Tage im Juni - MÜSLIMÄDCHEN - Ger

Story by Kranich im Exil on SoFurry

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#16 of Tage im Juni

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TAGE IM JUNI

Müslimädchen

Schon wieder zu spät.

Sie konnte schwören, dass das Universum sich gelegentlich eine Auszeit vom Sterneschubsen und Kometenkegeln nahm, um Zeit und Raum einzig und allein um sie kreisen zu lassen. Sie hätte sich über die Aufmerksamkeit sehr gefreut, wäre das Universum kein infantiles Gör, das es zu lieben schien, arglistigen Schabernack mit dem Kudu zu treiben.

Was zur Hölle ein Kudu ist? Ja, das fragten sie viele. Darum versuchte sie sich einfach bloß als Antilope zu bezeichnen. Obwohl Strepsiceros ungleich präziser wäre. Aber das klingt zu sehr nach einer Fachangestellten in der medizinischen Abteilung des Stadtmuseums -- oder kurz Bücherwurm.

Aber was waren schon Worte und Namen? Ihre eleganten Streifen konnte ihr niemand nehmen, selbst wenn man sie aus Versehen Reh nannte. Das machte ihr heute fast nichts mehr aus. Sehr wenig zumindest. Relativ wenig.

Egal. Das Universum lachte sie also mal wieder aus, mit dem brennenden Blick der Junisonne, die viel zu neugierig durch ihr Schlafzimmerfenster starrte, während sie hastig den Kleiderschrank durchwühlte und das heutige Outfit aufs Bett warf, wissend, dass sie aufgrund mangelnder Zeit wohl den Knitterlook fahren musste.

Durch das offene Fenster wehte ihr der Geruch von Gras, Taubenkot und Grillwürstchen entgegen. Am frühen Morgen.

Sie konnte für Tage wie diesen nur eine universale Verschwörung verantwortlich machen. Irgendwie hatte man ihr einfach eine Stunde geklaut -- aus Raum und Zeit gerissen und in einem schwarzen Loch verschwinden lassen.

Sie konnte sich genau daran erinnern, den Wecker nur einmal angetippt zu haben. Sie hatte ihn immer auf Schlummern stehen, damit sie für fünf weitere Minuten die Augen schließen und sich freuen konnte, erst in fünf Minuten aufstehen zu müssen.

Diesmal hatte sich der Wecker aber entschieden, kein zweites Mal zu klingeln. So hatten sich die fünf Minuten in fünfzig verwandelt. Einfach so. Von einem Augenaufschlag zum nächsten. Und jetzt rannte sie hektisch umher und versuchte dem Universum die gestohlene Zeit zurückzuklauen.

Grimmig warf sie einen Blick auf den betrügerischen Wecker. Schlummern war deaktiviert. Kleiner Mistkerl. Er hatte sich also auch gegen sie verschworen.

Der Taubenkotwürstchengeruch ließ ihren Magen knurren.

Hätte sie Zeit gehabt, hätte sie Salat zubereitet, mit Kaktusfeigen und Couscous. Aber Zeit hatte sie ja leider keine.

Dann musste wohl eine Banane reichen, auch wenn sie davon unmöglich satt werden würde. Oder sie stopfte sich gleich ein paar davon in die Tasche, worauf diese dann tagelang nach einem Fruchtcocktail stinken würde. Lieber doch einige Getreideriegel? Nach deren Verzehr würde sie sich schwer wie ein Büffel fühlen. Und trotzdem noch hungrig sein.

Sie beschloss sich irgendwann irgendwo etwas in der Stadt zu kaufen. Das war zwar teuer, aber dafür ungesund.

Sie huschte aus dem Apartment und hatte gerade die Tür abgeschlossen, als sie den Hausmeister am anderen Ende des Flures bemerkte.

Sie versuchte gerade so viel Motivation aufzubringen, ihn halbwegs freundlich grüßen zu können, da stoppte sie und bemerkte, dass dies gar nicht der Hausmeister war. Auch kein Nebenmieter. Es war niemand, den sie kannte.

Ein Zebra in Shorts, mit Blütenmuster und einem hellgelben Shirt. Scheinbar ein sonniges Gemüt.

Sie hatte es eilig. Trotzdem konnte sie sich nicht überwinden, auf den Fremdling zuzugehen. Ihr Unterbewusstsein riet ihr, sich von ihm fernzuhalten. Irgendetwas störte sie ungemein und ließ sie länger als ihr lieb war vor der Tür verharren.

