Lustige Labyrinthe

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#1 of Lustige Labyrinthe

Nur eine Idee, die ich hatte ... Das hier ist eine interaktive Story! ühlt euch ruhig frei Annos Fragen zu beantworten


Lustige Labyrinthe

-Erstentwurf-

-Chiba (Neo Tokyo); U-Bahn-Station Orochi Park; Traverse, Subsektor Draco Achelois; 23.02.2082; 18 Uhr Ortszeit-

Mit einem lauten Ächzen, nicht unähnlich dem eines alten Mannes, der sich von seinem Stuhl erhebt, setzte sich der Zug hinter ihr wieder in Bewegung, kehrte, donnernd, in den Tunnel zurück, aus dem er gerade aufgetaucht war. Der Luftsog, der ihm folgte, wie ein Süchtiger dem nächsten Hit, wirbelte Tonnen von Staub und Asche auf - Relikte genau jenes Großfeuers, welches die Arcologie vor nun fast achtzig Jahren verhärmt hatte. Damals, als Nakatomitech noch Interesse an der Gegend zeigte. Ehe sie, angesichts der Wiederaufbaukosten, es vorzogen, die Gegen zu einem urbanen Dschungel verfallen zu lassen und lieber ihr Hauptquartier nach Honshu verlegten.

„Miss Fox, Niko Samantha Fox", wurde sie, während sie sicherstellte, dass ihre Atemmaske eng an ihrer spitzen Schnauze anlag, von einem altertümlich wirkenden, mechanischen Konstrukt angesprochen. Es hatte, vage, die Gestalt einer Spinne mit Regenbogenaugen und stand neben einer halb zerfallenen Rolltreppe nach unten, wo sich ein herab gefahrenes Rolltor befand.

„In Person", sie nickte und legte den Kopf schief. War das ihr Kontakt?

„Erfreut, Sie zu sehen und auf Anhieb gefunden zu haben", plapperte das Ding in übertriebener Fröhlichkeit los, „Weibliche Recoms des Vulpes Vulpes Subgenoms, noch dazu gutgebaute, sind einfach so zahlreich! Ich hatte schon Sorge, Sie lange suchen zu müssen."

Niko seufzte und knirschte innerlich mit den Fängen. Warum nur mussten Programmierer ihre Werke immer so übertrieben höflich gestalten? Wo war die kühle, aber informative Sachlichkeit, die man erwartete?

„Aber, wo habe ich nur wieder meine Programmcounter", die Drohne schüttelte den Kopf, sodass es gefährlich darin klapperte, „Don Martello Verdone schickt Ihnen seine Grüße und lässt ausrichten, dass es ihn unbändig erfreut, dass Sie es einrichten konnten, seiner Einladung zu folgen."

„So kann man das auch formulieren", brummte sie missmutig zurück, „Auch wenn ich eher sagen würde, dass mir keine andere Wahl blieb. Wenn der Bruder des, derzeit, einflussreichsten Mafiaboss der Stadt einen einlädt, taucht man auf. Vor allem und insbesondere, wenn dieser verdammte Bastard, wie in meinem Fall, etwas gegen einen in der Hand hat."

„Nun, das mag in der Tat sein, Miss Fox, aber das ändert nichts daran, dass er sich dennoch freut. Ja, wirklich", mehr Fängeknirschen ihrerseits, „Ebenso wirklich, wie er es zutiefst bedauert, obwohl er gerne persönlich zugegen gewesen wäre, jetzt doch verhindert zu sein. Ihn haben dringende Geschäfte daran gehindert. Ebendarum hat er auch mich ausgesendet und autorisiert Ihnen das Wesentliche dessen zu übermitteln, was Sie für ihn erledigen sollen. Sind Sie dazu bereit?"

Ein Auftrag? Niko fühlte, wie sie sich innerlich anspannte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Martello Verdone, sehr zum Leidwesen seines Bruders, der Professionalität schätzte, ein Perverser war. Ein Sadist, der es geradezu liebte, weibliche Vertreter ihrer Art in bedrohliche, ja mitunter sogar tödliche Situationen zu bringen. Einfach nur, um zu sehen, wie sie sich darin schlugen oder untergingen. Welches, „Spiel", hatte er für sie vorbereitet? Welchen Demütigungen wollte er sie aussetzen? Bisher hatte sie es erfolgreich vermieden, ein, „Star", in einem seiner Machwerke zu sein, aber nun, so schien es, blieb ihr keine andere Wahl mehr. Verdammt! Dabei hatte ihr Tag doch so schön angefangen ...

„Nein", sagte sie ehrlich, als sie sich, nach einer reiflichen Bedenkpause, dazu entschloss, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Etwas Anderes blieb ihr ohnehin nicht übrig.

„Aber leg trotzdem los. Ich will wissen, welche Kugel meinen Namen trägt."

„Oh, nur keine Sorge. Es geht nicht um Kugeln, nein. Viel harmloser", wieder dieser freundlich-unterwürfige Tonfall, „Er hat sie für seine Abenteuershow, ‚Lustige Labyrinthe', ausgesucht."

