, ihre Halbmondwaffe über die Knie gelegt. Maro ging bedächtig zu ihr und setzte sich neben sie. Sie war wieder in einer menschlichen Form. Maro, der sich bereits gefragt hatte, wie das möglich war, konnte es durch sein Drachenblut nun sehen. Sie war teils menschlich, teils vom Blute eines Drachen. Ihre langen Ohren ließen ihn eine Bindung zu den Elfen viel eher vermuten, doch seine Augen trogen ihn nicht. Sie räusperte sich und holte ihn damit aus seinen Betrachtungen. Er begann Flöte zu spielen, hoch, zart und zerbrechlich. Wieder flogen silberne Lichter im Takt.

Einige Zeit verging so und durch die Musik wurde der Streit, der Zorn, vergessen.

„Als Drache...", sagte Maro, nachdem er eine Melodie beendet hatte, die sich unendlich oft wiederholen ließ und trotzdem nicht langweilig wurde, „...kann ich besser sehen. Ich kann so vieles in deinen Augen sehen."

Sie wandte sich ab. Ein Thema über das sie weder reden, noch etwas hören wollte, war ihre Vergangenheit.

„Schatten liegen in deinem Blick und ich spüre den Hass auf alte Feinde. Und ich sehe Einsamkeit. Doch du bist nicht allein auf der Welt. Da ist nichts, was dich von den anderen trennt."

„Wer sagt dass ich es nicht so wollte?" Bitter war ihre Stimme, wie Essig und getränkt mit dem Hass den Maro so deutlich spürte. „Glaub es oder lass es sein. Ich wählte meine Einsamkeit."

„Wieso sollte sich jemand freiwillig dazu entscheiden?"

„Weil ich es konnte. Es war eine Möglichkeit unter vielen. Was ist mit dir?"

„Und deine Familie? Bereust du es nicht sie verlassen zu haben?", fragte Maro weiter, ihre Frage ignorierend.

„Fraglich wer hier verlassen wurde. Außerdem...ich möchte mich nicht mit hätte ich und wär ich nur herumschlagen. Es gibt keine Garantie dafür, dass ein anderer Weg der richtige gewesen wäre."

„Und nichts bewog dich zu bleiben, wie mir scheint. Fragst du dich denn nie was wäre, falls..."

„Wozu?" unterbrach sie mit scharfer Stimme, selbst für ihre Maßstäbe unhöflich. „Als Kind träumt man sicher man von einer heilen Welt, selbst wenn sie unerreichbar scheint, was sie immer war. Ich weiß nicht wie mich Leichen zum bleiben hätten bewegen können. Und träumen macht sie auch nicht wieder lebendig."

„Scheint als seien wir nicht so verschieden." Maro versuchte ein aufmunterndes Gesicht zu machen, schließlich reden sie wieder miteinander.

„Und das glaubst du wahrscheinlich sogar noch, richtig?"

„Ja."

„Genau du solltest deine Nase nicht in Angelegenheiten stecken, die nicht deine Eigenen sind! Extremitäten haben die wunderbare Eigenschaft das man sie leicht abbeißen kann." Wieder schnitt sie ihm das Wort ab. Sie wollte nicht darüber reden. Nicht mehr. Was geschehen ist, ist geschehen, und niemanden sollte es kümmern was vor Jahrzehnten passiert ist. Sie sah selbst in Maros nun schärferen Augen nicht so aus, aber sie hat lange genug gelebt, um ihre Situation mehrmals zu drehen und zu überdenken. Sie hatte damals genug Zeit damit verschwendet in die Vergangenheit zu schauen und war dadurch blind für Gegenwart und Zukunft gewesen. Als sie damit aufgehört hatte, war ihr Blick, vom Nebel durchwebt, plötzlich klar geworden.

„Du bist närrisch, Lady Zero."

„Pah! Du magst jung sein, du glaubst noch an vieles bedeutsames in dieser Welt. Ich dagegen habe schon zuviel gesehen."

„Ich glaube an mich."

„Umso närrischer bist du, Sandkorn in der Welt. Sicher, du magst ein großer Kämpfer sein, aber..."

„Nichts aber!", unterbrach sie Maro und revanchierte sich. „Und ich glaube nicht, die Welt ändern zu können. Wie so viele versuche ich nur, in ihr zu überleben."

„Dein Talent...für einen Menschen ein hübsches Gesicht, hättest du es nur gepflegt...was hätte dir schwer fallen können? Die Frauen wären reihenweise hinter dir her gewesen. Sie mit ihren hübschen Aussichten."

„HA! eine amtliche Retourkutsche!", lachte Maro laut auf. Sein Blick glitt in die Vergangenheit und sein Lachen erstarb. Das kurze aufflammende Feuer in seinem Blick wurde kalt.

„Meinen Vater durfte ich nie kennen lernen, meine Mutter verreckte elendig in der Gosse und ich war jahrelang Abschaum der Gesellschaft. Ein Dieb und Räuber." Er sah sie direkt an, seine Augen so kraftvoll wie die ihren. „Ich bin nicht der stolze, überhebliche Krieger für den du mich hältst. Ich bin nicht mehr und nicht weniger als der Abschaum unter deinen Füßen, Lady Zerodyme van Drayke. Oft genug haben mich Adlige mit ihren so viel reineren Körperflüssigkeiten voll gerotzt und mich mit ihren so viel besseren Extremitäten getreten und nie wurden ihnen diese abgebissen."

Stille. Äußerst betretene, unerwartete Stille. Zerodyme setzte an, aber er unterbrach sie mit erhobener Hand, bevor sie überhaupt etwas sagen konnte.

„Wir beide sind Kinder des Hasses. Unsere Welt sind nun mal nicht die Worte, denn wir können uns durch sie nicht verstehen. Eine Adlige und ein Insekt? Hmm...nein...unsere Welt ist die Musik. Was gesagt ist, ist gesagt. Belassen wir es dabei und denken wir nicht mehr daran." Ohne weiteres hob er die Flöte an sein Maul, begann wieder zu spielen, lauter und kraftvoller. Zerodyme lauschte der Melodie, die so verträumt war, durch den Wald echote und sogar die Bäume bewog, in ihrem rauschenden Tanz einzuhalten. .

Nie hatte sie jemanden wie ihn gekannt. Jemand der so offen war und dennoch so verschlossen. So voller Ruhe und dennoch voller Leben und Stärke. Maro war nicht respektlos, wie sie zuerst gedacht hatte. Er hatte tiefen Respekt vor ihr. Er war kein junger Dummkopf, sondern durch seine lange Abgeschiedenheit zu Weisheit gelangt. Er war ehrlich und höflich. Meistens zumindest.

Zerodyme konnte ihn nicht leiden, diesen kecken, sie manchmal spöttisch verschmitzt anschauenden, noch hinter den Ohren nassen Drachen. Aber sie mochte ihn, den weisen, ruhigen Musiker, der stets in ihre Augen sah und dessen Worte voller Wärme und Gnade waren.

Sie summte zur Melodie.

Kapitel 5: Maro und Zero, Rivalen, aber keine Feinde

Zero lehrte Maro die Magie zu nutzen.

Sie summte, sang leise vor sich hin und kontrollierte so das Wasser in all seinen Formen. Sie ließ die Regentropfen aus den finsteren Wolken, die sich seit zwei Tagen in dem Tal hielten, langsamer fallen, ließ Pfützen zu Säulen und Gesichtern werden. Maro schaute zu, lange und gründlich. Sie erklärte ihm die Unterschiede, erklärte ihm, sie sei eine Zelys, die das Wasser durch Gesang und Rhythmen kontrolliere. Wie er die Magie nutzen wollte, musste er selbst lernen. Doch dies, eine kurze Erklärung und eine ebenso kurze Vorführung reichten ihm. Von klein an hatte er sich alles selbst beigebracht und sie wusste das. Also ließ sie ihn allein.

„Wie macht er sich?"