Vielleicht war es die Tatsache, dass sie nicht sagen konnte, was die Person im Flur suchte. Der Fremde unternahm nichts. Er stand einfach nur mitten im Gang und blickte der Antilope entgegen. Einen Huf hatte er in der Hosentasche vergraben, den anderen auf dem Rücken.

Sie fühlte sich genötigt, dem Zebra zuzunicken und einen Guten Morgen zu murmeln, aber nichts tat sich. Keine Erwiderung. Es stand einfach nur da und starrte weiter.

Ein bohrender Blick war eine Sache, aber in Kombination mit der bedrückenden Stille des Hausflures wurde er zu einem albtraumhaften Omen. Niemand stand einfach inbrünstig schweigend herum und starrte Leute an.

Ihr drängte sich der quälende Verdacht auf, dass die Stille bloß eine andere Art von Warnung war. Sie bohrte sich mit heimlicher Eindringlichkeit in ihre Ohren und flüsterte ihr Schauergeschichten zu.

Jenseits der Wände konnte sie das gedämpfte Zwitschern der Vögel hören und das Rauschen von Autos. Im Kontrast zur bedrohlichen Stille des Flures wirkten sie aber unendlich weit weg. Fast wie in einer anderen Welt, die unerreichbar war.

Dann konnte sie das leise Atmen des Zebras hören. Ihre Nackenhärchen fingen vor Anspannung an zu kribbeln und ihre Hufe wurden kalt. Selbst die sonnigen Klamotten des Zebras halfen da nichts.

Sie musste an ihm vorbei, wenn sie nach unten wollte. Der Fahrstuhl war im Gang hinter ihm.

Oder sie könnte sich auf der Stelle umdrehen und in ihrem Apartment einschließen, hoffend, dass der Sonderling von selbst verschwinden würde wie, ein schlechter Traum. Dann würde sie in zerknitterten Klamotten am Tisch sitzen, lauschen und darüber nachdenken, wie sie ihrem Chef ihr Fehlen erklären sollte.

»Ich kann heute leider nicht im Büro erscheinen, da in meinem Hausflur ein psychotisches Zebra steht und mich bedrohlich anschweigt.«

Oder sie könnte gleich die Polizei rufen.

»Was hat das Zebra Ihnen versucht anzutun, Fräulein?«

»Nun, es steht da und blickt mich an. Der Blick ist sehr bedrohlich.«

»Okay. Halten Sie durch. Wir schicken zwei Wachtmeister, die heroisch zurückstarren werden. Wir können im Moment leider nur mit Vorstehhunden dienen. Unsere Löwen sind beim Frühstück.«

Ihr Magen nahm lautstark an der Unterhaltung teil. Die lähmende Stille vom Knurren eines hungrigen Morgenmagens durchbrochen zu hören hatte etwas Skurriles. Es war fast witzig, aber die Situation ließ der Antilope ihr Lachen als trockenen Kloß im Hals stecken bleiben.

Das Zebra machte noch immer keine Anstalten sich wegbewegen zu wollen. Fast glaubte sie, bloß eine absurde Wachsfigur vor sich zu haben -- wären da nicht die leisen Atemgeräusche.

Zum wiederholten Male musterte sie den Fremdling. Dort war noch etwas, das sie erst jetzt bemerkte und das ihre Anspannung noch größer werden ließ.

Etwas stimmte nicht mit dem Gesicht des Zebras. Es wirkte ganz starr, fast leblos. Ihr Blick wanderte auf seine Augen, hoffend dass deren Blick verriet, was hier los war. Aber sie waren völlig schwarz. Wie zwei schattige Löcher.

Dann erkannte sie es und atmete erschrocken ein: Der Sonderling war kein Zebra. Er trug eine Zebramaske. Dahinter verbarg sich irgendein anderes Tier.

Erst jetzt wurde ihr das kurze, braune Fell der Beine bewusst. Auch konnte sie kleine Büschel von Fell aus dem Kragen des Shirts hervorragen sehen.

Der Flur schien plötzlich noch kälter geworden zu sein und die Stille noch aggressiver.

Sie sog die Luft in ihre Nase, konnte aber nicht riechen, wer oder was sich dort hinter der Maske verbarg.

Der Sonderling starrte weiter. Wortlos. Regungslos. Die Augen hinter der Maske nicht sehen zu können schien seinen Blick sogar noch intensiver zu machen. Es war als wurde sie nicht nur von dem unbekannten Tier angestarrt sondern auch von der Maske selbst. Als wären es zwei Paar Augen, beide fremd und voller verborgener Motive.