„Lustige, was", unwillkürlich ging Nikos Blick zurück gen der Rolltreppe, besser gesagt gen des schweren Stahltores. Dahinter befand sich das Sojourn Komplex, ein unterirdischer Bau, der als Wohn- und Lebensraum für all jene Sararimänner angedacht war, die bei Tag und mitunter auch Nacht Nakatomitechs Juwel am Laufen hielten. Im Zuge des Brandes wurde er versiegelt, um seinen, „Inhalt", zu schützen. Seitdem rostete er vor sich hin und nur die ganz Verzweifelten, etwa Verrückte, Sektenspinner oder Personen, die dringend für eine Weile von der Oberfläche verschwinden mussten, wagten sich in sein Inneres. Wieso nur hatte sie das untrügliche Gefühl, dass sie sich demnächst zu genau diesen illustren Personenkreis zählen konnte?

„Lustige Labyrinthe", wiederholte die Drohne indes, „Die Teilnehmer müssen, nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, sich einen Weg von Punkt A nach Punkt B suchen, wo sie ein Exfiltrationsteam erwartet. Allerdings mit einer Stipulation."

„Und die wäre?", fragte sie und ihr Blick kehrte zurück.

„Nun, die Zuschauer, welche den Weg des Teilnehmers über zahllose, im Gelände verteilte Kameras und Sensoren verfolgen können, erhalten die Option den Weg des Teilnehmers zu beeinflussen. Ihn, zum Beispiel, durch eine Entscheidung, eine wichtige Tür zu blockieren oder freizugeben, leichter oder schwerer zu machen."

„Na, das kann ja heiter werden. Und ich soll wirklich daran teilnehmen?"

„Positiv, so hat er es verfügt. Im Gegenzug werden Ihnen oder Ihren Angehörigen als Preisgeld fünfhundert Nuyen ausbezahlt."

„In jedem Fall?"

„Nur wenn sie gewinnen, natürlich, oder die Zuschauer in seinen Augen gut unterhalten haben."

„Natürlich, was frage ich eigentlich", wieder ein Seufzen. Das wurde immer besser. Verdammt, wenn sie sich nur nicht hätte auf dieser hochgradig privaten Fetischparty letzte Woche hätte ablichten lassen. Dann könnte sie der Drohne jetzt sagen, wo der Don seine Aufforderung sich hinstecken konnte und gehen. Aber sie musste dumm sein, musste im Somarausch aus purem Geltungsbedürfnis den Paparazzi darauf hinweisen, dass es bei ihr einige pikante Details zu holen gab, die bisher noch keiner erfahren hatte, um sich selbst, „interessant", zu gestalten.

„Wie viele Teilnehmer gibt es eigentlich bisher? Respektive, wann soll das Ganze stattfinden? Heute? Morgen? In einer Woche?"

„Derzeit sind sie die einzige Person auf dem Teilnahmeroster und, da ihre Reise in dem Moment beginnt, wie unser Gespräch hier vorüber ist, denke ich, dass sich daran auch nichts mehr ändern wird."

Auch diese Aussage überraschte sie nicht oder nur kaum. Etwas Anderes hätte sie von jemandem wie ihm, der stets nur auf das Gewinnen und auf Demütigen seiner Spielpartner aus war, auch nicht erwartet. Alles musste immer hier und gleich und sofort passieren, ohne Plan, einfach drauflos. Nicht, dass am Ende noch jemand anderes als überlegener Sieger dastand, als er.

„Okay, da Punkt A also hier, diese Station ist, wo ist Punkt B", wollte sie als Nächstes wissen, während sie auf ihrem Comlink eine Karte der näheren Umgebung aufrief.

„Punkt B befindet sich am Südausgang des Sojourn Komplexes. Sie erreichen ihn, indem sie im zentralen Treppenhaus in die vierte Etage hinabsteigen und dann die Überreste des Busterminals durchqueren."

„Das ist ein ordentliches Stückchen Strecke", stellte sie, mit Blick auf die Karte, fest.

„Gefahren, auf die ich achtgeben sollte?"

„Es gibt in dem Komplex nur eine echte, für jemanden mit Ihren Fähigkeiten relevante Gefahr: 'Rainbows Embrace'. Der Komplex ist sein Hort."

Rainbows Embrace. Ein unwillkürlicher Schauer lief ihren Nacken hinab und ihre Ohren legten sich eng an ihren Schädel an. Oh ja, sie hatte in der Tat von ihm gehört. Nicht viel, nur ein paar Berichte von örtlichen Scouts, die ihm begegnet waren, aber das genügte bereits. Angeblich, so sagte man sich, hatte er sich aus einem Schwarm Naniten entwickelt, der zur rekreativen Tätigkeiten sexueller Natur gezüchtet worden war. Nach der Versiegelung jedoch war er, da er sich von der Essenz derjenigen nährte, die seine Dienste in Anspruch nahmen, mutiert, hatte seine eigene Programmierung adaptiert und sich selbst zu einem Jäger umgewandelt. Ein Apex Predator, welcher sich nahezu vollständig unbemerkt fortbewegen und seine Opfer bis zum finalen Schlag in trügerischer Sicherheit wiegen konnte.