„Sehr gut. Seine Bewegungen sind perfekt, er ist zu schnell für mein Auge und ich zweifle nicht daran, dass er die Magie ebenso meistern wird."

„Schön sind die Worte die du verwendest. Noch schöner finde ich, dass sie deinen Gedanken entsprechen. Was hat den Hass gelöst?"

„Musik."

„Ahh...die Zauberei ohne Magie...eine wirklich edle Art diesem Streit beizukommen."

„Wie habt ihr das gespürt? Wie konntet ihr es aus der Ferne, über Jahresreisen hinweg spüren, während ich es nicht spüren konnte, als er neben mir stand?"

„Sein unfassbares Talent? Dies spürte ich nicht. Niemand hätte das, war es doch noch schlafend in ihm versteckt. Ich spürte sein Herz und das ist stärker, als jedes andere, dass ich jemals gespürt habe. Nun, liebe Zerodyme, sieh nach ihm und überwache ihn. Viel Arbeit wartet auf uns drei und jeder von uns muss gut vorbereitet sein."

Zerodyme sah ihm zu. Er meditierte, bewegte sich kein Stück, dennoch sah sie seine Magie toben, stärker und konzentrierter werdend, sich seinem Willen unterwerfend. Nur einen Tag später wussten sie, dass er eine Affinität zum Wind besaß. Eine Woche später zauberte er bereits wie ein Meister.

Für seine Übungen zog er sich in den Wald zurück, zwischen den Bäumen, wo der Wind pfiff und spielte, war es leichter die Magie zu wirken. Von einem erhöhten Stein sah Zerodyme zu. Maro schlug wieder mit dem Speer in der Luft zu, wirbelte ihn in perfekten Schlägen und Kreisen herum. Während er das tat, wurde der Wind um ihn herum kräftiger. Maro hatte sich entschieden, die Gestenmagie zu lernen. Stark und gefährlich, da sie nur einen Fingerzeig brauchte, um die größten Verwüstungen anzurichten, dennoch hatte sie eine Schwäche. Wenn Maro sich aus irgendeinem Grund nicht mehr bewegen könnte, würde seine Magie nutzlos werden. Doch wie Zerodyme ihn sich so ansah, schien ihr das unwahrscheinlich. Deutlich zeichneten sich inzwischen die Muskeln unter den Schuppen ab, seine Flügel waren stark und er hatte schon so manchen Rundflug durch das Tal gemacht, auch wenn er noch lernen musste, den Wind zu lesen.

Langsam brach sich die Magie um Maro herum. Kleine astrale Stürme rasten von Maro weg, wirbelten etwas Sand auf. Maro hatte die Grenze des Kontrollierbaren erreicht, mehr Wind würde er nicht steuern können.

Zero sah nun ganz genau hin, achtete auf jede Bewegung, die Maro machte, schaute auf die Wellen der Energie, die von ihm ausgingen und suchte nach Störungen in der Strömung. Da waren keine.

Maro entfesselte seine Kraft mit einem Schlag. Eine unsichtbare Klinge zog sich seiner Speerspitze hinterher, breitete sich waagerecht aus. Mit einem lauten Knallen und einem schlangenähnlichen Zischen befreite sich der Wind aus Maros Kontrolle und raste durch die Bäume. Er durchschnitt sie problemlos. Nur vor dem Fels, auf dem Zerodyme saß, machte der Wind Halt und schnitt eine tiefe Kerbe hinein.

„Du brauchst lange für einen solchen Zauber.", rief ihn Zerodyme zu. „Wie soll das in einem Kampf werden?"

Maro wandte sich ihr zu, lächelnd. „Weißt du, Lady Zero, was ich schon mal die ganze Zeit ausprobieren wollte?"

„Was?", fragte sie. Statt zu antworten, ließ er seinen Speer kreisen. Bei jedem Schlag traf den Stein eine fliegende Klinge, wie Maro diesen Zauber zu nennen pflegte. Zero sprang von dem Fels herunter, als er nach vier Schlägen anfing zu bröckeln. Vier weitere Schläge und Maro hatte den Felsen in viele handliche Teile geschnitten. Langsam nahm er nun eine Kampfpose ein. Er winkte Zero herausfordernd.

„Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?"

„Hast du Angst?", antwortete Maro keck. Er wusste, die kleinste Delle in ihrem Stolz und sie würde darauf anspringen. Sie sprang darauf an.

„Na schön, großer Krieger!" Sie ließ ihren Halbmondspeer kreisen, fast so schnell, wie Maro es konnte, was er mit überrascht geöffneten Augen quittierte. „Der erste Treffer am Körper, keine Magie. Ich sehe dich schon am Boden!"

„Es mag dir entgangen sein, aber ich glaube dass ich den Vorteil habe.", stichelte Maro weiter. Sie erwiderte nichts, trat ein paar Schritte näher. Sie begannen sich zu umkreisen. Langsam, immer einen Fuß nach dem anderen.

„Die Lady hat den ersten Schritt.", sagte Maro. Zeros Augen glänzten bereits vor unterdrücktem Zorn.

Sie sprang vor, einen seitlichen Schlag vortäuschend, ließ die Waffe aber mit einer geradezu akrobatischen Drehung von oben herabfallen. Maro antwortete mit seinem Speerschaft, der die Waffe zur Seite schlug. Während Zero sich noch wunderte, wie schnell er reagiert hatte, kam plötzlich die Spitze auf sie zu. Sie beugte sich weit nach hinten, ließ die Waffe über sich hinweg rasen und schlug blind mit ihrem Stab zu. Ein lautes Klirren sagte ihr, dass er auch diesen Angriff abgewehrt hatte. Sie stützte sich auf ihren Schweif, rammte ihm die Füße in den Bauch und rollte sich rückwärts ab. Die Aktion ließ ihn einen Schritt zurücktreten, aber von Schmerz war nichts zu sehen.

Zerodyme kam ihn langsamer näher, ließ den Speer mal links, mal rechts kreisen und versuchte Maro abzulenken. Er hingegen stand absolut still, folgte der Waffe mit den Augen. Maro sprang in die Luft, weit über sie. Zerodyme, einen solchen Angriff vorhersehend, machte eine Sprungrolle nach vorn.

Wieder dieselbe Situation, nur im Spiegel verkehrt. Maro ließ nun seine Waffe kreisen, imitierte Zerodymes Taktik. Sie hatte keine Wahl, als zurückweichen. Maros Waffe war wesentlich länger und er war unzweifelhaft stärker. Was die Sache aber so schwierig machte war nicht die Länge, die Zero mit einigen Griffen zu ihrem Vorteil verwendet hätte, oder die Stärke, die sie auch gegen Maro hätte zurücklenken können, sondern das Tempo, das vor ihren Augen die Speerspitze wie ein weißes Wischen, dem Hauch eines Nebels erscheinen ließ.

Schnell wich sie weiter zurück, versuchte die Bäume als Hilfe zu nutzen, da Maros weite Angriffe viel mehr Platz benötigten, als ihre. Maro ließ sich nicht davon stören. Er nahm den Speer in beide Hände, hielt ihn seitlich in einer klassischen Jägerpose. Sie wich weiter zurück.

„Du kannst auch aufgeben.", bot er an, lächelnd, dennoch ernsthaft.

„Willst du mich endgültig zur Weißglut treiben?!", fragte sie. Ihr Gesicht verzog sich bereits vor Zorn, nahm tierische Züge an. Wie gerne hätte sie sich auf der Stelle verwandelt, um ihn in die Schranken zu weisen. Sie verfluchte es, dafür einige Minuten zu brauchen.

„Ich bin auf nichts anderes aus, Lady Zero. Zeig alles und halte nichts zurück. Kämpfe, wie du mit einem echten Gegner kämpfen würdest."

„Also schön."