Wieder knurrte ihr Magen. Sie hätte doch eine Banane essen sollen.

Plötzlich hatte sich etwas am Fremden verändert.

Es ging so schnell, dass sie es nicht sofort bemerkte. Sein Kopf schien nun leicht zur Seite gekippt zu sein. Und seine Hand war nicht länger in der Tasche. Er hielt etwas Glänzendes in ihr. Spitz und lang.

Genug.

Sie sog Luft in ihre Lungen, drehte sich im Sprung herum und rammte panisch den Schlüssel ins Loch. Sie rutschte ab und fuhr zusammen, als sie ein absonderliches Geräusch hinter sich hörte. Gekicher. Nicht heiter sondern irre. Sie hatte keine Ahnung, welches Tier so ein Lachen von sich gab.

Ihr Blick flog hektisch über die Schulter und mit Schreck sah sie, wie der zuvor starre Fremdling auf sie zugestürmt kam, den glänzenden Gegenstand erhoben und irre kichernd.

Sie hantierte am Schlüssel, der am Schloss entlang kratzte und endlich die ffnung fand.

Hysterisch drehte sie ihn herum, riss die Tür auf, zwängte sich hindurch und zog sie hinter sich zu. Mikrophon.

Sie fiel nicht ins Schloss. Ein Arm blockierte sie und zwängte sich durch den Spalt. Er schlug nach der Antilope.

Sie warf sich kreischend gegen die Tür. Ihr Geschrei vermengte sich mit dem schrillen Gekicher.

Im Morgenlicht blitzte der silbrige Gegenstand auf. Knapp an ihrem Kopf vorbei. Sie konnte ihn in ihren Haaren spüren. Er traf das Holz und schabte daran entlang. Hinterließ eine schiefe Kratzspur.

Hämmern und Treten. Gelächter. Die Tür erbebte. Die Antilope drückte sich mit aller Kraft dagegen, schrie und betete, dass sie irgendwer hören würde. Dass irgendwer kommen würde.

Niemand kam. Eine scheinbare Ewigkeit kämpfte sie gegen das immer wilder werdende Gehämmer, das sich mit dem immer schrilleren Kichern zu einem Inferno des Wahnsinns steigerte.

Und sie hatte immer noch Hunger.

Der glänzende Gegenstand schnellte umher, schabte lautstark über das Holz.

Plötzlich spürte sie ihn auf ihrer Schulter. Eisige Kälte fuhr durch ihren Körper. Sie fuhr panisch zusammen und keuchte.

Die Millisekunde Unachtsamkeit war genug für den Fremdling, ihr die Tür entgegenzutreten und sie rücklings in die Küche stolpern zu lassen. Sie fand Halt am Küchentisch, aber stieß sich an der Kante.

Die Tür flog mit einem Knall auf und im blassen Licht des Flurs starrte ihr die geblümte Silhouette eines Irren mit schief grinsender Zebramaske entgegen. In der Hand hielt er einen Löffel. Er lachte.

Hinter dem Rücken zog er einen kleinen Pappkarton hervor, der ebenfalls geblümt war. Frühstücksmüsli.

Der Irre lachte weiter. Der Magen der Antilope knurrte. Vögel zwitscherten. Autoreifen quietschten. Aber am lautesten war trotzdem das Lachen.

Schnitt.

Die Antilope sitzt am Küchentisch und gibt etwas laktosefreie Milch in ihre Schüssel mit Müsli.

Der Fremde sitzt ihr mit einer zweiten Schüssel gegenüber und schmunzelt, als er die bunten Knusperkugeln auf seinen Löffel schaufelt.

Beide sehen sich an, während sie das Müsli essen. Das Gekicher des Fremdlings wird nur unterbrochen, wenn er die Maske zur Seite und sich den Löffel in den Mund schiebt.

Ihre Schüssel ist rasch leer und er hebt den bunten Karton, schüttelt ihn, kichert und füllt sie wieder auf. Beide lachen.

Jetzt ist sie endlich nicht mehr hungrig.

So einfach und schnell kann man am Morgen den Heißhunger besiegen und gleichzeitig irren Spaß dabei haben.

»Coco Crunch -- Wahnsinnig gut.«

Dann hier noch der Hinweis auf die Webseite. Die Nährwertangaben lassen wir weg, aber wir müssen erwähnen, dass Coco Crunch für Pflanzenesser geeignet ist.

Irgendwo war Gregs Mikrophon im Bild. Das müssen wir rausschneiden.

End of chapter

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