„Ich bin mit ihm vertraut", ließ sie die Drohne wissen, „Leider. Ich hätte gerne darauf verzichtet."

„Nachvollziehbar. Da sie ihn kennen, erspare ich Ihnen dann meine kleine Präsentation bestehend aus den Killshots seiner letzten Opfer, die Don Martello in weiser Voraussicht in meine Speicher geladen hat?"

„Ich bitte darum. Vielen Dank", sagte Niko und meinte es auch so. Dieser Art von Bildern hätte ihr wirklich gerade noch gefehlt.

„Kommen wir zum letzten Punkt Ihrer Vorbereitung: Ausrüstung und Zeitrahmen. Nach Aussendung verbleiben Ihnen vierundzwanzig Stunden, um den Zielpunkt zu erreichen. Schaffen sie das nicht, werden Jägerdrohnen auf Sie angesetzt", informierte sie die Drohne, „Was die Ausrüstung angeht ... nun ja."

„Nun ja?"

„Sie hängt vom Publikum ab. Gegenwärtig läuft bereits eine Umfrage, welche maximal zehn Gegenstände, abgesehen von Ihrem Comlink, sie mitnehmen dürfen. Alles andere müssen Sie bei mir abgeben und es wird Ihnen oder Ihren Angehörigen am Ende der Show zurückgegeben."

„Und, nur mal so gefragt, über was für Sachen reden wir da? Waffen? Rüstung? Vielleicht sogar einen Flammenwerfer?"

„All dies und mehr. Vorausgesetzt das Publikum schlägt es vor, denn gerade Don Martello hält nicht viel davon, diesem Grenzen zu setzen", die Drohne hielt kurz inne, dann fügte sie hinzu, „Ich sollte, im Übrigen, erwähnen, dass Kleidung auch zu diesen Gegenständen gehört."

„Das ist ein Witz, oder", fragte Niko und starrte die Drohne an, „Will heißen, wenn das Publikum will, gehe ich da nackt rein?"

„Positiv. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist Körperschmuck, wie Piercings. Folgen Sie dieser Anweisung nicht und versuchen Sie etwas Illegales in den Komplex zu schmuggeln, bin ich, das nebenbei, autorisiert, alle Gewalt anzuwenden, um eine Einhaltung dieser Spielregel zu erzwingen."

Nicht nur angesichts des gut bestückten Waffenarmes, welchen die Drohne, wie zur Untermalung ihrer Worte, kurz aufblitzen ließ, hielt Niko es für klüger, in der Sache nicht weiter nachzufragen.

„Dann, nachdem wir durch sind, habe ich nur noch eine Frage: Wie lange muss ich noch warten?"

„Der Poll geht noch bis sieben Uhr PM. Anschließend werde ich ihn auswerten und Sie dann auf den Weg senden."

Niko warf einen Blick auf die Uhr ihres Comlinks. Halb sieben. Sie hatte also noch grob eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde, um sich mental darauf einzurichten, den Abend damit zuzubringen, sich in die Gnade einer anonymen Audienz zu begeben und für diese, einem modernen Gladiator nicht unähnlich, um ihr Leben zu kämpfen. Nicht viel Zeit, wenn sie ehrlich war. Hoffentlich ging alles gut ...

<Test, Test. Funktioniert das Ding endlich? Echt? Gut, hervorragend sogar! Also, zuerst einmal: „Moin". Mein Name ist Anno und ich bin der Sendeleiter der Show, welche sich in den nächsten Tagen und Wochen entfalten wird. Mehr brauchen Sie von mir nicht zu wissen, im Moment zumindest.

Ich wende mich an Sie, verehrter Zuschauer, verehrte Zuschauerin, weil diese junge Dame, von der sie gerade erfahren haben, Ihre Hilfe benötigt. Ja, genau Ihre Hilfe. Wie das arkane Konstrukt Miss Fox bereits eröffnete, läuft im Moment ein Poll, in der ihr durch sie zehn Gegenstände gestellt werden, welche ihr bei ihrer Reise helfen sollen. Sie können sich bis Montag, 26.06.2023, 18 Uhr an diesem Poll beteiligen. Nennen Sie über die Kommentarfunktion des Beitrags einfach Ihre Vorschläge. Klingt gut, oder?

Oh, und keine Sorge wegen des zeitlichen Rahmens. Wir nutzen die Technik der Zeitdilatation und -umkehr durch eine Singularität. Wenn also auch für uns mehrere Tage bei einer Entscheidung vergehen, damit auch jeder von Ihnen Zeit hat etwas zu Miss Fox Schicksal beizusteuern, für sie wird oft ein signifikant kürzerer Zeitraum vergehen.>