Sie begann zu summen, leichter, kaum hörbarer, beschwörender Gesang. Maro erschrak, als plötzlich ein Baum neben ihm zerbarst, das ganze Wasser aus ihm freigesetzt wurde. Er hatte noch nicht einmal reagiert, als der Boden aufschwemmte und der Schlamm seine Füße festfror. Maro versuchte sich zu befreien, aber das Eis war zu hart. Er sah zu Zerodyme, die lächelnd näher kam.

„Na, das ist ja ganz toll."

„Ich sollte mit aller Kraft kämpfen...bitte sehr. Wärst du tatsächlich mein Gegner, wärst du schon erstickt oder erfroren...je nachdem.

„Mal sehen."

Maro fuhr mit einer Hand im Halbkreis herum. Zerodyme zog verwirrt die Augenbrauen zusammen, bis sie spürte, dass der Wind über hauchdünne Lücken an Maros Schuppen unter das Eis wanderte. Maro befreite seine Magie und der Eisschlamm wurde weggesprengt. Er machte eine weitere Geste, und der Wind begann sich unter Zerodyme zu sammeln, die hauchdünnen, scheinbar nicht existierenden Lücken in der Erde ausnutzend.

Sie sprang weg, zu spät. Die explodierende Erde traf sie, Steine hinterließen an allen möglichen Stellen ihre Spuren. Die Druckwelle traf nun auch ihren Körper und warf sie hart gegen einen Baum. Benommen lag sie da, bemerkte einige Zeit nicht, dass Maro ihr die Speerspitze direkt auf die Stirn hielt. Instinktiv fragte sie sich, wo ihre Waffe war. Einen Moment sah sie sie weiter weg, zwischen den Wurzeln eines alten Baumes steckend.

Sie starrten sich beide an, Maro und Zerodyme. Er lächelte und zog seine Waffe zurück, bot ihr seine Hand als Hilfe an, welche sie ohne zu zögern weg schlug, aufsprang und zu ihrer Waffe ging.

„Du hast gewonnen...aber in einem ernsten Kampf...mit Magie..."

„Hätte ich trotzdem gewonnen.", unterbrach Maro. „Du hast angefangen zu zaubern und ich natürlich auch. Du hast den Fehler gemacht, mich zu unterschätzen, während ich den Fehler machte, dich aufzufordern Magie zu verwenden, ohne es selber zu merken."

„Du musst mehr auf deine Worte achten, sonst wird das nächste Mal der Ausgang ernster."

„Und du musst immer das letzte Wort haben."

Zerodyme schwieg zur Antwort. Maro wartete auf die Antwort, die aber nur aus einem spottenden, verschmitzten Gesichtsausdruck bestand. Er fluchte leise und ging. Sie folgte ihm. Beide hatten diesen kurzen Schlag auf ihren Geist gespürt. Der Drache rief sie.

„Es freut mich. Ja, ich bin aufs höchste Maß erfreut, euch so gesund, so kraftvoll zu sehen. Eure Feuer brennen."

„Weshalb habt ihr uns gerufen, Meister?", fragte Zerodyme. „Doch nicht, um uns zu loben."

„Nein. Bei weitem nicht. Ich spüre wie die Funken sich, von einem Wind erfasst, sammeln, um andere zu löschen. Der Orden zieht in den Krieg. Er zieht gegen alle in den Krieg."

„Was?", fragten beide, Zero und Maro, verwirrt.

„Der Orden ist die Schlange, die diese Welt verschlingt. Maro, wie sahen die Lande aus, die du verlassen hast? Antworte nicht, denn ich weiß es. Es sind Wüsten, Steppen. Verloren sind alte Wälder und reiche Felder, verloren ist die Hoffnung in jenen Landen. Der Orden ist die Krankheit, die sich ausbreitet, immer weiter, auf der Suche nach allem was sie in der Lage ist, zu verschlingen. Doch die Elfen, die Zwerge, die Orcs, Tauren, Naga, Halblinge, Zentauren, Echsenmenschen, Wolfsmenschen, Drachen...sie wehren sich, ist es doch unsere Natur, im Einklang mit den Wäldern zu leben, die der Orden zerstört. Etwas anderes ist es noch, was ich herausfand, als mein Geist durch die Lande reiste."

Er machte eine sehr lange Pause, die weder Maro noch Zerodyme zu unterbrechen wagten.

„Der Sturm, der dich, Zerodyme, hierher verschlug, war keine Katastrophe, wie wir alle annahmen. Ja, Maro, es mag dich überraschen, doch Zerodyme ist nicht von dieser Welt. Wie so viele hier, ist sie durch den Sturm aus ihrer Dimension gerissen worden, wurde von einem Sog in ihrem Wald erfasst und durch einen Bruch im Himmel gerissen und landete hier."

„Können wir bitte das Thema wechseln."; murrte Zerodyme, während Maro vergeblich versuchte, gleichgültig zum Drachen zu sehen.

„Ich konnte sehen, in Vergangenheit und Zukunft, meine Diener. Der Orden hat diese Katastrophe absichtlich ausgelöst, mit dem einzigen Ziel, Drachen in diese Welt zu holen. Ich sehe die Fragen in euren Geistern. Haltet sie zurück, sie werden gleich beantwortet. Ja, der Orden wollte so viele von uns, wie möglich, denn, Maro, was sagt man über Drachen? Sprich es aus."

„Da ist keine Waffe, die es mit dem Horn und Zahn des Drachen aufnehmen kann. Da ist kein Schild, das der Härte ihrer Schuppen gleichkommt. Da ist kein Trank, dessen Heilkraft dem Blute nahe kommt."

Maro sah beschämt zur Seite. Zerodyme hingegen war schlicht entsetzt.

„Sie haben die Drachen aus vielen Dimensionen geholt. Andere, Elfen, Zwerge und all die anderen Völker, waren jene, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Das eigentliche Ziel waren die Drachen. Wir sind die besten Waffen...zumindest sind es die unsere...Teile."

„Was werden wir tun?", fragte Maro.

„Ihr werdet auf die Suche gehen. Sucht jene wie uns. Sucht die Anderlinge, wie der Orden sie nennt. Ein jeder der gewillt ist dieser Welt den Rücke zu kehren, soll sich uns anschließen. Wir werden diese Welt dem Orden überlassen, indem wir uns dorthin zurückziehen, wo sie uns nicht folgen können."

Zero und Maro, der Drache konnte sich ein Lachen kaum verkneifen, sahen beide mit gleichermaßen fragend geneigtem Kopf zu ihm hoch.

„Mit der Kraft der Meinigen, mit vielen der Meinigen, wird es uns gelingen, ein Tor in andere Dimensionen zu öffnen. Präzise, es wird deine Dimension sein, Zerodyme, denn ich habe den Spalt gesehen und auch die...wie nenne ich es...die Schwingung, die Kraft der Welt, gespürt. Zu ihr könnte ich ein Tor öffnen. Zu anderen Welten...nun es wäre reiner Zufall in der richtigen Welt zu landen, da ich ihre Kraft, ihre Schwingung, nicht genau kenne."

„Könnt ihr das Tor nicht allein öffnen?"

„Nein. Viel Magie ist notwendig. Gäbe es hunderte von euch beiden, selbst dann würde es noch nicht reichen."

„Und wie viele gibt es da draußen?"

„Tausende. Wie viele euch folgen werden? Das vermag ich nicht zu sagen. Doch ihr beide werdet nicht zu gleichen Orten gehen. Zerodyme, du wirst zu ihnen sprechen, die noch frei sind, sie überzeugen hierher zu kommen. Maro, du wirst dich in die Städte schleichen, die der Orden bereits einnahm, diejenigen befreien, die noch leben. Nein Zerodyme, schweig still. Ich unterschätze dich nicht und ja, vielleicht wäre es sogar besser, eure Aufträge zu tauschen, doch du hast deine Kraft erreicht. Du bist auf einem Niveau angekommen, auf dem du nur noch langsame Fortschritte machst. Maro hingegen hat noch nicht mal im Ansatz das Ausmaß seines Talents begriffen. Er kann noch viel, viel stärker werden und dafür muss er mit den Wachen kämpfen. Ja, du hast richtig gehört. Ich befehle dir nicht, leise zu sein, ich befehle nicht, zu schonen. Ich befehle, jeden Soldaten, einen jeden der Magier des Ordens gnadenlos niederzumetzeln. Je mehr sterben, desto besser. Dieser Befehl gilt auch für dich Zerodyme. Findet ihr einen, der der Magie kundig ist, so testet seine Gesinnung. Ist er uns freundlich gesonnen, ist es umso wichtiger, dass er herkommt. Ist er ein Feind, tötet ihn."

„Wieso dieser Blutdurst?", fragte Zerodyme. „Das passt nicht zu euch."

„Der Orden wird seinen Zauber wiederholen...doch weiß ich, dass viele Magier bei jenem Ritual ihr Leben ließen. Deshalb, je mehr ihr tötet, desto unwahrscheinlicher wird es, dass der Orden in der Lage sein wird uns wieder in diese Dimension zu reißen. Derweil ihr all jene sucht, werde ich die verbleibenden Drachen dieser Welt anrufen uns zu helfen. Ein Meer aus Wesen wird in diesen Landen hereinbrechen. Dann muss das Tor offen sein. Ihr werdet nur wenige Monate, vielleicht nur Wochen haben, denn ich bin nicht in der Lage Essen herbeizuzaubern."

Sie nickten und gingen.

Kapitel 6: Der Großmächtige, Herr des Ordens und Maro, weißer Nachtzahn, Tod des Ordens

So kam es, dass ein Schatten in der Welt umging. Ein dunkler Schatten mit weißer Waffe und weißen Hörnern raste durch Straßen und Häuser, richtete Blutbäder an und tötete gnadenlos jene, die sich ihm in den Weg stellten und jene, die vor ihm davonliefen.

Niemand kannte seinen Namen, doch bald entsannen sich die Veteranen und andere Krieger, jene, die kamen, um zu untersuchen, wie ein Einzelner mehrere Dutzend hatte töten können, ihn zu finden und der Justiz zuzuführen, eines Mannes, dessen Stil ebenso unübertroffen war, wie der des Schattens. Diejenigen, die er verschonte, die Zivilisten, die Frauen, die Kinder, berichteten von dem Dämon mit den glühenden Augen, der blutbefleckt den Leichenbergen entstieg, groß und mächtig und ohne eine Wunde.

Maro, der Dämon war wieder da.

Doch nun war etwas anders.

Es hieß, er sei nackt. Es hieß, er sei voller Schuppen, schwarz wie die Nacht. Manche wollten gesehen haben, wie sein langer Hals sich vor bog, sein tierisches Maul den Feind packte und ihm Arme oder den Kopf abriss. Es hieß, die Klinge seines Speeres könne fliegen, denn fielen sogar jene, die Maro nicht mit dem weißen Speer berührte, einem unsichtbaren Schwert zum Opfer.

Man nannte ihn Maro, den weißen Nachtzahn.

Doch bald fand der Orden heraus, dass Maro nicht sinnlos mordete, nicht aus Kurzweil in die Städte kam, sondern er zielte die Gefängnisse und Zuchthäuser an, befreite alle die darin gefangen waren. Viele der Verbrecher konnten wieder eingefangen werden, doch einige verschwanden spurlos.

Die Magier, die Maros Spur zu folgen versuchten, nahmen zuerst an, diesen Monster wäre vielleicht so weit gegangen, diejenigen, die er rettete, zu fressen, doch da sie weder auf Leichen oder sonst eine Spur stießen, erkannten sie bald, dass er die Verschwundenen zu einem unbekannten Ort schaffen musste. Erst einen Monat später wurde ihnen klar, welcher Art diese Verschwundenen waren. Es waren ausnahmslos Anderlinge.

Sie benachrichtigten den Großmächtigen.

Während jener Zeit war es auch, dass eine bildhübsche Frau mit schwarzer, glänzender Haut durch die Lande reiste. Ihre Worte wurden von vielen gehört. Sie rief zu einem fernen Tal, zu einem fernen Ort und redete vom Orden, der sie zu vernichten drohte. Nicht wenige, alle waren sie Spione und andere vom Orden ausgeschickte, versuchten sie zum Schweigen zu bringen. Doch so wehrlos und unschuldig die Lady in schwarz aussah, so gefährlich war sie auch. Ihr Stab, von vielen nur für einen dekorativen Wanderstock gehalten, von manchen auch als Waffe erkannt aber in ihren Händen nicht für voll genommen, wurde zu einem Wirbelwind, der schneller schnitt als das Auge sah.

Viele folgten ihren Worten, redeten mit anderen und so strömten Flüchtlinge aus zwei Richtungen langsam zum Tal, in dem der Drache sie erwartete, ihnen ihre Pläne erklärte. Doch waren unter ihnen auch Verräter. Es waren Anderlinge, die vom Versprechen nach Frieden und Absolution geleitet wurden, die nach Ruhm und Gold lechzten.

So kam es, dass der Großmächtige sehr bald von der Flucht in eine andere Dimension erfuhr. Auch von dem Aufenthaltsort aller Drachen der Welt.

Schnell waren viele Magier versammelt und ebenso alle verbleibenden Drachen dieser Welt waren im Tal angekommen. Sie waren genug, damit sie beginnen konnten. Doch dieser Zauber, er war so umfassend, so gewaltig und konzentriert, dass die Welt sich auflehnte. Ruhige Orte wurden von Erdbeben erschüttert, Meere trockneten innerhalb von Tagen aus und ewiges Eis schmolz. Regen ergoss sich über Wüsten, während Urwälder verdorrten. Und obwohl der Drache den Zauber zusammen mit dutzenden seiner Art und hunderten Flüchtlingen unter Kontrolle hielt, wurde das Toben der Welt von Tag zu Tag heftiger. Dennoch, obwohl sie vielleicht nur noch wenige Tage benötigten und genug Magier da waren, die schwächeren Flüchtlinge abzuwechseln, hatten sie die Zeit nicht. Die Drachen spürten den Orden nahen. Schnell und gierig.

Maro. Wir wurden verraten. Er sammelt sie, er, der Befehlshaber der Schlange. Suche einen Ort, wo du sie alle aufhalten kannst. Du musst! Sie werden kommen, die Mächtigen, die Großen, die Flammen unter den Funken, all jene, die sich hinter den Mauern der Festungen versteckt hatten werden nun kommen uns zu verschlingen. Sie werden sehr bald hier sein, doch benötigen wir noch einige Tage. Vernichte sie! Halte sie auf! Töte jeden von ihnen! Jeden! Zeige keine Gnade!

Maro schreckte aus seinem Traum auf, der nur aus einer fernen, starken Stimme und drohender Dunkelheit bestanden hatte. Er wusste, sein Meister hatte zu ihm gesprochen und so machte er sich wieder nach Westen auf, die fernen Berge im Blick, denn dort kannte er die Pässe, die unzugänglichen Orte. Dort würde er ganze Armeen aufhalten können.

Zero...Zerodyme...er braucht Hilfe...Maro benötigt deine Hilfe. Eile in die Berge, westlich von jenem Ort, wo du ihn fandest. Eile so schnell deine Flügel dich tragen können. Er ist mächtig...doch er wird unterliegen...der Tod kommt! Der Großmächtige wird ihm begegnen und ich kann nicht sehen, welche der Flammen obsiegen wird. Maro wird ihn nicht allein aufhalten können! EILE!!!

Zerodyme schreckte auf, wusste sofort was zu tun war. Sie konzentrierte sich, ihre Verwandlung begann und dennoch spürte sie stetig den Geist ihres Meisters auf sich ruhen. Es eilte...jede Sekunde zählte.

Der Hochgeneral des Ordens war erzürnt. Die Berge waren schlecht kartographisiert und durch Steilwände und Felsenboden unwegsam, das wusste er, doch wie konnte es sein, dass überall Steinschläge warteten, dass jeder halbwegs offene Pass, auf dem sich die Armee bewegen konnte, zerstört, überflutet oder durch heftige Erdrutsche unpassierbar geworden war? Um die Berge herum konnten sie nicht. Auf einer Seite war das Meer, durch den Sturm von Bestien bevölkert, denen der General nicht zu nahe kommen wollte. Auf der anderen Seite gab es nur eine sehr steile Senke, an deren Boden ein weitläufiges Sumpfgebiet war. Es würde viele Tage dauern, es zu umgehen, davon mal abgesehen, dass ihre Vorräte zur Neige gingen. Zurück konnten sie nicht, nur Wüste hatte auf ihrem Weg gelegen. Viel Zeit verbrachte er damit, den Großmächtigen und die anderen Erzmagier zu beruhigen, wollten sie doch so schnell wie möglich weiter kommen. Merkwürdigerweise nutzten sie ihre Magie nicht, was nicht das einzige war, was den Hochgeneral stutzig machte. Es waren alle Magier des Reiches versammelt. War ihr Feind so stark?

Schließlich sahen die Späher auf den Gipfeln nur noch einen freien Pass. Er war sehr schmal und mündete an einem Engpass, den nur drei, maximal vier Männer durchschreiten konnten.

Doch hier wartete etwas Schlimmeres als Naturgewalten.

Erst sahen die Soldaten es nicht, die Männer in den hinteren Reihen stutzten, stießen gegen die Vordermänner. Selbst der General zu Pferde sah nicht, was geschah, doch sah er, dass in den ersten Reihen die Männer, wie vom Schlag getroffen, fielen. Soldaten begannen zu fliehen, riefen etwas von einem Monster. Der General trieb seine Stute an, drängte sich zwischen den Soldaten durch, gab den sinnlosen Befehl zum Halt.

Dann, vorn angekommen, sah er ihn.

Zwischen den Felsen, an der engsten Stelle, war ein Drache, unzweifelhaft. Er stand auf zwei Beinen, seine Schuppen waren schwarz, seine Waffe weiß. Es war dieser Maro, dem sein Ruf vorauseilte. Der General studierte die grauschwarze Maserung auf dessen Schuppen. Maro war für einen Drachen sehr klein, er mochte drei Köpfe größer sein als ein Mensch, doch der General wusste aus den Geschichten, dass seine Schuppen sehr hart waren.

„Was sucht ihr hier?", fragte der General, legte eine Hand an sein Schwert. „Warum haltet ihr uns auf?"

„Dieser Weg ist versperrt. Geht. Geht meinetwegen zu jenem Ort, zu dem ihr geschickt wurdet, doch werde ich euch nicht durch diese Berge gehen lassen. Geht meinetwegen durch den Sumpf, doch ihr werdet nicht hier vorbeikommen."

„Was soll das? Welchen Grund habt ihr, euch einer Armee entgegen zu stellen?"

„Ich kennt den Grund, General. Auch ich werde fliehen. Doch zuvor werde ich noch etwas Zeit kaufen."

„Ihr werdet keinen Boden gegen uns sehen. Wir sind tausende!"

„Und ich bin einer. Versucht euer Glück, wenn es euch danach verlangt." Er hieb seinen Speer schräg zum Boden. Eine Linie folgte der Spitze und zeichnete einen weiten Halbkreis in den Sand. „Ein jeder, der es wagt, diese Linie zu übertreten, fordert mich heraus! Wagt es und ich werde keine Gnade zeigen. Und wenn sich zehn von euch wagen, so werden auch sie fallen! Und wer aus diesem Kreis flieht, der wird dasselbe Schicksal erleiden. Geht! Geht einfach, und ich werde euch unversehrt weichen lassen."

Einige Offiziere zogen ihre Waffen, wollten losstürzen. Der General hielt sie mit einer Handbewegung zurück.

„MÄNNER! ZIEHT EURE WAFFEN!", rief er seinen Soldaten zu. Viele Schwerter wurden aus Scheiden gezogen. Maro bewegte sich nicht. „UMKREIST IHN! LOCKT IHN AUS DER DECKUNG! UMKREIST IHN, UMKREIST IHN UND GREIFT AN! ES IST NUR EIN MANN! ANGRIFF!"

Und sie griffen an. Der Wahnsinn nahm seinen Lauf.

Maro tötete, sah noch nicht einmal hin, wenn er jemanden nur knapp am Hals traf, denn er wusste, konnte hören wie die Halsschlagader riss, konnte das Leben entweichen spüren. Die Soldaten fielen in den Staub und es wurden immer mehr.

Sie wichen zurück. Nach nur einer halben Minute waren drei dutzend seinem Speer zum Opfer gefallen, zwei hatte er enthauptet. Mit dem Maul. Der General war sprachlos.

„Holt...holt die Magier!"

Sie kamen schnell. Maro wartete. Es eilte ihn nicht, weiterzukämpfen. Jede Sekunde, die er gewann, war ein Sieg. Kaum waren sie da, begannen sie die Magie um sich zu weben, außerhalb der Linie. Manche sangen, manche verwendeten Gesten, manche sprachen und riefen. Ein wirres durcheinander von Stimmen und Geräuschen, doch Maro durchschnitt es mühelos.

„Wenn ihr es wagt, mich von außerhalb der Linie anzugreifen, werde auch ich den Kampf aus ihr heraustragen."

Ein Feuerball war die Antwort. Maro durchschnitt ihn mit einer fliegenden Klinge, die daraufhin dem Magier seiner Beine entledigte. Maro sprang vor, sammelte den Wind um sich und mordete. Sie flohen, all das Kanonenfutter, die Soldaten, die eingezogen worden waren, um an der Frontlinie zu sterben, doch der Speer war lang und schnell. Mühlen folgten auf Stichen, mit Drehungen und Pirouetten abgewandelt, ein Seitenwechsel, die andere Hand war Haupthand, begann den Speer zu bewegen, Seite, hoch, runter, Drehung, links, Mühle, Stich, Schritt, Stich, Parade, Seite, links, Drehung und ein dünner roter Faden flog hinter der Klinge hinterher. Niemand entkam und immer weiter wurden die Sterbenden vom Wind oder der schieren Kraft Maros durch die Luft getragen, um tot auf dem Boden aufzuschlagen.

Und immer weiter schnitt er sich, raste immer weiter, ließ sie nicht einmal erschrecken. Der Boden war nass vom Blut, doch störte es wenig, da man nicht mehr auf den Sand treten konnte.

Maro hielt inne. Seit einer halben Stunde tobte er im Blutrausch, hunderte waren gefallen. Der Großmächtige kam in Sicht. Seine Berater umringten ihn, sie wurden von vielen Leibwachen geschützt.

Dies war die Elite, die Mächtigsten des Ordens.

Worte fehlten, keines wurde gesprochen. Sie griffen an, mit mehr Mut, mit mehr Wahnsinn. Magie prallte von Maro ab, wurde zurückgeworfen und gelöscht, Pfeile wurden zu den Wänden gelenkt, während Klingen kreischend den Speer trafen und Männer enthauptet wurden.

Während dieses Kampfes gab es nur zwei Gedanken in Maro. Beide hatten nichts mit Bewegungen, mit Stilen, Posen und Schlägen zu tun. Sein Körper führte sie instinktiv aus. Nein, da waren nur zwei Dinge. Das eine waren Sterne, sanft, weiß und klein dem Wind folgend, der sie wie ein Hauch durch die Luft trieb. Das andere waren vier Worte: Es sind zu viele.

Eine Hellebarde traf ihn, direkt am Genick. Die Wucht warf ihn nach unten, doch weigerten sich seine Beine nachzugeben. Seine Hände bohrten sich nicht in den Sand. Aus eigener Kraft richtete er sich auf, den Schmerz, den die sich weiter ins Fleisch fressende Klinge verursachte, akzeptierend. Die Leibwache riss seine Waffe heraus, sprang zurück. In einem Halbkreis standen sie um ihn herum, sprachlos.

Von Maros linken Arm tropfte Blut, denn mit ihm hatte er ein Schwert abgefangen, einer seiner Flügel war gebrochen, denn lieber hatte er den Hieb eingesteckt, als sich abzurollen, an seinem Genick ein tiefer Riss, denn er nahm den Schmerz, statt die Hände am Boden abzustützen, an seiner Wade waren ebenso tiefe Risse, wie auch an seiner Seite. Doch noch immer weigerte sich der Drache zu Boden zu gehen. Weder hatten seine Knie, noch seine Hände den Boden berührt.

„Ihr seid nur Schüler.", sagte Maro zischend, sich auf seinen Speer stützend. „Niemals werde ich die Knie vor euch beugen. Nie hat es jemanden gegeben, vor dem ich das tat."

„Stolzer Narr!", sagte einer von ihnen. „Bring es einfach hinter dich!"

„Nein."

„Idiot!" Ein Magier trat vor, rief einen Zauber, der die Felsen an den Wänden lockerte, sie auf Maro zufliegen ließ. Maro stützte sich schwer auf seine Waffe, rammte ihn in den Boden und ließ die Winde los. Sie trugen die Felsen hinfort, hinter die Reihen der Elite, wo sie viele Soldaten unter sich begruben.

Ein anderer Magier trat nun vor, gemächlich. Maro agierte schon seit einer Weile nicht mehr, er reagierte nur noch. Plötzlich, ohne eine Vorwarnung, sammelte sich der Wind um ihn und der Magier sprintete los, schneller als das Auge folgen konnte. Maro hieb instinktiv zu, ließ seine Waffe kreisen. Er traf ihn, rammte die Spitze in den Rücken, doch eine Sekunde später begriff er, dass er trotzdem zu langsam gewesen war. Seine Beine schmerzten. Er brüllte laut auf, als sie begannen, unter ihm nachzugeben. Nur noch seine Arme, die sich am Speer festhielten, ließen ihn nicht zu Boden gehen. Seine Beinsehnen waren durchtrennt, er konnte nicht mehr stehen. Wütend knurrte und zischte er, versuchte seine Beine zu bewegen, doch zwecklos. Er hatte keine Kontrolle über sie.

„Narren!", brüllte der Großmächtige. „Er fällt! Nun tötet ihn schon!"

Sie rannten los, folgten dem Befehl blind, denn er war ihr Herr. Er musste es wissen. Doch sie machten denselben Fehler, wie all die Gegner Zerodymes es getan hatten. Er sah hilflos aus, war es nicht.

Den ersten riss eine Klaue das Gesicht auf, der zweite wurde von Maros langen Schweif getroffen, landete bewusstlos an einem Felsen, der dritte verlor seinen Arm, als Maro ihn mit seinem Maul packte und gegen zwei andere schleuderte.

Der Angriff stockte für eine Sekunde, und mehr brauchte Maro auch nicht, um die Winde herbeizurufen und die fliegenden Klingen, der Zauber, den er perfekt zu beherrschen schien, loszulassen.

Die Körper fielen, teils schlaff, teils in Teilen, zu Boden. Der Großmächtige sah entsetzt auf seine ehemaligen Diener hinab. Jegliche Bewegung in den Truppen erstarb wieder. Maro spürte den Zwiespalt in vielen Soldaten. Davonlaufen? Angreifen? Hatte es einen Sinn, es zu versuchen?

Maro bückte sich, hob zwei Speere auf, rammte die Spitzen durch den Sand und stützte sich mit dem Rücken auf sie, hob seine Waffe wieder in die Höhe. Ein paar der Magier, bereits den Zweifel im Gesicht, begannen den Kopf zu schütteln. Sie flüsterten, murmelten und bald erhoben sich ihre Worte zur Panik.

„Das ist ein Dämon! Ein Wahrhaftiger! Lauft!"

Die Panik brach los und die Armee des Ordens, die größte Streitmacht der Welt, die ganze Länder und Kontinente unterworfen hatte, floh vor Maro, der schwer verletzt war, der mit größter Mühe die herannahende Ohnmacht bekämpfen konnte, der nicht mehr allein auf den Beinen stehen konnte und dessen Blutverlust ihn an den Rand des Lebens trug. Übrig blieben nur der Großmächtige und seine Erzmagier.

„Was muss ich noch tun, damit ihr geht?", fragte Maro.

„Sterben.", antwortete der Großmächtige. Mit einem Wink schickte er seine Erzmagier vor, stieg vom Pferd ab und schloss sich hinter ihnen an.

Maro schloss die Augen. Seine Gedanken waren klar, trotz der Schmerzen. Nicht mehr die vier resignierenden Worte kreisten herum, sondern nur noch ein schwarzer, gefiederter Schatten, in seinem Geist in vollkommener Schönheit dargestellt.

Er öffnete seine Augen wieder, beschwor mit seinem Speer den Wind, ließ ihn tanzen. Die Magier zuckten zurück, denn sofort brachen astrale Ströme hervor. Maro verlor die Kontrolle, denn sein Geist konnte die Magie nicht mehr im Geringsten im Zaum halten. Dennoch machte er weiter. Die magische Energie verlor ihren Charakter, verlor Willen und Ziel. Blinde Kraft wurde freigesetzt und wuterfüllt stürzte sie sich auf alles. Auf die Erzmagier, auf den Großmächtigen, auf Felsen und Steine, auf Maro.

Zeros Flügel schmerzten, denn sie malträtierte die Muskeln darunter, suchte die besten Winde, ließ sich in warme Luftströmungen fallen, die Berge waren nah, so nah. So nah, dass sie das Toben, den Sturm, die magischen Explosionen hören konnte. Sie spürte Maros Aufbegehren. Sie sah sie, die Erzmagier, von unsichtbaren Mauern umgeben, die sie gegen die ziellose Macht Maros abschirmte.

Brüllend stürzte sie sich auf, sie, begrub zwei nebeneinander Stehende unter sich, brach Knochen und zerdrückte ihre Körper durch die blanke Kraft.

Die Magier hatten noch nicht einmal reagiert, als sie mit dem Maul einen weiteren packte und ihn wegschleuderte, den nächsten ansprang und mit Klauen aufriss.

Magie war fort aus dem Geist, da war nur noch Zorn. Blanker Zorn wie nur Drachen ihn spüren konnten. Ihre menschliche Seite, die Seite, die gefüllt war mit Skrupeln, Bedenken und Moral, schwieg, denn ihre drachische Seite tobte, wollte töten und reißen und morden und angestachelt von dem allgegenwärtigen Geruch nach Blut ließ sie sich von nichts und niemanden abhalten.

Und ehe der Großmächtige seine Magie, eine Kraft die die Maros und Zerodymes bei weitem übertraf, sammeln konnte, wurde er von der Drachin zu Boden gerissen. Sein Tod war schnell.

Kapitel 7: Die Lady in schwarz

Die Leichen bedeckten den Boden, nirgends war noch Platz. Die astralen Stürme hatten sie zerrissen, entstellt, vielleicht war das aber auch Maros Werk gewesen. Zerodyme wandte sich um, nun da alle Gegner vernichtet waren. Sie erschrak.

Maros linker Flügel war gebrochen, an Genick, Bein und Seite waren tiefe Schnitte, teils bis auf die Knochen. Sein Brustkorb hob und senkte sich mit einer merkwürdigen Beule, die Zerodyme zeigte, dass auch einige Rippen gebrochen waren, Aus seinem Maul lief Blut, dunkles Blut. Seine Augen flackerten und schwer stützte er seinen Körper auf zwei Speere. Er versuchte seine Beine zu bewegen, doch sie gaben endgültig nach, sein Speer fiel ihm aus der Hand und er ging mit einem Seufzer der Erleichterung zu Boden.

Zerodyme stürzte auf ihn zu, drehte seinen Körper auf den Rücken. Sie hob seinen Oberkörper sanft mit ihren tierisch und doch menschlich wirkenden Vorderpfoten hoch. Maro hustete ihr Blut ins Gesicht. Er lebte. Noch. Seine Augen, aus Silber und Stahl, wurden milchig, als sein Herz langsam versagte.

„Nein." Sie schüttelte ihren mächtigen Kopf. „Das darfst du nicht!"

Er hob langsam den Arm, streichelte über ihre Federn. Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Zerodyme..." Seine Augen wurden leer, seine Gesichtszüge erstarrten, von tiefem Frieden geprägt.

„Du darfst nicht! DU!!!"

Viele Frauen und auch Männer wären verzweifelt, hätten geschrieen, wären in Tränen ausgebrochen, dass in ihren Armen ein Freund starb, umgeben von Toten aller Art, deren Gesichter zu entsetzten Grimassen erstarrt und deren Augen voller Verzweiflung aufgerissen waren.

Doch Zerodyme war nicht wie andere.

Sie legte Maro auf den Boden. Sie sammelte ihre Magie, erhob ihre Stimme. Zitternd war sie, konnte nur schwer Töne und Klänge halten, doch ihre Macht folgte ihrem Gesang, der im traurigen Moll durch das Tal schallte. Sie zog das Wasser aus den Leichen, reinigte ihr Blut, bis es von durchsichtigem Blau war. Dann legte es sich auf Maros Wunden und mit all ihrer Kraft heilte sie die Schnitte und Brüche. Vor ihren Augen wuchs alles wieder zusammen, richtete sich auf angestammte Plätze.

Doch Maros Herz schlug immer noch nicht.

Sie nahm ihn hoch, hielt mit einem Arm seinen Oberkörper in der Schräge, während sich der andere auf Maros Brust legte. Sie befreite all ihre Kraft, ihr Gesang verlor an Schärfe, verlor an Tönen, da dieser Zauber all ihre Konzentration beanspruchte. Sie lenkte das Blut in Maro, sie zwang das Blut, das Maro verloren hatte, durch die Wunden, die noch nicht ganz verschlossen waren, wieder zurückzukehren. Dann zirkulierte es auf ihren Befehl. Mit Kraft zirkulierte es durch den Körper, durch Herz, Arme, Beine und alle Adern. Sie begann rhythmisch zu ihrem Gesang mit ihrem Arm zuzudrücken. Sie drückte nur wenig zu, die Kraft des Wassers nutzend, welches das Herz im Körper ebenso drückte. Sie zwang es zu pumpen, zwang es weiter zu machen.

So vergingen ewige, unendliche Minuten.

„Zerodyme..."

Sie brach ab, starrte auf Maros Gesicht. Hatte sie es sich eingebildet? Maros Augen waren noch immer weiß. Sein Maul war noch immer offen und ein dünner Blutfaden rann daraus. Sie sah hin. Wartete. Seine Augen wurden wieder klar, das weiß wurde von dem so viel lebendigerem Silber abgelöst. Sein Maul öffnete sich etwas, als er hart einatmete.

Sie hielt seinen Kopf.

„Sag etwas. Rede!", befahl sie. Im gleichen Moment sah sie irritiert nach oben. Regnete es?

„Du...siehst...wunderschön aus, wenn du vor Zorn weinst. Entschuldige bitte...dass ich dich erschreckt...habe."

Hätte jemand zugesehen, er hätte stille Zweisamkeit inmitten von Tod und Grausamkeit erblickt. Zwei schwarze Drachen, einer mit harter Rüstung und weicher Seele, eine mit weichem Gefieder und einem Feuer aus Eisen. Zwei Drachen, die sich in den Armen hielten. Und der Wind spielte sein Lied.

„Wie geht es Maro?"

„Ich habe ihn wieder in die Höhle geschafft. Er schläft. Wunden vermag ich zu heilen, nicht aber die Schwäche aus den Gliedern zu vertreiben. Es ist drei Tage her...er wird vermutlich noch weitere drei Tage ausruhen müssen."

„Was geschah an jenem Ort?"

„Vieles. Das meiste hat mit dem Tod zu tun."

„Ja. Doch dies erklärt noch immer nicht dich. Zerodyme, was soll ich davon halten? Du kommst in das Tal zurück, Maro mehr tot als lebendig, aber noch lebendig, was an sich bereits ein Grund zum Feiern wäre und du berichtest von der völligen Zerschlagung des Ordens. Das Land wird zerbrechen, wenn nicht sogar unter die Hand anderer Feldherren fallen und selbst wenn sich dieses Reich wieder erholt, wird Jahrhunderte dauern, bis sie uns wieder gefährlich werden können. Das Tor ist offen. Die Flüchtlinge verlassen diese Welt!

Was ist nur los?!"

„Ich habe ihn gerettet. Ich weiß nicht wieso, doch ich spürte dieses Verlangen, das unstillbare Verlangen ihn zu retten, sein Leben wieder zu holen, über mich hinauszuwachsen. Nie...nie habe ich mich jemandem so nah gefühlt. Ich mag es, wie er redet. Ich mag sein Flötenspiel und seine Stimme. Ich mag seine Augen und die Worte...ist das..."

„Das ist keine Liebe. Es ist Freundschaft und Respekt. Doch etwas anderes ist da noch, nicht? Du hast Träume."

„Ja. Ich erinnere mich an Dinge, die ich nie erlebte, ich denke Dinge, die ich nie dachte. Ich sehe Bilder von Orten, an denen ich nie war. Was ist das, Meister?"

„Zerodyme. Du bist eine sehr starke Wassermagierin, ich werde es nicht Leid es zu erwähnen. Und du hast in sein Innerstes gegriffen. Du hast sein Blut bezaubert, hast sein Herz durch deinen Willen schlagen lassen. Du hast sein Blut in seinen Körper zurückgebracht. Diese Magie, diese Intensität, hat einiges von ihm auf dich übertragen. Du erinnerst dich an Dinge, die eigentlich seine sind. Genauso ist es umgekehrt. Nein! Unterbrich mich nicht. Ich war in der Höhle, habe mit ihm geredet. Es sind Erinnerungen, die sich ausschließlich um eure Kindheit handeln. Ich vermute, ihr erinnert euch nur deshalb an die Kindheiten des anderen, weil ihr euch im Grunde eures Herzens sehr ähnlich seid, ihr nur als Kinder verschiedene Pfade eingeschlagen habt. Würdest du an seiner Stelle liegen, ich wäre von dir angefaucht, beleidigt worden, verspottet worden und deine Augen hätten mir kalt hinterher geblickt, es hassend, so schwach und verletzt von jemanden gesehen zu werden. Maro aber freute sich, redete viel. Dann bat er um einen langen Stab. Am nächsten Tag gab er ihn mir, mit der Bitte, ihn dir zu geben."

Aus dem Nichts rief der Drache einen Stab in seine riesige Klaue, so groß wie ein Bo. Langsam ließ er ihn zu Zerodyme gleiten, die ihn vorsichtig ergriff. Da waren eine große ffnung in der Mitte und zu beiden Seiten zehn Löcher. Außerdem hing an der anderen Seite des Stabes mittig eine Schnur, die direkt rechts und links vom Loch befestig schien. Sie zog sie raus und seitlich vom großen Loch fiel eine dünne, Runde Scheibe heraus. Zerodyme, verwirrt, zog auch an der anderen und eine weitere Scheibe hing an den Fäden. Sie führte, aus einer Idee heraus, das Loch an den Mund und blies seitlich darüber. Ein schiefer Ton war die Antwort. Sie steckte eine Scheibe wieder an den angestammten Platz. Der Ton wurde warm und dunkel, ätherisch leicht zugleich. Sie wechselte die Scheiben. Hoch und Fein, schnell und geschwind. Sie spielte keine fehlerhaften Töne.

Seit wann kann ich...?, wollte sie sich fragen, doch eine Erinnerung nahm ihr die Frage ab.

Da war ein Kind im Wald, ein Junge, er mochte sieben oder acht sein. Er hatte einen Bo, wohl gestohlen. Er entschied sich, sein Taschenmesser zu verwenden, statt dem Stab. Lieber wollte er eine dieser althergebrachten Flöten, als eine Waffe. Er hatte sich an einem Punkt entschieden, an dem Zerodyme sich anders entschieden hätte. Und er lernte Flöte. Sie lernte kämpfen. Das hingegen, brauchte er nicht mehr lernen, denn das Leben war hart.

Und Erinnerungen begannen zu verschwimmen, folgende Schatten, mal Menschen, mal anders und unförmig, mal Blut, mal ein gestohlener Geldbeutel, mal Häme, mal Ruhe und wenn sie Schreie und Verzweiflung hörte, war da der junge Mann, dessen Bild sich in den Vordergrund drängte, ein Bild, auf dem er, den Himmelssplitter an seine Seite gelegt, auf einer hölzernen selbst gemachten Flöte spielte. Wieder seitlich. Die Töne waren weich.

So kam es, dass über Zerodymes Welt Horden herfielen. Sie kamen aus anderen Welten, suchten eine neue Heimat und ihre Zahl überflutete die Dörfer und Städte, die sich nahe des Spaltes aufhielten. Elfen und Zwerge, Naga, sogar einige Menschen hatten diesen Ruf der Freiheit genutzt. So war es, dass auch viele bekannte Gesichter da waren. Da waren Freunde, da waren Verwandte, da waren Geliebte, die sich in die Arme fielen. Die beiden schwarzen Gestalten, eine Drachenelfe und ein anderer Drache, zogen sich derweil still zurück, beide dem Trubel zu entkommen suchend.

„Sag, Zerodyme...das kannst du doch nicht ernst meinen."

Das Feuer schien auf Zerodymes ungleiche Augen. Ihr Blick war ernst und ging tiefer, schien durch das Lagerfeuer durchzugehen, suchend und sehnend.

„Kannst du verlangen, dass wir das glauben?", fragte dieselbe Stimme. Zerodyme sah aus dem Feuer. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, zu finster war die Nacht, in der sie mit ihren wenigen Freunden in einem Kreis saß, ihnen von den Abenteuern der vergangenen Monate berichtend.

„Ich verlange nicht, dass ihr mir glaubt.", antwortete sie. „Doch ich war...wie lange...fast ein halbes Jahr...fort. Spurlos verschwunden und ihr seid gute Sucher. Hättet ihr mich sonst nicht finden müssen?"

„Aber...andere Welten..."

„Es ist wahr.", unterbrach ein ihn ein anderer, ein großer Drache, dessen Atem das Feuer tanzen ließ. „Da ist keine Lüge in ihren Augen. Und Zero pflegte stets die Wahrheit zu sagen. Sag, Zero, was ist mit eurem Meister geschehen?"

„Er kam durch das Tor. Doch dann redete er mit uns und sagte: Ihr Flammen seid fortan nicht mehr meine Flammen. Ihr dürft frei brennen. Ich werde zurückgehen. Wir wollten protestieren, aber er widersprach: Glaubt ihr denn, es gab schon immer in unserer Welt diese paar dutzend Drachen. Wir waren einst so viele. Und es gibt viel Blut, das der Orden mir zurückzahlen muss. Sorgt euch nicht. Ich weiß, wie ich hierher kommen kann. Und wagt es nicht, mir zu folgen. Nur Sand und Knochen werden euch dort erwarten, denn die Schlange lebt noch. Also ließen wir ihn gehen."

„Doch was ist dann mit diesem Maro. Wo ist er?"

„Wir verloren uns aus den Augen. Der Sturm war heftig, doch wir wollten ihn übermütig durchfliegen. Dann habe ich ihn nicht mehr wieder gesehen. Er muss vom Weg abgekommen sein, den Kurs verloren haben. Er war noch ein unerfahrener Flieger."

Sie gebot mit einer Geste schweigen. Sie selbst wunderte sich einen Moment darüber, doch dann fiel ihr ein, dass das Maros Art war, jemandem zuvorzukommen.

„Er lebt, das weiß ich, und einen Beweis für meine Geschichte habe ich." Sie nahm den Stab, den sie sich mit einem dünnen Faden auf den Rücken geschnallt hatte und löste ein Band, von diesem Stab. Ein kleines Plättchen hing am anderen Ende und schlug dumpf gegen den Stamm, auf dem sie saß. Ihr Flötenspiel war tief, ruhig und elegant ausgeschmückt. Weder verlor es sich, noch trabte es zu hoch. Es lud zum Schlaf. Und es war fehlerfrei.

„Nie habe ich Flöte spielen können.", sagte sie.

„Und nie habe ich solch schönes Spiel gehört.", sagte ein anderer ihrer Freunde, ein Drachenelf wie sie, den Kopf auf eine Hand gestützt, träumend über sie hinwegstarrend.

„Eines Tages werden wir uns wieder sehen.", sagte sie. „Er wird zu mir kommen. Er liebt die Musik zu sehr."

Es entsprach der Wahrheit, denn Zerodyme pflegte sie zu sagen, doch es war nicht die ganze Wahrheit. Es war etwas in seinen Erinnerungen gewesen. Ein schwarzer, gefiederter Schatten, mit starken Augen, ruhiger Stimme, Spott und weißes Haar, gefolgt von silbernen Sternen. Und Wärme lag in diesen Erinnerungen.

Dem Wald, in dem Zerodyme lebte, den sie beschützte, war nichts geschehen. Nur wenige Wanderer hatten sich getraut ihn zu betreten, doch als sie wieder kam, liefen auch diese Wagemutigen davon. Nur eine Sache war nun anders. Manches Mal trug der Wind Melodien, zu den nahen Dörfern. Und Gesang, so wunderschön, dass die Männer anfingen von Frauen zu träumen und so beruhigend, dass ihre Ehefrauen es ihnen nicht übel nahmen.

Und eines Tages brach der Gesang ab. Stille, unerwartete Stille folgte. Dann folgte der Gesang wieder, begleitet von meisterhaftem Flötenspiel. Manches Mal war es so, manches Mal war die Stimme allein, manches Mal waren da zwei Flöten. Und oft wurde von einem schwarzen Drachen gesprochen, der furchtlos den Wald überflog, sogar in ihm landete, den andere so fürchteten.

Sie wussten es nicht und Epen und Geschichten wurden über die Wächterin des verwunschenen Waldes und ihren Besucher erfunden. Sie waren romantisch, dramatisch, grausam, dunkel und hell und in allen Facetten erhalten.

Doch es waren zwei, die sich zur Einsamkeit entschlossen hatten, doch die Zweisamkeit genossen. Es waren zwei, deren Seelen geeint waren, die sich jedoch nicht liebten. Sie liebten das intelligente Wort, sie liebten die Musik. Das waren zwei Seelen, die, zu einer Zeit des Chaos und des Krieges irgendjemanden, gleich wen, gesucht und gefunden hatten.

Liebe genügt der Liebe.

Doch ist es nicht die Liebe,

die Tod und Trauer trägt?

Es ist Freundschaft, die,

vom Lichte beglänzt,

es endlich vermag, sie,

die Herzen Verschiedener

zu vereinen.

Ohne Hass und ohne Gier,

ohne Rache, ohne Neid,

denn Freunde genügen einander,

denn Freundschaft genügt der Freundschaft.

Bedarf es der Einheit,

doch nur etwas Musik.

Zerodyme van Drayke ist ein Charakter von Gaiasangel

Maro ist ein Charakter von mir

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Eine Kurzgeschichte von Noiratblack